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Kommentar EEG-AusnahmenWidersprüchliche Propaganda

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Der BDI kämpft für die Privilegien der energieintensiven Industrie - und schadet damit der Mehrheit seiner Mitglieder.

Auch für die Salzgitter-Werke gilt: Damit der Strom hier billiger ist, zahlen alle anderen mehr. Bild: dpa

E s ist eine bemerkenswerte Zahl, mit denen der Bundesverband der Deutschen Industrie derzeit in den Kampf gegen Sigmar Gabriels geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zieht. Mindestens 900.000 Arbeitsplätze seien bedroht, wenn die energieintensive Industrie von den Kosten der Energiewende nicht mehr ganz so stark entlastet würde wie derzeit, behauptet der Verband allen Ernstes.

Das ist zum einen erstaunlich, weil in der energieintensiven Industrie nach Angaben des zuständigen Dachverbands VIK überhaupt nur 800.000 Menschen arbeiten. Und selbst dass diese Arbeitsplätze komplett entfallen könnten, ist eine ziemlich absurde Vorstellung. Denn die Kriterien für die Privilegien sind immer weiter aufgeweicht worden, sodass immer mehr Firmen subventioniert werden, die vorher offenbar auch ohne dieses Geschenk schon existiert haben. Zudem plant die Regierung keineswegs eine komplette Streichung der Vergünstigungen.

Verwunderlich ist die Propaganda des BDI aber auch deshalb, weil sie den Interessen eines Großteils der deutschen Wirtschaft widerspricht. Denn durch die Ausnahmen für die (angeblich oder tatsächlich) energieintensive Industrie ist ja der Strompreis für alle anderen Verbraucher höher – für private Kunden ebenso wie für die nicht privilegierte Industrie. Die höheren Kosten dieser Firmen und die niedrigere Nachfrage der Verbraucher kostet vermutlich mehr Arbeitsplätze, als bei der energieintensiven Industrie durch ihre Privilegien gerettet werden.

Insgesamt würde also auch die Wirtschaft profitieren, wenn die Ausnahmen auf das absolut notwendige Minimum zurechtgestutzt würden. Der Wirtschaftsminister täte also gut daran, die BDI-Warnungen gelassen zu ignorieren.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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1 Kommentar

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  • Ulkigerweise hatte der BDI erst vor vier Jahren im Rahmen der Atom-Laufzeitverlängerungsdebatte eine Studie veröffentlicht, die zu einem ganz anderen Ergebnis kam. Diese hatte (ebenfalls ohne genauere Herleitung) für den Fall einer Laufzeitverlängerung zwar eine Strompreissenkung errechnet, die ähnlich hoch war wie der jetzt vom BDI befürchtete Strompreisanstieg, doch der Arbeitsmarkteffekt in der Industrie wurde um mehr als eine Größenordnung geringer geschätzt.

     

    Aber vielleicht hat sich der BDI inzwischen "bessere" Gutachter gesucht.