piwik no script img

Kommentar Deutsche EinheitDifferenzen anerkennen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Der Jahresbericht zur deutschen Einheit spiegelt wieder, wie tief die Narben gegenseitiger Vorwürfe noch sind. Was hilft? Zuhören!

„Besserwessis“ und „Jammerossis“ – das sitzt doch tiefer als gedacht Foto: dpa

V ielleicht versteht man die Lücke, die noch immer zwischen Ost und West existiert, am besten, wenn man auf die Frauenbewegung schaut. Nach dem Mauerfall hatten Feministinnen beider Länder die feste Absicht, sich zu vereinen und eine starke Bewegung zu werden. Aber recht schnell stellten sie fest, dass sie weder die gleiche Sprache sprachen noch dieselben Ziele hatten.

Während Ostfrauen sich als weitgehend gleichberechtigt gegenüber den Männern empfunden hatten und den Kampf um Gleichstellung nicht so stringent verfolgten wie Westfrauen, waren diese enttäuscht über so wenig Biss der ostdeutschen Schwestern. Was folgte, waren Vorwürfe, gegenseitiges Unverständnis und eine große Sprachlosigkeit.

All das konnte bis heute nicht gänzlich aufgelöst werden – gesamtgesellschaftlich. Die Wucht von Zuschreibungen wie „Besserwessi“ und „Jammerossi“ ist offensichtlich größer, als sich das die meisten Menschen im Land wünschen.

Da ist es egal, dass die einst staubigen Dorfstraßen in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren sauber betoniert sind. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, dass viele Sachsen seit Jahren in Bayern Karriere machen und nicht von morgens bis abends wehklagen.

Leistungen aufwerten, Unterschiede anerkennen

Wie tief die Narben der einst zugefügten Verletzungen sind, spiegeln der Jahresbericht zur deutschen Einheit und die Debatte dazu am Donnerstag im Bundestag wider. Politiker*innen aus dem Westen blieben der Plenarsitzung weitgehend fern, ostdeutsche Abgeordnete forderten das, was sie seit Jahren beanspruchen: gelebtes Leben in der DDR ernst nehmen, Leistungen aufwerten, Unterschiede zwischen Ost und West anerkennen.

Was spricht dagegen, Differenzen stehen zu lassen? Diversität, das zeigen mittlerweile viele Wirtschaftsstudien, ist gewinnbringend für Unternehmen. Warum sollte das nicht auch auf die Republik und ihre Menschen zutreffen?

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Ost- und Westdeutsche einander zuhören, sich gegenseitig akzeptieren und sich positiv aufwerten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Debatte zu offenen Fragen der imperialistischen Einheit Deutschlands.

    »„Bloß nicht in Verdacht geraten“ Debatte Maxi Leinkauf und Lutz Herden sind die letzten ostdeutschen Redakteure des Freitags. Was macht diese Erfahrung mit ihnen? – Warum scheinen die in den „neuen Bundesländern“ oder in der DDR geborenen Deutschen so anders zu sein als die Leute aus „dem Westen“? Und was ist da gerade überhaupt los im Osten der Republik?«







    Vgl. der Freitag. Das Meinungsmedium *

    Vor Jahren, während der Wartezeit auf dem Bahnhofsgelände, nahe Frankenhausen, lernte ich zwei ältere Männer kennen. Sie bestätigten im Gespräch ihre Wahlentscheidung in der Wendezeit für die CDU bzw. AfD (1990). Jetzt, wo sie in Arbeitslosigkeit waren und zuvor über Jahrzehnte eine gesicherte Erwerbsarbeit hatten, da hätten sie gerne die SED zurück gehabt.

    Warum diese kurze Anekdote?

    Wie ich bereits oben skizzierte, die SED hatte in ihrer Hochzeit, laut Egon Krenz: ''2,4 Millionen Mitglieder'' und im FDGB waren mehr als 95 Prozent der Erwerbstätigen der DDR organisiert, vor allem fast vollständig die ostdeutsche Arbeiterklasse, insgesamt bis ca. 9,8 Millionen (vgl. DGB-Info.).

    Wie uns allen heute bekannt ist, auch den ewigen Berufsantikommunisten, die Zusammenführung von Kommunisten und (wenigen) Sozialdemokraten, zur SED, war vor allem die Aufgabe (unter sowjetischer Anleitung) von Antifaschisten. So auch die Gründung der FDJ und des FDGB, u.a.m. Gleiches gilt für die Staatsgründung und deren Organe: Justiz, DVP, MfS und NVA, etc. –

    Meine Frage an die Autoren und an die dF-Community:

    Warum ist es den ostdeutschen Kommunisten und Sozialdemokraten nicht gelungen, in mehr als 40 Jahren, ein (undogmatisches) Klassenbewusstsein in der DDR-Gesellschaft, insbesondere in der Arbeiterklasse, zu entwickeln und im Massenbewusstsein fest zu verankern?

    * Vgl. der Freitag. Das Meinungsmedium: „Bloß nicht in Verdacht geraten“



    www.freitag.de/aut...n-verdacht-geraten

  • Warum ist eigentlich die West-Ost-Differenz böse und die Nord-Süd-Differenz nicht?

    • @LesMankov:

      Weil eine Banane im Osten einfach besser schmeckt. Da sind viele neidisch drauf. Das einfache Landleben, die Reduzierung aufs Wesentliche und bekloppte Supermarktketten, Subbotnik die ganze Woche.

  • Ach ja,, die ExDDR und BRD Differenz.. ist m.E. gut erklärbar durch die westliche Arroganz und Überheblichkeit.. gegenüber der Kultur Sozialer Anerkenntnis der Ex DDR!



    In der Ex DDR war Soziale Anerkenntnis gebunden an Soziale Solidarität in allen Bereichen des Daseins.. und funktionierte ! In der BRD war und ist Soziale Anerkenntnis gebunden an Kampfkultur für Status und Prestige..! Neoliberal.



    Das Unvermögen der Bürger der ExDDR, sich zu den Anerkenntniskategorien des Westens zu verhalten, ist m.E. manifest in der AfD ! Reiner Protest gegen westliche Annektion!



    Was tun so? Respekt gegenüber den Idealen von Sozialer Anerkenntnis der ExDDR! Dialog und Debatte! Und lernen, die westliche Arroganz zu überwinden!

  • es ist für europa nicht gut dass es einen grossen deutschen nationalstaat gibt,und es ist schlecht dass er durch die sogenannte wiedervereinigung grösser geworden ist.



    grössere staaten haben mehr macht,und wo es mehr macht gibt da wird auch mehr missbrauch mit ihr getrieben.



    diese gefahr wird dadurch dass es in deutschland keine direkte demokratie ,sondern nur eine sogenannte parlamentarische demokratie gibt noch verstärkt.



    insbesondere für den frieden ist es gefährlich wenn das volk keine möglichkeit hat nein zu einem krieg zu sagen.







    eine parlamentarische demokratie schützt vor nichts.



    und vermag im zweifelsfall noch nicht einmal sich selbst zu schützen.

    wahlen entscheiden sich meistens an ganz wenigen fragen und oft nur an der wirtschaftlichen lage.

    und verliert das kapital trotz der massenmedialen prokapitalistischen manipulation einmal die wahlen so wird die parlamentarische demokratie einfach durch einen putsch abgeschafft oder ausser kraft gesetzt

    weil es in deutschland auch keine personelle und institutionelle trennung von regierung und legislative gibt,hat es eigentlich gar keine verfassung.

    Art. 16. Toute Société dans laquelle la garantie des Droits n'est pas assurée, ni la séparation des Pouvoirs déterminée, n'a point de Constitution.

  • "Leistungen aufwerten", ich verstehe das nicht. Ich höre hier als "Wessi im Osten" immer nur, dass meine Schulbildung nichts wert sei und DDRler sowieso mehr geleistet haben.

    Wie wäre es mal mit anerkennen von nicht DDR-affinen Bildungsabschlüssen und ein Leistungsbegriff unfassenderer Art?

    Es ist z.B. bei vielen immer noch so im Kopf, dass wer nicht spät. um 7 Uhr "auf Arbeit" ist, sowieso nichts leistet.

    Ich finde das eine sehr eingeschränkte Sicht auf Leistung und Bildung, wenn damit nur auswendig lernen und frühaufstehen verbunden ist.

    Und die Ostrenten z.B. sind meines Wissens nach schon sehr gut bewertet, also die Arbeit zu DDR-Zeiten.

    • @Hanne:

      Na ja, im grossen und ganzen stimmt das ja auch. Sich ins von den Amerikanern gemachte Nest zu legen, ist ja nun keine Kunst.

      Nicht, dass nicht auch viele Westdeutsche etwas geleistet haben.

      Die gibt es durchaus und das muss man auch anerkennen. Mir fallen da vor allem die Bundeswehrflüchtlinge nach Berlin ein, die sind tatsächlich mailman’s der comfort zone abgehauen. Aber der Rest... so viele Grossmäuler.

  • Ei Verbibbscht mei Guddster. - Nu - un Guggemolbdoo!“

    Differenzen Diversität Rumms - DDR - Na glaa‘.

    Herchehört - Einfach mal so stehen lassen. Newahr,



    Gesamtgesellschaftlich - Normal.

    unterm——-aber si‘cher dat - wa!



    Immer schön im Jespräch blei‘m. Gellewelle.



    No. Ooch wieder wahr.

    kurz - Schön - daßse wehrteste -



    Mal wieder drüber gesprochen haben.



    Ja - Gewiß - Ganz der Ihre.



    Di’ Verse & so - ooch klar.

    • @Lowandorder:

      ying und yang dachten über den wahren gang - nix canossa - und zogen an einem strang.