Kommentar Bomben auf Klinik in Kundus: Möglicherweise ein Kriegsverbrechen
Die Bombardierung der Klinik in Kundus zeigt Parallelen zu einem tödlichen Luftangriff auf zwei Tanklaster vor sechs Jahren am gleichen Ort.
D as Nachspiel zum Luftangriff auf eine Klinik im afghanischen Kundus am Wochenende beginnt, dem Fall des deutschen Bundeswehrobersten Georg Klein zu ähneln, der dort im Jahr 2009 einen ähnlichen Angriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklaster anordnete.
Zahlreiche Zivilisten kamen dabei ums Leben, obwohl ein afghanischer Zuträger behauptet hatte, in der Nähe würden sich nur Kämpfer aufhalten. Auch bei der Klinik scheint es sich erst einmal um einen „Aufklärungsfehler“ zu handeln. Die Betreiber hatten allen Seiten die Koordinaten übermittelt, angegriffen wurde trotzdem.
Die Parallelen gehen weiter: Die afghanische Regierung soll den Angriff erbeten haben, um eigene Truppen zu schützen – angeblich schossen Taliban vom Klinikgelände aus. Oberst Klein hatte seinerzeit gefürchtet, die Tanker könnten zu Bomben gegen ein Bundeswehrlager umfunktioniert werden, obwohl die Lkws in einem Flussbett festsaßen. Unabhängig davon, ob jetzt Taliban vor Ort waren oder nicht: Das internationale humanitäre Recht verbietet einen Angriff auf ein Krankenhaus, solange sich darin Zivilisten aufhalten. Zunächst muss versucht werden, sie zu evakuieren.
Das ist nicht geschehen. Aber auch von der Absicht hängt ab, ob bei dem Geschehen ein Kriegsverbrechen vorliegt. Jedenfalls dürfen die Beschuldigten – Nato, USA und Kabul – den Vorfall nicht selbst untersuchen.
In Kundus wird aber auch ein weiteres Grundproblem des Afghanistan-Militäreinsatzes sichtbar: Dortige Regierungsvertreter kennen oft eigenes und internationales Recht nicht oder ignorieren es. Insofern sind die Toten in der Kunduser Klinik der Kollateralschaden einer Strategie, die Taliban zu bekämpfen, oft ohne Rechtsstaatlichkeit einzuhalten. (Dort dürfen ja auch Gefangene außergerichtlich festgehalten und pauschal alle Einwohner abgehört werden.) Diese Strategie muss geändert werden, bevor der Einsatz verlängert wird.
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