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Kommentar Busunglück in MünchbergSicherheit beginnt im Fahrzeug

Kommentar von Richard Rother

Wer die Debatte nach der Katastrophe auf Gaffer und Rettungsgassen verengt, macht es sich zu einfach. Es wäre wichtiger, solche Unfälle zu verhindern.

Wie kann es sein, dass entflammbare Materialien im Bus-Innenraum verbaut werden? Foto: dpa

A utofahrer und -mitfahrer, die die erschütternden Bilder des Busunfalls von Münchberg sehen, könnten jetzt nachdenklich werden. Denn oft ist es so, dass bei Stau oder stockendem Verkehr auf der Autobahn die Rettungsgasse für Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen erst dann hektisch gebildet wird, wenn die Sirenen schon zu hören sind.

Dieses Verhalten ist zwar verboten, aber viele Autoinsassen mögen es offenbar nicht, bei Schritttempo eng an der linken Leitplanke oder direkt neben den rechts tuckernden Lastern zu rollen. Dass die Rettungsgasse Leben rettet, kommt ihnen dabei nicht in den Sinn.

Dennoch kommt es jetzt nicht in erster Linie darauf an, die Strafen für das Nichtbilden einer Rettungsgasse zu erhöhen. Viel wichtiger wäre, die dafür bereits bestehenden Strafen auch wirklich zu verhängen. Verständlicherweise hat die Polizei im Falle eines Falles aber anderes zu tun – nämlich, Unfallopfern zu helfen.

Wer die Debatte nach der Brandkatastrophe auf Rettungsgassen und – ohne Frage widerliche – Gaffer verengt, macht es sich zu einfach. Denn wichtiger wäre es, solche Unfälle und Brände möglichst zu verhindern. Bei der technischen Prävention gibt es Lücken; das zeigt dieser Fall – auch wenn noch längst nicht klar ist, warum der Bus plötzlich lichterloh in Flammen stand.

Wie konnte das passieren?

Wie kann es sein, dass in Bussen – im Unterschied zu Bahnen – entflammbare Materialien im Innenraum verbaut werden dürfen? So kann ein Reisebus zur fürchterlichen Feuerfalle werden, wie sie auch das abgebrannte, schlecht gedämmte Hochhaus in London darstellte.

Und warum gilt die Pflicht, Brandmelder im Motorraum von Bussen zu installieren, nur für Neufahrzeuge? Ebenso die Vorschrift, einen Notbrems-, einen Spurhalte- und einen Stabilisierungsassistenten einzubauen? Klar ist: Eine Nachrüstung muss technisch machbar und ökonomisch vertretbar sein. Aber ebenso klar ist: Es kann und muss mehr getan werden als bisher. Sicherheit geht vor.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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4 Kommentare

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  • Warum gibt es Übergangsregelungen? Das kann ja keine ernsthafte Frage sein. Übergangsregelungen gibt es überall. Wollen Sie Herr Rother der erste sein, der mit neuen Abgas- oder Sicherheitsvorschriften sein Auto verschrotten muss?

    Die nicht brennbaren Materialien im Innenraum sind da schon eher ein Skandal. Das ist Low-Tech und hätte schon lange vorgeschrieben sein müssen.

    Aber vergessen wir nicht, im Verkehr sind Todesopfer akzeptierte Kollateralschäden. Es kommen wesentlich mehr Menschen durch rechtsabbiegende LKWs ums Leben als in brennenden Bussen. Den toten Winkel gibt es dank unzähligen Spiegeln nicht mehr. Allerdings gibt es Fahrer_innen, die diese nicht richtig einstellen, sie nicht richtig interpretieren oder schlicht nicht reinschauen. Doch nachgeschult oder technisch unterstützt wird nicht. Stattdessen werden Monstertrucks erlaubt, die das Problem potenzieren. Hier ein Fass wegen eines schlimmen Unfalls aufzumachen zeugt von einer deutlichen Doppelmoral. Wir brauchen ein generelles Umdenken in der Verkehrspolitik und keine affige populistische Kritik an der Existenz von Übergangsvorschriften.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Wer die Debatte nach der Brandkatastrophe auf Rettungsgassen und – ohne Frage widerliche – Gaffer verengt, macht es sich zu einfach. Denn wichtiger wäre es, solche Unfälle und Brände möglichst zu verhindern."

     

    Logik: Ohne Unfälle keine Gaffer und keine Rettungsgasse.

    Volltreffer!

     

    Übrigens, Herr Rother, sollten Sie sich mal ein solches Fahrzeug genauer angucken und überlegen, wie die heute verwendeten Materialien durch nicht brennbare ersetzt werden sollen, als da wären Reifen, Kabel, Schläuche, Kraftstoffleitungen, Verkleidungen, ...

  • Warum werden in Reisebussen brennbare Materialien verbaut? Warum haben nicht alle Busse Brandmelder im Motorraum? Weil es billiger ist! Auch ein Busbauer will schließlich Gewinn machen, ebenso wie sein Käufer, der auf den Preis drückt. Besonders im Busreise-Segment tobt ja immer noch ein heftiger Wettbewerb, da zählt halt jeder Euro, und die Fahrgäste wollen auch möglichst nix bezahlen. - Da schlägt sie wieder zu, die Geiz-ist-Geil-Mentalität. Wenn ich für 10 oder 20 Euro quer durch die Republik gefahren werde, kann ich leider keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen erwarten, sondern nur das, was unausweichlich vorgeschrieben ist. Sonst würde es ähnlich viel kosten wie bei der Bahn.

  • "Und warum gilt die Pflicht, Brandmelder im Motorraum von Bussen zu installieren, nur für Neufahrzeuge? Ebenso die Vorschrift, einen Notbrems-, einen Spurhalte- und einen Stabilisierungsassistenten einzubauen?"

    Ganz einfach: Weil man dazu nahezu die ganze Elektrik austauschen müsste. Der Notbremsassistent greift ja ganz tief in die Fahrzeugelektrik und -steuerung ein und darf dabei ja keine Funktion eines anderen Systems, zum Beispiel ABS, stören.

     

    Da wäre es dann sinnvoller, gleich einen neuen Bus zu kaufen! Aber wohin dann mit dem "alten" Bus? Nach Rumänien, Bulgarien oder die Türkei? Dann sind die immer noch auf unseren Straßen!