Kommentar DGB-Demo am 1. Mai: Weniger Bratwurst, bitte
Die offizielle DGB-Demo am 1. Mai wird immer mehr zur Nebensache. Um Menschen zu erreichen, muss auch über den Tellerrand geschaut werden.
E s gibt keine offizielle Teilnehmerstatistik der 1.-Mai-Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, aber ein Archiv der Pressemitteilungen. In diesem Jahr meldete der DGB 381.500 TeilnehmerInnen bei seinen Veranstaltungen deutschlandweit. Zur zentralen Kundgebung in Leipzig kamen 1.500 Menschen. Anfang der 2000er schätzte man die Zahl der DemonstrantInnen noch auf etwa eine halbe Million. Zur zentralen Kundgebung in Hannover sollen 25.000 Menschen gekommen sein.
All diese Zahlen mögen geschönt sein, aber die Tendenz ist klar: Die offizielle DGB-Großkundgebung am 1. Mai wird immer mehr zur Nebensache.
Das muss einem erst mal nicht leid tun, besonders wenn man keine Bratwurst mag. Es gibt viele andere Demos, die man am 1. Mai besuchen kann. Im Berliner Grunewald versuchen Aktivisten auf satirische Art mit VillenbesitzerInnen ins Gespräch zu kommen, am besten bei einem Wein in deren Salon. Das Kreuzberger Myfest lebt von seiner wilden Mischung aus Bands, Besuchern und Gerichten. Ergo: So divers wie die Gesellschaft sind auch die Maifeiern geworden.
Leider spiegelt sich die Diversifizierung auch an anderer Stelle wieder: auf dem Arbeitsmarkt. Die Tarifbindung sinkt seit Jahren, nur noch für 57 Prozent der Beschäftigten im Westen und 44 Prozent im Osten gelten Tarifverträge. Im Gegenzug ist der Anteil der atypischen und prekären Arbeitsverhältnisse gestiegen – mit oft schlechten Bedingungen und geringen Gehältern. Diese Menschen zu organisieren, wäre eigentlich Aufgabe der Gewerkschaften. Aber dazu braucht es mehr als die platte Forderung nach stärkerer Tarifbindung. Die Solo-Selbstständige im Coworking Space, die ihre Arbeit auf Honorarbasis abrechnet, oder der Paketbote, der beim Subunternehmer im Akkord schuftet, können darüber nur die Köpfe schütteln.
Um die Menschen, die sich nicht (mehr) im DGB-Orbit bewegen, zu erreichen, tut es Not, über den (Bratwurst)-Tellerrand von Tarifbindung und Mindestlohn zu schauen. Und auch nach neuen Partnern Ausschau zu halten. Kämpfe wie die für bezahlbare Mieten, gegen rechts, aber auch für gute Arbeit gewinnt man nur auf breiter Basis. Das gilt nicht nur für den DGB.
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