Kommentar Diskriminierung in Russland: Europarat muss Prinzipien verteidigen
Ob die Kritik des Europarats bis zum Kreml durchdringt, kann bezweifelt werden. Die Organisation sollte aber auf der Verteidigung seiner Werte bestehen.
W ie löblich, dass der Europarat das Thema Russland wieder einmal auf die Tagesordnung setzt und klare Worte zur Situation von Minderheiten findet. Die ist grausig. Vor allem Menschen mit, wie es so schön heißt, „nicht traditioneller sexueller Orientierung“, werden systematisch stigmatisiert und Opfer tätlicher Übergriffe.
Besonders krass ist das Beispiel der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien, wo homosexuelle Männer, die es dort angeblich gar nicht gibt, eingesperrt und auch zu Tode gefoltert werden. Beispiele, dass Täter für diese Verbrechen zur Verantwortung gezogen würden, sind kaum bekannt.
Befeuert werden das von Hass erfüllte Klima und der menschenverachtende Umgang mit diesen „Abartigen“ durch die Orthodoxe Kirche und führende Vertreter der Regierung. Sie sehen sich in der Pflicht, ihr Vaterland vor den Exzessen des dekadenten und verfaulenden Westens zu schützen.
Ob angesichts dieser unumstößlichen Wahrheiten die Kritik des Europarats bis in den Kreml vordringt, geschweige denn positive Folgen für die Betroffenen zeitigt, darf bezweifelt werden. Denn Moskau steht mit dieser Institution auf Kriegsfuß und das spätestens seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014. Auf den Entzug des Stimmrechts antwortete Russland mit dem Fernbleiben seiner Delegierten bei den Sitzungen sowie Einstellung der Zahlungen nach Straßburg.
Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden allenfalls partiell umgesetzt oder seit 2015 gleich ganz vom russischen Verfassungsgericht kassiert. Trotzdem gibt es immer noch unbelehrbare Idealisten, die sich für eine Lockerung der Blockade aussprechen.
Ihnen ist nur zu entgegnen: Vergesst es! Stattdessen muss der Europarat auf der Verteidigung seiner Prinzipien bestehen – ohne Wenn und Aber, schlimmstenfalls mit allen Konsequenzen. Alles andere hieße, den Hüter von Demokratie und Menschenrechten vollends der Lächerlichkeit preiszugeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation