Kommentar Ceta-Verhandlungen: Europa steht hinter der Wallonie
Die belgischen Regionen haben sich geeinigt. Doch ist es der EU-Kommission nicht gelungen, die Wallonen vom Nutzen von Ceta zu überzeugen.
E s war ein Fehler, um jeden Preis am EU-Kanada-Gipfel festzuhalten. Es war aber auch ein Fehler, Ceta vorzeitig abzuschreiben. Dies zeigt die späte Einigung der belgischen Regionen. Sie haben einen Kompromiss gefunden, der das Abkommen mit Kanada doch noch möglich macht.
Möglich, mehr aber auch nicht. Ceta bleibt auf der Intensivstation – trotz der belgischen Zustimmung. Denn das „Oui“ ist mit vielen Vorbehalten versehen, die tiefes Misstrauen in das gesamte, angeblich so fortschrittliche Abkommen verraten. So behalten sich Wallonien und die anderen belgischen Regionen vor, aus Ceta auszusteigen, wenn ihnen die Umsetzung nicht passt. Sie vereinbaren, das umstrittene Investitionsgericht von EU-Richtern in Luxemburg prüfen zu lassen. Und sie führen Schutzklauseln für ihre Landwirte ein.
Ob diese Vorbehalte begründet sind, kann man anzweifeln. Schließlich hatte ja schon Deutschland die dicksten Brocken abgeräumt. Auf jeden Fall beweisen sie, dass es der EU-Kommission nicht gelungen ist, die Wallonen vom Nutzen des Abkommens zu überzeugen.
Sie hat es auch nie versucht. Weder Handelskommissarin Malmström noch ihre belgische Kollegin Thyssen hielten es für nötig, die Belgier rechtzeitig über Ceta zu informieren. Sie haben sich nicht einmal um die Region Brüssel bemüht, wo doch die EU-Kommission sitzt.
Nur deshalb konnte die paradoxe Situation entstehen, dass die Brüsseler Regionalpolitiker ein Abkommen ablehnen, das im Herzen ihrer Stadt, im Europaviertel, entstanden ist. Und nur deshalb sah es plötzlich so aus, als stünden die Wallonen wie einst die Gallier allein gegen das Imperium. In Wahrheit waren sie nie allein, Millionen in ganz Europa stehen hinter ihnen. Nicht die Wallonen haben sich verrannt, sondern die EU-Politiker. Sie müssen wieder Bodenhaftung bekommen, wenn sich die Bruchlandung bei Ceta nicht wiederholen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört