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Kommentar De Maizières Dublin-VorstoßIntrigant und sinnlos

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Anordnung zum Dublin-Verfahren ist der zweite Alleingang de Maizières in kurzer Zeit. Die praktische Wirkung dürfte begrenzt sein.

Entscheidet gern ohne Absprache: Innenminister Thomas de Maizière. Foto: dpa

S chon seit dem 21. Oktober soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wieder prüfen, ob ein anderer Staat für das Asylverfahren syrischer Flüchtlinge zuständig ist. Das Dublin-Verfahren, das Ende August ausgesetzt worden war, wird also wieder angewandt. Das hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) angeordnet – scheinbar ohne die Kanzlerin und andere Regierungsmitglieder darüber zu unterrichten.

Das ist nun schon das zweite Mal binnen weniger Tage, dass ein Alleingang de Maizières ans Licht kommt. Ende letzter Woche wurde bekannt, dass de Maizière schon Tage zuvor das BAMF angewiesen hatte, bei syrischen Flüchtlingen wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sie als verfolgte Flüchtlinge anerkannt werden oder „subsidiären Schutz“ vor dem syrischen Bürgerkrieg erhalten. Bis dahin hatten sie pauschal den besseren Asyl-Status bekommen.

In beiden Fällen hatte de Maizière, wie es aussieht, nicht nur darauf verzichtet, sich in der Regierung abzustimmen. Er hat seine Alleingänge sogar tage- und wochenlang geheim gehalten. Man muss sich das mal vorstellen: Während die Koalitionsspitzen über eine Neuausrichtung der Asylpolitik verhandeln, hat der Innenminister diese schon eigenmächtig selbst verändert. Unter normalen Umständen wäre das wohl ein Entlassungsgrund. Das wird sich Merkel derzeit aber nicht trauen. Geht es nur darum, zu zeigen, dass die Kanzlerin und ihr Flüchtlingskoordinator Altmaier nichts mehr zu sagen haben?

Die praktische Wirkung von de Maizières Maßnahme dürfte jedenfalls ziemlich begrenzt sein. Nach Griechenland wird weiterhin kein syrischer Flüchtling zurückgeschickt. Flüchtlinge, die sich nicht registrieren ließen, können auch sonst nirgends hin geschickt werden. Und Syrer, die zum Beispiel in Slowenien registriert wurden, könnten nach den Dublin-Regeln zwar dorthin überstellt werden. Erforderlich wäre dazu aber das Einverständnis Sloweniens, mit dem unter den derzeitigen Umständen kaum zu rechnen ist.

Was soll das alles?

Soweit ersichtlich ist seit dem 21. Oktober auch kein syrischer Flüchtling in das Land seiner EU-Einreise zurückgeschickt worden. Es wäre sogar kurzsichtig, eine solche Rückübernahme durchzusetzen. Slowenien würde sofort aufhören, Flüchtlinge zu registrieren. Und die für die Bundesregierung so wichtigen EU-Verhandlungen über eine neue Verteilung der Flüchtlinge wären schon im Ansatz torpediert.

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Was also soll das alles? Wollte de Maizière nur ein Zeichen setzen, dass es so nicht mehr weitergeht? Mag sein. Aber warum dann so heimlich? Zunächst ist das Ganze nur eine sinnlose Arbeitsbeschaffung für das ohnehin völlig überlastete Bundesamt.

Einst integer, jetzt eher intrigant

Zumindest sind laut Innenministerium keine Zurückweisungen direkt an der Grenze geplant. Solche Abweisungen an der Grenze wären nach den Dublin-Regeln zwar rechtswidrig. Aber konservative Juristen tüfteln schon lange an Begründungen, warum dies im Ausnahmezustand doch möglich wäre.

Und was hätte de Maizière gemacht, wenn Seehofer vorige Woche seine Transitzonen durchgesetzt hätte? Gab es vielleicht geheime Absprachen mit der CSU? Inzwischen ist de Maizière vieles zuzutrauen. Einst war er integer, heute wirkt er eher intrigant.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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13 Kommentare

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  • Wenn ich mich nicht irre, dann waren die Vorfahren des Herrn de Maizière auch Asylanten. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass das protestantische Hugenotten waren, die um 1680 vor der religiösen Verfolgung durch den französischen König Ludwig XIV nach Preußen geflüchtet waren, und dort vom Preußenkönig Friedrich II. Asyl bekommen hatten.

  • Der Mann war doch schon in früheren Ämtern und ist auch jetzt mal wieder ein Totalausfall. Wenn Merkel da nicht bald die Reißleine zieht, muss allmählich der Eindruck entstehen, de Maizières könnte Merkel mit irgendetwas in der Hand haben, oder die Union (gegenwärtig ein Wort ohne Bedeutung) hat personell einfach gar nichts Brauchbares zu bieten. Auch, dass Frau von der Leyen noch immer im Kabinett rumkaspert, spricht wohl eher für letzteres.

  • Monsieur De Maizières bringt sich in Position und spekuliert auf Merkels Amtsmüdigkeit. Greift sie jetzt nicht durch, kann er sich als Macher für die besorgten Pegida-Freunde präsentieren. In seinem Schattenkabinett ist dann Seehofer Finanzminister, Koch Außenminister und Mappus Innenminister. Wenn Merkel aber nicht amtsmüde ist, dann kann er ja immer noch zurückrudern, weil eigentlich ist er ja auch gar nicht zuständig. Clever, oder? Blöd nur, wenn den Abendlandschützern sein Nachname dann doch zu fremdländisch aussieht, mit dem Accent-Grave auf dem "è".

  • Es ist ein Spiel mit dem Emotionen und keineswegs unkoordiniert.... Es machen alle in dieser Regierung mit....

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Das Bild über dem Kommentar ist genial gewählt und zeigt genau auf das Problem:

    Der Intrigant.

    Ich glaube, daß das eine Eifersuchtsszene zwischen den beiden ist. Die sind beide ungefähr gleich alt. Sie sagt: 'Meine hängenden Mundwinkel sehen so viel interessanter aus, als Dein Hamstergebiss'. Und jetzt ist der Alte natürlich sauer. Und beide wissen, daß sie ohne einander nicht können. Er empfindet außerdem die Diskriminierung, daß sie ihm immer vorgezogen wurde und er immer die Schmutzarbeit in den Ministerien machen musste (und das als Mann in der CDU !!) unerträglich. Und jetzt noch dieser Altmaier.

    Wenn es für die Flüchtlinge nicht so schlimme Auswirkungen hätte, man würde auf die Fortsetzung der Eifersuchtssoap gespannt sein (wenn man solches Zeug mag).

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Bisher hat Merkel jede Intrige überstanden. Und auch diesmal wird sie vermutlich das Schlachtfeld als Siegerin verlassen.

       

      Sie ist schließlich die Meisterin der Intrigen – de Maizière nur ihr Schüler.....

  • Wie geheim ist dass den dass die taz weiss dass es geheim war?

  • „Das wird sich Merkel derzeit aber nicht trauen."

     

    Diese Verhaltensweise ist doch ein Dauerzustand: Ihre Kanzlerschaft ist seit Jahren geprägt von:

     

    - Niemals irgendetwas zu wissen

    - Probleme endlos aussitzen

    - Wenn es kritisch wird, sofort den Kopf in den Sand stecken

    - Niemals für irgendetwas Verantwortung zu übernehmen

     

    Gerade in Krisenzeiten bräuchten wir eine/n Regierungschef/in, der/die regiert und nicht nur darauf aus ist, schöne Bilder zu produzieren.

  • hinter den MAchenschaften de Maizières steht der machthungrige Schäuble, der Kanzler werden möchte. Ähnlich agierte Schäuble in der Griechenlandkrise, als er,obwohl Merkel einen Grexis kategorisch ausschloss, weiter auf einen Grexit pochte. Hier wird vom rechtskonservatien Flügel der CDU die Demontage Merkels betrieben.

    • @Tim Tamm:

      Kanzler Schäuble? Wird ja immer doller hier....

  • Die praktischen Wirkungen seiner Aktionen sind: Längere Verfahren, (noch) mehr Chaos, (noch) mehr Verdruss, Eskalation statt Integration. Das wissen er und seine Unterstützer natürlich, weshalb es Absicht ist. Die CDU-Rechte will die Eskalation, weil sie hofft, vom dann folgenden Rechtsruck in Deutschland profitieren zu können.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Er will Kalif werden anstelle der Kalifin, ist doch klar.

  • "Intrigant und sinnlos

    Die Anordnung zum Dublin-Verfahren ist der zweite Alleingang de Maizières in kurzer Zeit. Die praktische Wirkung dürfte begrenzt sein.…"¿

    Ja wie? - "…it's the (Asyl) politics, stupid;)"