Kommentar Beschlagnahmungen: Tabubruch des kleinen Mutes
Hamburg erlaubt als erstes Bundesland offiziell Gebäudenutzung für Flüchtlinge und zwar gegen den Willen der Eigentümer. Es ist gut, dass der Senat handelt.
H AMBURG taz Eigentum verpflichtet – zu nichts. Nach diesem Wahlspruch lassen Investoren und Spekulanten über Monate und Jahre Gewerbeflächen leerstehen. Sie ignorieren derzeit Politik und Verwaltung, wenn diese verwaiste Flächen für die Unterbringung von Flüchtlingen nutzen wollen. Lieber leer als voll von Asylbewerbern, heißt ihre menschenverachtende Devise. Natürlich verhalten sich längst nicht alle Eigner leerstehender Gewerbeflächen so, doch die Liste der schwarzen Schafe ist lang.
So ist es gut, dass der rot-grüne Senat jetzt handelt. Jeder Nutzungsverweigerer soll wissen, dass er notfalls auch in die Pflicht genommen wird, seine Immobilien Menschen in Not zur Verfügung zu stellen. Ein Grundrechtseinschnitt für Privilegierte, der angesichts drohender Massenobdachlosigkeit von Flüchtlingen im nahenden Winter verhältnismäßig ist.
Opposition weiß keine Alternative
Die Opposition, die sich darüber erregt, als stehe der Untergang des Abendlandes unmittelbar bevor, wirkt erschreckend zahnlos, weil sie keine einzige Alternative benennen kann. Nicht eine. Die hilflose Behauptung, das sei doch alles gar nicht nötig, weil es doch sicher irgendwo noch ganz viel Leerstand gäbe, den die Behörden penetrant übersehen würden, taugt nicht als Argumentersatz.
Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann (beide SPD) sind frei vom Verdacht kommunistischer Bestrebungen – könnten sie es irgendwie vermeiden, sich am Eigentum zu vergreifen und so konservative Stammwähler zu empören, sie würden es garantiert tun.
Auch das Schreckgespenst, Rot-Grün wolle Wohnungsbesitzer enteignen, verdient nur die Replik: Ja, warum denn nicht? Wohnungen, die planmäßig ungenutzt verfallen, bis nur Abriss und Luxusneubau sich noch lohnen, warum sollen sie nicht genutzt werden, um Winterobdachlosigkeit in großem Stil zu verhindern? Man kann dem SPD-geführten Senat nicht vorwerfen, dass er zu forsch Grundrechte aushebelt. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann der Kleinmut der Koalition. Denn auch Wohnungseigentum verpflichtet.
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