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Kommentar Demos in SotschiPutins Mogelpackung

Kommentar von Barbara Oertel

Dass Putin das Demoverbot während der Winterspiele in Sotschi lockert, ist ein durchsichtiges Manöver. Denn die Auflagen sind viel zu streng.

Gibt sich ein liberales Image: Russlands Präsident Wladimir Putin. Bild: dpa

R usslands Präsident Wladimir Putin scheint dieser Tage über sich hinaus zu wachsen. Nach der Freilassung des Ex-Ölmagnaten Michail Chodorkowski und zweier Aktivistinnen der Frauen-Punk-Band Pussy Riot lässt sich Putin jetzt auch noch dazu herab, das Demonstrationsverbot während der Olympischen Winterspiele in Sotschi zu lockern.

Das Dumme ist nur, dass sich dieser jüngste Vorstoß bei genauerem Hinsehen als ein allzu durchsichtiges Manöver der russischen Staatsführung erweist, sich vor dem Mega-Sportevent ein liberales Image zu geben. Kurzum: Er ist nichts anderes als eine Mogelpackung.

Denn kritische Unmutsbekundungen sind in Sotschi nur unter allerstrengsten Auflagen möglich. So müssen Proteste mit den städtischen Behörden haarklein abgesprochen werden. Das betrifft sowohl das inhaltliche Anliegen selbst, als auch den Verlauf der Demonstrationsroute sowie die Anzahl der Teilnehmer.

Dieses Prozedere ist sattsam bekannt und an Absurdität sowie Lächerlichkeit nicht zu überbieten. So werden Kundgebungen in Russland häufig nur auf Plätzen gestattet, die weit vom Zentrum entfernt und folglich kaum zu erreichen sind. Vielfach wird der Aktion dann noch an Ort und Stelle der Gar ausgemacht, weil über Nacht plötzlich Straßenbaumaßnahmen angeordnet wurden.

IOC faselt

Für eine derart kreative Behinderung von Protesten bietet auch Sotschi zahlreiche Betätigungsfelder. Hinzu kommt noch, dass die – wengleich reale – Bedrohung durch Anschläge islamistischer Kämpfer immer wieder ein Hintertürchen bietet, um Kritiker kurzfristig zum Schweigen zu bringen.

Vor diesem Hintergrund mutet die Stellungnahme des IOC, das von einer Gewährung der freien Meinungsäußerung faselt, gelinge gesagt merkwürdig an. Man darf auf die Einlassungen des Komitee gespannt sein, wenn in den speziellen „Demonstrationszonen“ die ersten Planierraupen anrücken. Wahrscheinlich ist dann höhere Gewalt am Start.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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10 Kommentare

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  • Der Sieg westlicher Interessen bedeutet doch nichts anderes als die totale Dominanz der USA.

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    Deutschen Interessen ist mit einem starken Russland weit besser gedient.

    Nichts ist für uns schöner als des Geschäft ›Rohstoffe gegen Technik‹.

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    Die USA dagegen bieten uns nur mit Spionageviren verseuchte Software.

    Apps und Hollywood Filme sind schön, aber nicht lebensnotwendig.

    Ohne Energie und Rohstoffe können wir morgen dichtmachen.

    Und spätestens nach Snowden dürfte klar sein, dass es für Europa an der Zeit ist, endlich eine eigene Software Industrie aufzubauen.

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    Westliche, europäische und deutsche Interessen sind nun mal nicht immer identisch.

    Welchen Interessen dient eigentlich die übliche Anti-Putin-Propaganda?

    Schön zu lesen, dass Fischer nicht in diesen Chor mit einstimmt.

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    Was die EU da in der Ukraine veranstaltet hat, war schon eindeutig eine illegitime Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Landes.

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    Putin besucht ja bei uns auch keine Demonstranten.

    Zumindest Fischer scheint das eingesehen zu haben.

  • Ich bin so froh zu sehen und zu lesen, dass hinter den meisten Beiträgen Menschen stehen, die hinterfragen können.

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    Denn so eine EINSEITIGE Berichterstattung über ein spezielles Land gibt es nirgendwo auf der Welt. Ich war über Silvester in Russland und musste feststellen, dass die Menschen dort sich viel freier und ungezwungener fühlen als wir es überhaupt annehmen.

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    Doch hierzulande hört man leider nur Negatives über das Land.

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    Für mich ist es ganz klar ein Zeichen für Volksverhetzung bzw. Sensibilisierung der europäischen Bevölkerung dafür, was mit Russland laut irgendwelcher Pläne mal geschehen soll.

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    Und das Land hat auch ein Recht auf Selbstverteidigung und seine eigene Außenpolitik, die übrigens viel unabhängiger ist als die europäische wie die beiden Fälle Snowden und Evo Morales zeigen.

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    Also Lob auf denkende und hinterfragende Menschen!

  • Das wahre Problem dürfte sein, dass die USA - und mit ihr der "Vasall-Erster-Klasse" Großbritannien - kein wirkliches Interesse an einer friedlichen und freiheitlichen Koexistenz mit anderen Nationen, insbesondere Russland, mehr haben. - Es gibt für diese beiden nun keine Freunde und keine Verbündeten mehr, es gibt nur noch Feinde in unterschiedlicher Abstufung der Gefährlichkeit. - Wenn die USA, jenes neue Amerikanische Imperium, als dass sich die Vereinigten Staaten nun sehen, morgen beschlösse, Europa ganz offen (verdeckt sind wir es schon) als Feind zu betrachten und aktiv an seiner Zersetzung zu arbeiten, ja wer wollte sie denn aufhalten? - Es ist genau dieser Größenwahn, diese hochemotionalen Allmachtsfantasien, die in den USA seit dem Ende des Kalten Krieges geschürt werden und praktisch ohne Rücksicht auf ihre eigenen realen Interessen - die US-Bevölkerung ist letztlich der Leidtragende - vom Konservativ-Militärischen Komplex als Ziel verfolgt werden. - Die USA sind ein kranker und labiler Riese. - Unsere Aufgabe für die Zukunft muss es sein, uns nicht dort zu positionieren, wo dieser Koloss hinfallen wird. - Dass er bereits torkelt, können wir jeden Tag deutlicher sehen. - Wir müssen endlich einen guten Ausgleich zu Russland - finden....NUR dort liegt unser künftig wichtigster Partner !!!!

  • HS
    Hari Seldon

    @routier:

     

    Bitte, Sie schreiben: "Zudem ist das Ganze Kapitallismus pur", und dazu erwähnen Sie noch die antiken Griechen. Bitte, könnten Sie uns aufklären was die antiken Griechen mit Kapitalismus zu tun hätten? Damals war noch die Sklavenhaltung auf der Tagesordnung. Es sieht so aus, dass Olympia als solches sogar alle Gesellschaftformationen definiert durch Karl (Marx) überleben konnte, und irgendwie von den erwähnten Gesellschaftsformationen (Sklavenhaltung, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus, usw.) unabhängig wäre.

  • HB
    Harald B.

    Ein paar Zahlen über Russland (aus einem FAZ-Beitrag):

    "2000 bis 2010: Das russische Sozialprodukt hat sich verdoppelt, der Aussenhandel hat sich vervierfacht, die Schulden im Ausland betragen nur noch ein Sechstel des Ausgangswertes, die Höhe der Löhne stieg inflationsbereinigt um das 2,5fache, die Renten stiegen um mehr als das Dreifache, die Armutsrate ging um mehr als die Hälfte zurück, die Arbeitslosigkeit sank von 10 auf 7%."

    Putin wurde - nicht zuletzt wegen dieser Entwicklung- mit riesigem Vorsprung (63%) zum Präsidenten gewählt. Er hat sich in besonderem Maße für SEIN Land eingesetzt und 2013 in Syrien eine Eskalation des Krieges verhindert.

    (Ich wünschte, wir könnten so etwas auch von unserer Regierung und unserem Land sagen.)

  • Da es in Rußland für Minderheiten, gerade auch die ethnische Minderheit der Tscherkessen, sehr schwer ist, ihre Anliegen und ihre friedlichen, zivilen Proteste gegen das Abhalten der Olympischen Spiele auf Genozid-Gelände zum Ausdruck zu bringen, möchte ich um ein bißchen Solidarität und Aufmerksamkeit zumindest von Seiten der deutschen Öffentlichkeit bitten. Leider sind in Deutschland sowohl die Tscherkessen selbt (von denen es alleine bei uns ca. 40 000 gibt) und ihre Anliegen noch weitgehend unbekannt. Bitte helfen Sie mit, das zu ändern, unterstützen und verbreiten Sie unsere Petition: https://www.change.org/petitions/mr-joachim-gauck-president-of-germany-deutscher-bundespr%C3%A4sident-almanya-cumhurba%C5%9Fkan%C4%B1-sochi-2014-include-circassians-in-public-debate-tscherkessen-in-%C3%B6ffentliche-debatte-einbeziehen-%C3%A7erkesler-de-g%C3%BCndeme-al%C4%B1nmal%C4%B1#

  • H
    HANS

    Ein äquivalentes Vorgehen ist auch in Deutschland present, nur wollen unsere Medien nicht bstätigen und setzen unsere Kognition auf ein Minimum herab

  • Olympia dauert nur 3-4 Wochen. Da wird doch jeder Demonstrant vernünftig sein können und seine Demos vorher oder nachher wieder abhalten. Verstehe nicht, was dieses sture Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand soll.

     

    Olympia ist ein Sportfest. Trittbrettfahrer, die da ihre Eigeninteressen verfolgen wollen, sollen gefälligst ein bisschen Rücksicht nehmen.

    • R
      routier
      @Benz:

      Hallo Onkel Benz

      Da sind Sie aber ordentlich auf dem Holzweg, wenn Sie das glauben was da von Ihnen geschrieben steht.

      Olympia ist eine Maschinerie seit den Griechen. Sie zieht von Kontonent zu Kontinent und diskriminiert Land und Leute. Zudem ist das Ganze Kapitallismus pur, genau wie die FIFA. Frei von Verantwortuung und Zugriff von Rechtsstaatlichkeit. An Naivität nicht zu übertreffen.

  • Liebe Frau Oertel, was Sie sich wünschen, kann ich mir nach der Lektüre ihres Artikels sehr gut vorstellen. Da bliebe aber nur wenig Olympia übrig! Mich würde interessieren, ob bei irgendwelchen Olympischen Winterspielen das örtliche Demonstrationsrecht überhaupt schon mal vollumfänglich gewährt werden konnte? Olympia ist nun mal eine zeitlich begrenzte Sondersituation. Fähige Journalisten wie Sie müssen das doch herausbekommen! Manchmal aber schien es mir so , als ob sie das aktuelle Vorgehen der deutschen Polizei im Hamburg beschreiben. Soweit würde Putin doch niemals sinken!