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Kommentar CDU-Avancen an die LinkeDen Laden am Laufen halten

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Die Wahlen im Osten könnten Koalitionen unmöglich machen, ein Pakt mit der Linken wäre sinnvoll. Manche scheinen aber eher zur AfD zu schielen.

Nach den Landtagswahlen könnte die politische Landschaft in Ostdeutschland ein weißes Blatt sein Foto: dpa

D ie CDU will nicht. Nach den Landtagswahlen im Osten solle die Union notfalls mit der Linkspartei zusammenarbeiten, hatte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther am Wochenende seiner Partei geraten. Zumindest dann, wenn es ganz ohne die Linken keine Mehrheiten gebe. Seine Parteifreunde sind dazu aber nicht bereit, die Reaktionen reichen von verwundert bis entsetzt. Und das, obwohl es eigentlich richtig wäre, jetzt schon Optionen für das nächste Jahr auszuloten.

In Sachsen, Brandenburg und Thüringen stehen 2019 Wahlen an. Wegen der Stärke der AfD und der Schwäche der SPD ist es in allen drei Ländern gut möglich, dass keine der klassischen Ko­alitionen eine Mehrheit bekommt. In dem Fall kann eine Zusammenarbeit zwischen CDU und Linkspartei schon sinnvoll sein – nicht in Form einer gemeinsamen Regierung, aber zumindest in einem Duldungsmodell, in dem man grundlegende Entscheidungen wie die über den Haushalt gemeinsam fällt. Die demokratischen Parteien würden den Laden so gemeinsam am Laufen halten und demonstrieren, dass das demokratische System auch in der Krise funktioniert.

Natürlich: So ein Modell hätte Nachteile. Ein Teil der Wähler würde das Verantwortungsbewusstsein als Prinzi­pien­losigkeit auffassen und aus Protest zur AfD abwandern. Aber was wären die Alternativen?

Die erste Möglichkeit wären Neuwahlen mit ungewissem Ausgang, die zweite Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung ohne Parlamentsmehrheit und Gestaltungsspielraum. Politische Entscheidungen wären bis auf Weiteres blockiert, die AfD würde davon profitieren. Wer die Demokratie bei jeder Gelegenheit verächtlich macht, dem kann nichts Besseres passieren als eine Demokratie, die nichts mehr zustande bekommt.

Die dritte Möglichkeit wäre schließlich eine Zusammenarbeit mit der AfD, formell oder informell. Vielleicht streben manche, die sich jetzt über Günthers Vorschlag empören, insgeheim diese Option als vermeintlich kleinstes Übel an. Den Rechtspopulisten Zugang zur Macht geben – das kann aber eigentlich kein Demokrat wollen.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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7 Kommentare

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  • Gedankenspiele über Bande

    Man lasse sich da nichts vormachen. Solche Versuchsballons, wie sie Daniel Günther in den Sommerhimmel steigen ließ, verheißen aus CDU-Sicht mindest doppelten Nutzen: Sie befeuern den Spaltpilz innerhalb der Linken und zögen ihr weitere Zähne ihres Programms sozialer Veränderungen und Entmilitarisierung der Außenpolitik. Sie verlöre dann buchstäblich weiter an politischen Biß und geriete noch tiefer in den Strudel der Sozialdemokratisierung.

    Dies jedoch wäre für die CDU eher ein beiläufiger Kollateralnutzen. Der eigentliche Sinn dieses informellen Manövers dürfte wohl hingegen darin bestehen, für die CDU das Koalitionenterrain mit der AfD zu düngen: Denn wenn man mit den Linken redet, warum dann nicht auch mit der AfD? Im Gegensatz zu einer Mésalliance von CDU und den Linken läge ein Bündnis mit der AfD allerdings in der Natur der Sache: Dann wüchse zusammen, was ohnehin zusammen gehört...

  • Wenn Prinzipienlosigkeit zur Tugend wird, dann wird die AfD zur Regierungspartei.



    Da fehlt elementares politisches Handwerkszeug bei vielen Leuten , die erst Karriere und dann Verantwortung -denken.

  • Zitat: „Die demokratischen Parteien würden den Laden so [Anm.: mit einem „Duldungsmodell“, in dem CDU und Linke grundlegende Entscheidungen zusammen fällen] am Laufen halten und demonstrieren, dass das demokratische System auch in der Krise funktioniert.“

    Falsch. Die „Krise“, von der hier die Rede ist, ist keine Naturkatastrophe. Sie ist hausgemacht. Sie ist eine Folge der Tatsache, dass es das, was die Amerikaner mal „checks and balances“ genannt haben, schon heute kaum noch gibt. Beides komplett abzuschaffen, würde die Politikverdrossenheit nur noch weiter befeuern.

    Die Gewaltenteilung ist zwar die Basis aller Demokratie, aber sie ist trotzdem anstrengend. Wo sie herrscht, bekommt man als Entscheidungsträger immer mal wieder gesagt, dass man Fehler macht oder gemacht hat. Eitle Menschen – und die meisten Politiker müssen schon sehr eitel sein um ihren Job machen zu können – haben damit häufig ein Problem. Sie wollen lieber makellos glänzen. Denn wenn sie das schaffen, winkt ihnen zum Lohn ewige Macht. Sie kommen dann dicht hinter Gott. Wenn überhaupt.

    Ja, ein „Modell“, in dem es keine Opposition mehr gibt, hat Nachteile. Wer wüsste das besser als die Deutschen? Und dass „Opposition […] Mist [ist]“, ist vermutlich nicht nur Franz Müntefering aufgefallen. Notwendig aber ist sie allemal. Schon weil wir alle fehlbar sind und andere auch eine Chance verdienen.

    Dass ihr (angebliches) Verantwortungsbewusstsein mehr ist als Prinzipienlosigkeit, sollten eigentlich auch die Politiker jeden Tag neu beweisen müssen. Dass sie das lästig finden, kann ich gut verstehen. Wer allerdings die AfD als Sündenbock missbraucht, mit dem er eigene Charakterschwächen salonfähig zu machen versucht, der braucht mir mit Verantwortungsbewusstsein gar nicht erst zu kommen.

    Es gibt keine absolute (Arbeitsplatz)Sicherheit. Auch nicht für Spitzenpolitiker. Und das ist gut so. Es zeigt, dass wir nicht 1984 haben. Noch sind – offiziell – nicht (wieder) einige gleicher als andere.

  • Na da bietet sich doch die Truppe um Frau Wagenknecht und Herrn Lafontaine als Partner der CDU an - beim Thema Migration orientieren beide in Richtung Abschottung.....

    • @Philippe Ressing:

      @ "orientieren in Richtung Abschottung" ??

      Meinst Du das oder weißt Du das?



      Hast Du angeschaut:



      www.aufstehen.de/

      • @Rosmarin:

        Nein, hat er nicht! - Es geht nämlich allemal leichter von der Hand schön brav bei seinen Vorurteilen zu bleiben als sich mit der Realität und deren Veränderungen zu befassen.



        Letzteres würde doch glatt bedeuten die eigenen Denkmuster mal in Frage zu stellen, also kognitive Arbeit...



        Der heilige Phlegmatius bewahre ihn davor!

  • TU
    Test User , Autor Moderator ,
    Die Wahlen im Osten könnten Koalitionen unmöglich machen, ein Pakt mit der Linken wäre sinnvoll. Manche scheinen aber eher zur AfD zu schielen. [cms-article=5524613]