Kommentar Berliner Verfassungsschutz: Rücktritt allein reicht nicht
Nach dem Rücktritt seiner Verfassungsschutzchefin verspricht Berlins Innensenator Henkel einen „Neuanfang“. Hoffentlich meint er das ernst.
E s blieb keine Alternative. Am Mittwoch verkündete Berlins CDU-Innensenator Frank Henkel den Rücktritt seiner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid. Sie hatte zuvor einräumen müssen, dass in ihrem Amt gleich zweimal Neonazi-Akten geschreddert wurden – das letzte Mal noch im Juni, Monate nach Bekanntwerden der Neonazi-Zelle NSU.
Die Genehmigung hatte ihr Referatsleiter für Rechtsextremismus erteilt. Schmid informierte die Öffentlichkeit darüber erst spät. Sie musste daher zu Recht gehen.
Erreicht worden ist mit dem Rücktritt aber noch nichts. Denn das Problem hieß nicht Schmid. Die ehemalige Datenschützerin hatte die Behörde nach einer Skandalserie Ende der neunziger Jahre seit 2001 wieder in ruhige Bahnen gelenkt. Umso bedenklicher, dass es auch ihr nicht gelang, in ihrem Haus die nötige Sensibilität für eine Neonazi-Mordserie und deren Aufklärung zu erreichen. Eine Selbstverständlichkeit – eigentlich.
ist Berlin-Redakteur der taz.
Einen „Neuanfang“ des Geheimdienstes hat Henkel nun versprochen. Der ist nötig, sollen weitere Schreddereien verhindert werden. Henkel beschert das eine doppelte Herausforderung. Er muss die Spitze von Verfassungsschutz und Polizei nachbesetzen. Letztere ist bereits seit eineinhalb Jahren vakant. Und Henkel muss die angekündigten Konsequenzen endlich wirklich ziehen.
Denn er selbst hat sich im NSU-Fall bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Im Gegenteil. Monatelang schwieg er darüber, dass die Polizei einen V-Mann führte, der NSU-Helfer war. Jetzt muss sich der Senator daran messen lassen, ob er tatsächlich für einen anderen Geist in den Sicherheitsbehörden sorgt. Einen, der die Bedeutung der NSU-Aufklärung erkennt. Da darf Henkel gleich bei sich anfangen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt