Kommentar Bistum Limburg: Katholiken sind protestantisch
Papst Franziskus mag keinen Prunk, deshalb sollen nun auch die Bischöfe Bescheidenheit zeigen. Damit wird ein altes Machtinstrument der Kirche aufgegeben.
W ie immer der Papst entscheidet: Die Causa Limburg wird den deutschen Katholizismus verändern. Denn der Fall des Bischofs Tebartz-van Elst wirft zwei zentrale Fragen auf. Wie prunkvoll darf Kirche sein? Und wie demokratisch ist der Katholizismus?
Der neue Wohnsitz des Limburger Bischofs dürfte etwa 40 Millionen Euro verschlingen, obwohl er anfangs nur 5,5 Millionen kosten sollte. Doch die Gläubigen empört nicht nur die Differenz; die Kritik ist fundamentaler. Es erscheint inzwischen anstößig, dass ein Bischof Pracht entfalten will.
Seit dem Mittelalter gibt es katholische Bettelorden, die asketisch leben. Dass aber auch die Kirchenhierarchie bescheiden sein soll – das ist neu. Stattdessen gehörte es zur katholischen Strategie, die Gläubigen durch Verschwendung zu betören. An diesem Dienstag wird der 450. Todestag von Michelangelo begangen, dessen wichtigsten Kunstwerke niemals entstanden wären, wenn ihn nicht mehrere Päpste beschäftigt hätten.
Der Prunk war Machtmittel: Er sollte zeigen, dass die Bischöfe „Kirchenfürsten“ waren. Wenn Bischöfe nicht mehr teuer bauen dürfen, ist dies keine reine Sparmaßnahme. Ihre Rolle wird neu definiert. Sie wären nicht mehr religiöse Monarchen, sondern nur noch oberste Dienstleister ihres Kirchenvolkes – was bei den Protestanten längst selbstverständlich ist.
Die Debatte um den Prunk ist daher nicht zufällig verknüpft mit der Frage, wie viel das Kirchenvolk zu sagen hat. In Limburg sind sich alle Gläubigen einig: Sie wollen, dass Tebartz nicht mehr ihr Bischof ist. Es ist schwer vorstellbar, dass sich Papst Franziskus diesem kollektiven Wunsch widersetzt und eine Dauerdebatte rund um Tebartz riskiert. Der deutsche Katholizismus wandelt sich – und wird demokratischer. Man könnte auch sagen: protestantischer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“