Kommentar Besuch bei Snowden: Ströbeles Coup
Während die Bundesregierung Dienst nach Vorschrift macht, ist ausgerechnet dem viel verspotteten Ströbele eine glänzende Aktion geglückt.
H ans-Christian Ströbele ist im Wahlkampf auf Plakaten als Joopi Heesters verspottet worden, als Altgrüner, der an seinem Sessel klebt. Mit der Reise zu Edward Snowden ist Ströbele ein glänzende politische Aktion geglückt. Ein mediales Spektakel, ja, und mehr.
Denn dieser Coup setzt die aufklärerische Frage auf die Tagesordnung, warum deutsche Behörden, deutsche Regierungsverantwortliche nicht auf die gleiche Idee gekommen sind.
Es stimmt: Das ist juristisch und politisch heikel. Die USA wollen Snowden als Hochverräter verhaften. Und den russsichen Behörden musste Snowden offenbar versprechen, sich politisch zurückzuhalten – was bei Asyl keine unübliche Auflage ist.
Doch Ströbeles Reise zeigt, was möglich ist, wenn man es will. Und damit legt der Grüne die Zwiespältigkeit der offiziellen deutschen Reaktion auf die Handyaffäre bloß. Merkels Regierungsprecher Steffen Seibert bekundet zwar unverdrossen: „Wir treiben die Aufkärung mit Hochdruck voran“. Aber das ist nur eine Floskel, ein durchsichtiger Versuch, die Sache folgenlos auszusitzen.
Die Bundesregierung fühlt sich nicht zuständig, um von Snowden mehr zu erfahren. Dass Innenminister Friedrich (CSU) sich vorstellen kann, dass deutsche Offizielle mit Snowden reden werden, ist mit Skepsis zu betrachten. Es liegt auf der bisherigen Linie: unverbindliche Willensbekundungen ja – mehr nicht.
Der Generalbundesanwalt fühlt sich irgendwie auch nicht richtig zuständig. Und einen Untersuchungsausschuss, der Snowden auch in Moskau befragen könnte, will die Union nicht. Das ist bigott. Es ist der Job der Bundesregierung alles zu tun, um den großen Lauschangriff auf Deutschland aufzuklären.
Ströbeles Reise hat gezeigt: Sie kommt dieser Plicht nicht nach. Sie macht in Sachen Aufklärung, mit Rücksicht auf die USA, Dienst nach Vorschrift.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels