piwik no script img

Kommentar Datenschutz in DeutschlandZu Unrecht gelobt

Kommentar von Svenja Bergt

Anstatt sich vehement für einen stärkeren Datenschutz einzusetzen, trödelt Deutschland absichtlich. Denn: Wir wollen uns den guten Ruf ruinieren.

Deutschland gibt sich alle Mühe, unambitioniert aufzutreten Foto: imago/Rene Traut

I nternational hat Deutschland immer noch den Ruf, ganz vorne dran zu sein in Sachen Datenschutz. Dabei arbeitet die Bundesregierung schon seit Jahren daran, diesem bösen Vorurteil endlich die Grundlage zu entziehen. Und wie das so ist bei Vorurteilen, man kann nicht einfach sagen: Wir sind doch gar nicht so pünktlich, so fleißig, so privatsphärefreundlich, schaut doch mal! Man muss etwas subtiler vorgehen.

Erprobt hat die Bundesregierung dieses Verhalten bei der Datenschutz-Grundverordnung. Hier ein bisschen bremsen, da weiterverhandeln und am Ende aufweichen, was aufweichbar ist. Und nun, bei der E-Privacy-Verordnung, quasi der kleinen Schwester, spezialisiert auf digitale Kommunikation, ist es fast schon Routine: Hier mal Gesprächsbedarf anmelden, dort auf die nationale Regelungskompetenz verweisen, und falls gar nichts mehr geht, weiterdiskutieren.

Vielleicht reicht der Atem bis zur eigenen Ratspräsidentschaft, dann lässt sich ein Abschluss noch als Erfolg verkaufen, und sei es einfach, weil man alle endlich zusammengebracht hat. Das Problem ist nur: Wenn andere Mitgliedsstaaten noch weniger darauf setzen, die Nut­zer*innen zu schützen – dann steht man ja immer noch als datenschutzfreundlich da. Mist!

Zynismus Ende. Eigentlich ist es viel zu enttäuschend. Vor allem deshalb, weil strenge Datenschutzregeln die Schwächsten schützen würden. Die, die nicht wissen, wie sie ihren Browser so hochrüsten, dass Tracking zumindest ziemlich schwierig wird. Die keine Ahnung davon haben, wie man Cookies löscht oder Browser-Fingerprinting ein Schnippchen schlägt, und auch niemanden, den sie fragen können. So nimmt die Ohnmacht zu.

Wer glaubt, eh nichts ändern zu können, beruhigt sich dann lieber damit, nichts zu verbergen zu haben, weil alle sowieso schon alles wissen. Deutschland als eines der mächtigsten EU-Länder könnte hier einiges reißen, setzte es sich bei den Verhandlungen für einen starken Datenschutz ein. Könnte. Doch das könnte ja den guten Ruf nicht ruinieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ich würde es in diesem herzhaften Kommentar auch gerne lesen, wer in Person da für die Bunderegierung konkret handelt - wer sie vor Ort vertritt.



    Organisationen sind leider nicht adressierbar - heißt: Da empfängt niemand persönlich Kritik. Deshalb hätte ich gern gewusst, wen ich da persönlich für sein Verhalten anschreiben darf.