piwik no script img

Kommentar Deutsche TürkeipolitikEs braucht eine klare Ansage

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Seit Angela Merkel regiert, gibt es keine Türkeipolitik. Deutschland muss klären, wie das Verhältnis der Türkei zu Europa aussehen kann.

Angela Merkel will noch immer in Ruhe gelassen werden, wenn es um die Türkei geht Foto: dpa

S eit Langem, das heißt, so lange, wie Angela Merkel regiert, hat die Bundesregierung keine Türkeipolitik. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder hatte zuvor mit seinem Außenminister Joschka Fischer entschieden, die Türkei nach den Anschlägen von 9/11 in die EU zu holen, um zu zeigen, dass der Westen keinen Krieg gegen den Islam, sondern gegen eine Terrororganisation führt, die auch islamische Länder bedroht.

Das war ein geopolitisch nachvollziehbarer Ansatz, dem Merkel zwar nicht widersprach, den sie aber auch nicht weiter umsetzte. An die Stelle einer EU-Mitgliedschaft setzte sie die „privilegierte Partnerschaft“, und ließ ansonsten die Beitrittsbemühungen der Türkei ins Leere laufen.

Merkel hatte keine Beziehung zu den 3 Millionen türkischen Einwanderern in Deutschland und konnte mit der Türkei als möglichem Partner nichts anfangen, was nicht nur den damaligen Ministerpräsidenten Erdoğan, sondern einen großen Teil der türkischen Bevölkerung enttäuschte. Mittlerweile hat sie erkannt, welche Rolle die Türkei international – die Stichworte sind Syrien, Flüchtlinge, Nato und Russland – und in der deutschen Innenpolitik spielen kann.

Doch immer noch will sie in Sachen Türkei vor allem in Ruhe gelassen werden. Erdoğan soll die syrischen Flüchtlinge zurück- und sich aus der deutschen Innenpolitik heraushalten. Dafür zahlt sie mit Geld und einigen devoten Besuchen.

Was die Türkei erwartet, ist, dass Deutschland gemeinsam mit Frankreich klärt, wie das Verhältnis des Landes zu Europa aussehen kann. Wenn man Einfluss nehmen will auf die Achtung der Menschenrechte, die Pressefreiheit und eine unabhängige Justiz, muss man etwas anbieten und das kann nicht nur Geld sein. Es braucht eine klare Ansage, ob eine Anbindung an die EU erwünscht ist, wie diese aussehen kann und was die Voraussetzung dafür ist. Das betrifft nicht nur Erdoğan, sondern würde auch für die Opposition die Verhältnisse klarstellen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Alles richtig! Nur - ausgerechnet von Angela Merkel eine klare Ansage in Sachen Türkei zu erwarten, ist wie der Mauer sein Leid zu klagen.

  • Zu einer klaren Ansage gehört dann allerdings auch, dass und inwiefern genau sich der türkische Staat wandeln muss, um die Anforderungen an eine Demokratie innerhalb der EU zu erfüllen (das gilt übrigens ebenso für Staaten innerhalb der EU, die schon seit geraumer Zeit am Fundament ihrer Demokratie sägen)!

    Wenn das klar festgelegt wird, kann die Türkei der EU meiner Meinung nach gerne beitreten.