Kommentar CSU und Ostmitteleuropa: Zweifelhafte Vorbilder
Dobrints jüngster Vorstoß ist nicht nur ein Aufstacheln gegen die 68er. Dahinter steckt eine intellektuelle Nähe zur autoritären Rechten in Europa.
V iel ist zu Alexander Dobrindts Vorstoß zu einer „konservativen Revolution“ geschrieben worden. Einige Kommentatoren haben sich zu Recht darüber lustig gemacht, dass eine bürgerliche Partei (CSU), die in Bayern seit mehr als 60 Jahren an der Macht ist, plötzlich die Bürger zu einer Revolution gegen die vermeintliche Vormacht der 68er Generation aufstacheln will. Doch hinter dem Beitrag steckt mehr – eine intellektuelle Nähe zur autoritären Rechten in Europa. Dazu ist ein Blick auf die Außenpolitik der CSU in Bezug auf Ostmitteleuropa aufschlussreich.
Am Freitag hat die CSU-Landesgruppe im Bundestag den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán empfangen. Das Ganze könnte man als Taktik abtun, um sich bei Rechtswählern einzuschmeicheln. Oder aber: Orbán ist das eigentliche Vorbild der CSU. Er hat die demokratischen Institutionen unter seine Kontrolle gebracht, dazu die Medien. In Ungarn ist es heute wieder möglich, im Kleide der „antiislamischen“ Abschottung ganz offiziell antisemitische Positionen zu vertreten und das faschistische Horthy-Regime der dreißiger Jahre zu rechtfertigen.
Im Namen der „konservativen Revolution“ werden zurzeit die alten, zum Teil schon vor der Naziherrschaft existierenden autoritären Regime der Nationalisten und Faschisten überall in dem zur EU gehörenden Ostmitteleuropa rehabilitiert. Das sind eben die Konsequenzen einer „konservativen Revolution“. Die mit der CSU eng verbandelten nationalistischen Volksparteien stellen sich immer ungenierter in die Tradition der rechtsradikalen Regime vor und während der Naziherrschaft.
Sogar in Österreich wird der Austrofaschismus der dreißiger Jahre wieder salonfähig. In Polen verehrt man den diktatorisch regierenden General Piłsudski. Zwar stellt in Deutschland die von den 68ern der Gesellschaft auferlegte Scham über die Schoah selbst in konservativen Kreisen eine Schranke dar. Es ist aber keineswegs auszuschließen, dass Dobrindt mit seiner 68er-Kritik das bisher für die konservative Rechte in Deutschland nicht zu überwindende Hindernis beseitigen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei