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Kommentar BerlusconiÜber jedes Recht erhaben

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Trotz des Verfassungsgericht-Urteils: In der Sache hat Berlusconis Sicht der Dinge sich schon lange durchgesetzt.

Ich stehe über dem Gesetz - dieser Spruch könnte bei Silvio Berlusconi gut über dem Schreibtisch hängen. "Eine Farce" seien die Vorwürfe, die gegen ihn in den nun wieder losgehenden Prozessen erhoben werden, eingestielt von "linksextremen Staatsanwälten", polterte er. Doch statt diesen Enkeln Wyschinskijs die Stirn zu bieten, zog Berlusconi immer einen Weg vor, der gewöhnlichen Bürgen nicht offen steht: sich seinen Prozessen mit allen Mitteln zu entziehen.

Jetzt ist es erneut ein Urteilsspruch der Verfassungsrichter, der diesem Vorgehen Steine in den Weg legt - und wieder reagiert Berlusconi, als sei er die letzte Instanz in Italien, der es zusteht, die Legitimität des Handelns aller Verfassungsorgane zu beurteilen. Selbstverständlich gilt: Legitim ist, was Berlusconi nützt. Gewiss, das Gesetz sei gleich für alle, hatten seine Anwälte vor dem Verfassungsgericht argumentiert, doch "die Anwendung des Gesetzes" müsse manchmal unterschiedlich ausfallen - zum Beispiel zugunsten eines Premiers, der seine Prozesse auf Eis gelegt sehen möchte. Besser kann man Berlusconis Rechtsphilosophie nicht zusammenfassen.

Und auch wenn das Verfassungsgericht jetzt Nein gesagt hat zu Berlusconis Immunität, auch wenn es ihn als Bürger wie jeden anderen behandelt sehen möchte - in der Sache hat Berlusconis Sicht der Dinge sich schon lange durchgesetzt. Wohl in jeder anderen westeuropäischen Demokratie hätte der Ministerpräsident nach dem Urteil über Rücktritt nachgedacht. In Italien dagegen kokettiert Berlusconi mit Neuwahlen - im sicheren Wissen, dass sie ihm zum heutigen Zeitpunkt mit großer Wahrscheinlichkeit einen Kantersieg einbringen würden. Doch den braucht er womöglich gar nicht. Weiterhin hat Berlusconi eine ebenso große wie geschlossene Mehrheit im Parlament - die er jetzt wohl nutzen wird, um die Justiz endgültig unter Kontrolle zu bekommen.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

3 Kommentare

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  • I
    iBot

    Die Mafia hätte sicher einiges dagegen einzuwenden, als "erledigt" bezeichnet zu werden...

  • JS
    Jack Salinger

    Der Kommentar klingt ja echt megadepressiv. Soll also heissen, gegen diese Machtgeier, die sich an nichts halten, kommt niemand an? Da kenn ich das italienische Volk anders. Die haben sogar den Duce und die Mafia erledigt. Und irgendwie scheint doch beides mit Berlusconi zu tun zu haben.

  • T
    ToM

    Sicher, bei Don Silvio fällt es besonders auf, dass er sich als eine Person "Supra Legis" sieht. Aber neu ist das nicht.

     

    Auch George Bush, oder Donald Rumsfeld trugen solche Züge. Sicher wird es unter den deutschen Politikern, aber auch in der Wirtschaft einige Menschen geben, die sich oberhalb des Gesetzes sehen.

    Spitzt sich der Gedanke zu, dass Gesetze nur für den Plebejer sind, für die Herrschaft aber nicht gelten, dann haben wir eine Renaissance eines, in diesem Falle allerdings gottlosen Gottesgandentums, vorliegen. Das gesatzte Recht wird dann zum Repressionsmittel und ist nicht mehr ein Instrument geordneter staatlicher Organisation.

    Die Italiener wünschen vielleicht einen entrückten und potenten Herrscher, der regelmäßig " entfaltet wird?! Nun gut.

    Das geht aber auf Dauer schief,

    glaubt

    Thomas Häfele