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Kommentar Diesel-Konzept der GroKoDie Angst, Politik zu machen

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Regierung ist hilflos gegenüber Autolobby und Autofahrern und hofft, dass ihr Diesel-Konzept aufgeht. Dabei könnte sie auch anders.

Gesundheit? Der Regierung fällt auf die Füße, was sie seit Jahren der Autoindustrie überlassen hat Foto: Unsplash/Pétrin Express

Nur mit Euch“ steht auf den Fahnen, die zum Nationalfeiertag draußen vor dem Kanzleramt wehen. Drinnen hat die Koalition versucht, mit einem Konzept ihre Angst in den Griff zu bekommen: Vor der Gesundheitsgefahr für die Menschen, die in den Städten atmen wollen; vor dem Unwillen der Diesel-Fahrer wegen drohender Fahrverbote. Vor dem Niedergang der deutschen Autoindustrie. Und vor allem: Ihre Angst, Politik machen zu müssen. Verkehrspolitik.

Denn „nur mit Euch“ steht unbemerkt auch auf diesem „Konzept für saubere Luft und Sicherung der individuellen Mobilität“. Es beruht praktisch vollständig auf Freiwilligkeit. Wenn nicht die meisten Autofahrer einige tausend Euro in die Hand nehmen für ein neues Auto, wird es nichts bringen. Wenn nicht die Hersteller einige Milliarden Euro zahlen, wird das Konzept ebenfalls nicht aufgehen. Wenn nicht die Gerichte der Argumentation der Regierung folgen, hagelt es Fahrverbote in den großen Städten.

Verkehrsminister Andreas Scheuer hat recht: Wir leben nicht in einer Planwirtschaft, die Regierung kann weder die Industrie noch die Kunden zwingen, Autos nachzurüsten, beziehungsweise zu tauschen. Aber ihr fällt nun auf die Füße, dass sie seit Jahren die Straßenverkehrspolitik den Autokonzernen überlassen hat. Alle wussten, dass deutsche Autos zu viel Stickoxide und Kohlendioxid ausstoßen. Alle wussten, dass die Hersteller legal und illegal tricksten.

Keine Regierung hat die Autoindustrie daran erinnert, dass Normen so einzuhalten sind, wie sie gedacht waren. Ohne Not hat die Regierung Merkel ihre Druckmittel wie Bußgeld, Rücknahme der Typenzulassungen oder Gerichtsverfahren aus der Hand gelegt – ganz anders als etwa die US-Behörden, die mit den Autobauern kräftig Schlitten fahren.

Da ist das Konzept der Regierung nur konsequent: Bangen und hoffen, dass alles gut wird. Sie könnte anders handeln und Druck ausüben. Einerseits verbal, aber auch hinter den Kulissen. Sie könnte klar machen, dass etwa beim Zukunftsmarkt Digitalisierung die Konzerne den Staat brauchen, dass die Milliarden im Bundesverkehrswegeplan auch in die Bahn oder das Fahrrad fließen könnten. Sie könnte darauf drängen, dass sich die Konzerne viel stärker als Mobilitätsdienstleister sehen und nicht nur als Blechverkäufer.

Aber dafür müsste die Angst der Regierung vor der Autolobby schrumpfen. Und ihre Angst vor einer unzufriedenen Bevölkerung noch wachsen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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3 Kommentare

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  • Zitat: „Aber dafür müsste die Angst der Regierung vor der Autolobby schrumpfen. Und ihre Angst vor einer unzufriedenen Bevölkerung noch wachsen.“

    Quatsch! Die Angst ist noch nicht groß genug bzw. längst zu groß. Und zwar völlig zu recht. Den mündigen Bürger nämlich, der souverän (mit-)entscheidet als Kunde wie als Schutzbefohlener, den gibt es nicht. „Der Bürger“ ist ein Vorschulkind, das in sich widersprüchlich denkt und handelt. Den Ärzten kauft er ihre Sorge ab, die seine Lunge anbetrifft. Den Autobauern ihre Werbefilmchen, in denen Autos Freiheit meinen. Dass beides nicht sehr gut zusammen geht, schert sie ganz offensichtlich einen CO2-Ausstoß.

    Wie schlecht erzogene Dreijährige nerven sie die Mama an der Supermarktkasse: „Ich will aber…!“ Sie wollen alles – nur die Konsequenzen nicht. Sie wollen Spaß haben beim Autofahren und zugleich atmen ohne Hustenreiz. Sie wollen, dass Verantwortung etwas für Großverdiener ist, die sich dafür fürstlich bezahlen lassen, dass sie im Namen andere entscheiden und durchsetzen lassen. Das funktioniert nur leider nicht. Denn diese Herrschaften sind selber auch drei Jahre alt und zeigen mit dem zweiten Finger ihrer nach vorn gestreckten Hand auf die „Verbraucher“, die zugleich ihr eignes Opfer sind. Mit ihrer anderen Hand streichen sie unterdessen rasch die Kohle ein, die’s dafür gibt.

    Wäre ich Regierung, würde ich mich auch fürchten vor solchen Wählern, glaube ich. Da wären mir die Lobbyisten sicher lieber. Die wissen wenigstens genau, was sie sich wünschen und wie ich ihnen dabei behilflich sein kann. Sie stürzen mich nicht in Konflikte.

    Konsequent inkonsequent sein ist immerhin auch eine Kunst. Natürlich, jedenfalls, ist so was sicher nicht. Viel zu riskant, wo es um den realen Horror geht. Jetzt gleich und hier, nicht anderswo und irgendwann.

  • Diese Regierung hat keineswegs „Angst vor der Autolobby“, sie ist wesentlicher Teil der Autolobby.

    Machen wir uns doch nichts vor, es wird solange weitergewurschtelt am Verbrennungsmotor, bis ohnehin nichts mehr läuft, weil das Öl ausgeht. Das Elektroauto kann auch kein Ausweg sein, es ist eine ökologische Sackgasse. Die Resourcen, die es für Batterien braucht, sind noch viel schneller am Ende, als das Öl.



    Mobilität wird man in absehbarer Zukunft völlig anders denken müssen als heute. Es darf jetzt schon ruhig mal phantasiert werden. Modulare flexible Transportsysteme in den Städten, statt Asphaltstraßen. Kleinere Schienenfahrzeuge mit Elektroantrieb oder Brennstoffzellen. Liftartige Transportsysteme im permanenten Kreislaufbetrieb usw. Die Chancen eines Mobilitätswandels dürften weitaus größer sein, als sich die eingefahrene Autoindustrie das heute vorstellen kann. Sicher ist nur, dass man nicht mehr lange weiter jedes Jahr Millionen von Autos auf die Straße bringen kann, die dann doch nur im Stau stehen und wertvollen Lebensraum sinnlos zustellen.

  • Politiker und Politmusikantenstadl Spieler haben sich ab den 80ern aus der Politik verabschiedet! Ob Automobilindustrie, Bildungsuntergang, Vermieterwahn, Pflege, Ressourcenüberverbrauch, Globalisierungsfehler, Fianzjongleure, Flüchtlingsmegastädten, und und und.....



    Die Vorgänge lagen offen aus: politisch hätten sie in Angriff genommen werden müssen! Doch die verwahrlose Politavangarde hat sich hinter Beratern, hinter VIP-Events, hinter Nebenpöstchen 'versteckt'



    Wenn die 'schwäbische Hausfrau' sieht, riecht, dass ihr Kind die Hose voll hat, macht sie sich auf, das stinkende Bündel in den Angriff zu nehmen!



    Wir Bürger konnten erleben, dass Politdarsteller ne neue Plastikfolie zwecks besserer Abdichtung drum rum legten!



    Wenn's nicht stinkt, ist auch nix!



    Was mich richtig richtig sauer macht (auch als Frau! weil wir haben ja von Wirtschaft, Auto, Finanzen etc pp keine Ahnung) genau jene, die uns das "privat ist besser Staat" eingebrockt haben und immer weiter einbrocken sind die die ohne Sozialstaat am Boden liegen würden!



    Und was mich noch saurer macht: die Zivilgesellschaft der 70/ 80er hat genügend Impulse gegeben.... doch die Privatiers haben sie ausgesessen! Vater Staat hilft ja, wenn sie nicht mehr abzocken können!

    Und was mich grummeln lässt: merkt ihr Gewerkschafter eigentlich noch vor welchen Untergangskarren ihr habt euch spannen lassen? Glaubt ihr wirklich, Strafen würden von den MiilionärsVorständen bezahlt? (Wahrscheinlich sind wegen eurer herbeigeführten "Betriebsblindheit" deswegen Eure Einnahmen, incl Nebenjobs so horrende gestiegen)