Kommentar Drohgebärden in der Ukraine: Keine Panzer auf dem Maidan

Ein Einsatz der ukrainischen Armee gegen die Protestierenden ist unwahrscheinlich. Das Risiko einer Verbrüderung wäre zu hoch.

Auf dem Maidan in Kiew sind nicht nur mit Teekannen bewehrte Großmütterchen unterwegs. Bild: ap

Zunächst die gute Nachricht: Panzer werden nicht auf den Maidan rollen. Zwar haben führende Militärs in einem offenen Brief an den Präsidenten ein härteres Vorgehen des Oberkommandierenden Janukowitsch gegen die Demonstranten gefordert. Doch dieses Schreiben war ganz offensichtlich von Janukowitsch persönlich in Auftrag gegeben worden.

In keiner Armee der Welt wenden sich Untergebene über die Presse mit einem Anliegen an ihren Oberkommandierenden. Mit dem Brief sollte vielmehr unter den weniger motivierten Maidan-Bewohnern die Angst geschürt werden. Würden wirklich Panzer auf den Platz rollen, könnten mehrere Schüsse im wahrsten Sinn des Wortes nach hinten losgehen. Wirklich sicher kann sich der Präsident nicht sein, dass die Armee geschlossen hinter ihm steht.

Sollten die Panzer rollen, werden ukrainische „Babuschkas“ die frierenden Panzergrenadiere, die ihre Enkel sein könnten, mit einer Tasse Tee aufhalten. Gleichzeitig werden Maidan-Bewohner mit Afghanistan-Erfahrung die Panzer unter Kontrolle bringen. Verbrüderungsszenen zwischen wehrpflichtigen Soldaten und Demonstranten wären das Ende der Herrschaft Janukowitschs. Wehrpflichtige schiessen nicht auf Frauen und Jugendliche. Ihnen ist das Schicksal von Frauen und Müttern wichtiger ist als der Befehl ihres Vorgesetzten.

Dass sich Diktatoren seit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag 1968, vom Tiananmen in Peking abgesehen, vor einem Panzereinsatz gegen Demonstranten scheuen, dürfte auch daran liegen, dass diese bei Strassenkämpfen, wenn Mann gegen Mann kämpfen, im Weg stehen.

Und nun die schlechte Nachricht: die Machtelite des Landes ist auf die Situation gut vorbereitet. Will man den Aufstand wirklich mit Gewalt unterdrücken, braucht man keine Armee. Seit Jahren ist das Innnenministerium finanziell so gut ausgestattet wie das Verteidigungsministerium. Die Sondereinheiten des Innenministeriums werden keine Skrupel kennen, einen Befehl zur gewaltsamen Räumung des Maidan auszuführen.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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