Kommentar Brexit-Strategien: Ohne Plan A kein Plan B
Theresa Mays Strategie für einen geordneten Brexit war von Anfang an nicht schlüssig. So schnell kann sie ihren selbstgeknüpften Knoten nicht lösen.
D ie britischen Tories haben sich geweigert, ihre Premierministerin zu erlösen. Am Dienstag haben sie Theresa Mays Plan für einen geordneten Brexit eine drastische Abfuhr erteilt. Aber am Tag darauf sprachen sie ihr das Vertrauen aus. Aus Angst und aus Kalkül. Die glühenden Brexit-Anhänger warten lieber, bis May endgültig scheitert. Die moderateren Tories befürchteten, dass nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum Labour an die Macht gekommen wäre.
Der Brexit ist ein englisches nationalistisches Projekt. Nur 8 Prozent der Schotten und 7 Prozent der Waliser finden, dass die EU großen Einfluss auf ihr Leben habe. Ähnlich sieht es in den anderen EU-Ländern aus. Doch in England waren es 31 Prozent – Folge eines langen Propagandakriegs, der besonders von Medienmogul Rupert Murdoch geführt wird.
Dieser soll auf die Frage, warum er die EU so vehement ablehne, einst gesagt haben, die Londoner Regierung kusche vor ihm, in Brüssel hingegen werde er ignoriert. Später bestritt er diese Äußerung. Murdochs englische Blätter waren allerdings nicht zimperlich im Erfinden von Storys, die belegen sollen, dass sich Brüssel ins Leben eines jeden Engländers einmische.
Die Reporter überboten sich gegenseitig mit den absurdesten Märchen – von der angeblichen Standardisierung von Kondomgrößen („zu klein für Briten“) über die Einschmelzung von Leichen (um sie in der Kanalisation zu entsorgen), bis hin zu Ruhepausen, um Stress für Muscheln und Austern bei Transporten von mehr als 50 Kilometern zu verhindern. Nicht nur die Boulevardblätter, auch die früher einmal angesehene Times mischte dabei kräftig mit. Solche Märchen waren einer der Gründe für die Brexit-Mehrheit.
Von Anfang an verkorkst
Eine Mitschuld an dem jetzigen Dilemma weisen die Murdoch-Medien von sich, ebenso wie die Brexit-Befürworter bei den Tories und in der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), deren zehn Angeordnete Mays Regierung stützen. Für sie ist die irische Regierung schuld.
Aber der Auffangplan für die irische Grenze, der sogenannte Backstop, ist nicht in Dublin ausgeheckt worden. May sagte mehrfach, sie wolle die Wiedereinführung einer Grenze verhindern. Etwa im September 2017 in Florenz: „Wir und die EU haben ausdrücklich erklärt, dass wir keine physische Infrastruktur an der Grenze akzeptieren werden. Wir schulden es den Menschen in Nordirland, ja allen Menschen auf der irischen Insel, dass wir dieses Versprechen umsetzen.“
Seitdem hat die britische Regierung keinen einzigen Vorschlag vorgelegt, wie man die Zollunion verlassen und gleichzeitig eine harte Grenze in Irland vermeiden könne. Die Regierung versuchte nicht einmal, einen praktikablen Vorschlag zu machen. Karen Wheeler, Chefin des Gremiums, das sich mit der Planung der britischen Grenzen nach dem Brexit befassen sollte, sagte mit Blick auf die irische Frage, dass falle nicht in ihren Aufgabenbereich.
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Mays Brexit-Strategie, wenn man sie als solche bezeichnen will, war von Anfang an verkorkst. Sie weiß seit zwei Jahren, dass die Grenzfrage auf der Nachbarinsel eine der größten Hürden vor einem einvernehmlichen Ausstieg aus der EU ist. Doch sie akzeptierte einerseits den Backstop, die Zollunion Nordirlands mit der EU, falls keine andere Lösung gefunden würde, und versprach andererseits dem Bündnispartner DUP, dass es keine Sonderregelung für Nordirland geben werde.
Die logische Konsequenz wäre, das gesamte Vereinigte Königreich in der Zollunion zu belassen. Das lehnt May jedoch kategorisch ab, der Brexit-Fans in der eigenen Partei wegen. Aus dieser von ihr verschuldeten verfahrenen Situation gab es kein Entkommen. Das Ergebnis war ein Deal mit der EU, der einer EU-Mitgliedschaft zweiten Grades entspricht. Dem konnten weder die Befürworter noch die Gegner des Brexit zustimmen. Wie soll May nun einen Plan B hervorzaubern, wenn sie nicht mal einen vernünftigen Plan A hatte?
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