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Mit Recht wurde hier auf strukturelle Gewalt hingewiesen, also darauf, daß die Mächtigen, die jetzt die Gewalt einiger Demonstranten verurteilen, Repräsentanten eines grundsätzlich gewalttätigen Systems sind. Aber rechtfertigt dies Gewalt bei Demonstrationen? Die Diskussion über "Gewalt" ist meist von zweierlei Maß gekennzeichnet. Wenn die Chefredakteurin der TAZ schreibt: "Gewalt ist nicht das richtige Mittel, um politische Auseinandersetzungen zu führen." - meint sie dies dann tatsächlich so umfassend, wie sie es geschrieben hat? Dann hätten die USA ebensowenig wie Rußland, die Ukraine ebensowenig wie die ostukrainischen Separatisten ... usw. ein "Recht auf Gewalt". - Ich würde Frau Pohl zustimmen, sollte sie diesen Satz so gemeint haben. Um auf die Demonstrationen zurück zu kommen: Hier sollten die Veranstalter wenigstens versuchen, Gewaltlosigkeit durchzusetzen und langfristig eine Kultur gewaltfreien Widerstands zu etablieren. Dazu gehörte auch eine scharfe Distanzierung von den Gewalttätern. Für mich ist das eine grundsätzliche Frage. Aber auch diejenigen, welche dies weniger prinzipiell sehen, sollten sich fragen, ob es nicht taktisch klüger ist, in jedem Fall friedlich zu bleiben und die angeblichen "Sicherheitskräfte" des Staates in ihrer Gewaltbereitschaft vorzuführen.
Agent Provocateur können nicht ausgeschlossen werden
Es gibt mittlerweile mehrere seriöse Berichte, die belegen, dass auch in Deutschland von offiziellen Stellen sog. Agent Provocateur eingesetzt werden. *
Es kann nicht ausgeschlosen werden, dass auch bei der Blockupy Demonstration diese Interessen bedient wurden, die an einer gewaltsamen Eskalation interessiert sind. Zum Beispiel mit dem Ziel, legitime Proteste zu kriminalisieren, das Demonstrationsrecht noch restriktiver einzuschränken, und um den Sicherheitsapparat noch weiter auszubauen.
Siehe hier auch aktuell die bevorstehenden Proteste gegen den G7-Gipfel in Bayern. So werden die gewaltsamen Ausschreitungen in Frankfurt genau dafür genutzt: Hier einige aktuelle Schlagzeilen: Polizeigewerkschaft nennt Proteste "Vorgeschmack auf G7", Ausschreitungen Blaupause für G7, Herrmann überprüft G7-Pläne, G7-Planungsstab will Lehren aus den Frankfurter Krawallen ziehen, Innenministerium plant Campverbot zum G7-Gipfel, usw.usf.
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"Polizei bestätigt, daß der enttarnte Agent Provocateur für sie gearbeitet hat"
"Kreuzberger Krawalle zum 1. Mai Polizist als Freund und Werfer"
"BVerfG zur Verurteilung nach provozierter StraftatPolizei soll Straftaten verfolgen, nicht verursachen"
@Peter Schmidt Wieso kloppen die denn dann nicht auf die "eigenen" Leute ein, wenn die doch von der Polizei sind?
"Und ebenso viel oder wenig, wie die Fußballvereine etwas für ihre prügelnden Fans können, können die Abgeordneten, die Blockupy angemeldet haben, etwas für die Autoanzünder."
Das ist zum Teil richtig.
Darauf folgen muss aber:
Ebenso viel oder wenig wie man von Fußballvereinein verlangen kann, sich von gewaltbereiten Hooligans zu distanzieren und deutlich zu machen, dass man diese nicht in den eigenen Stadien haben will. Ebenso viel oder wenig kann man das von Blockupy in Bezug auf Autoanzünder und Randalierer verlangen.
Und meine Meinung ist: Fußballvereine sollten sich a) in größtmöglicher Deutlichkeit von "unterstützenden" Hooligans distanzieren und b) scharfe Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass solche Hooligans ins Stadion gelangen.
Sind a und b erfüllt, dann haben die Vereine ihr möglichstes getan und sind nicht für das Verhalten einiger Verrückter zu kritisieren. Für Blockupy gilt das gleiche.
Da wird ein völlig verzerrtes Bild der Demonstrationen dargestellt. Statt 20.000 friedliche Demonstranten auch mal zu zeigen, werden ausschließlich die Krawalle einer demgegenüber verschwindenden Minderheit gezeigt. Und es kommen doch wahrhaft so pseudoschlaue Sätze in einigen Medien wie der, dass "die Linken" ein Problem mit der Gewalt hätten. So ein Satz wäre den gleichen Leuten nach "Demonstrationen" in Hoyerswerda nie in den Mund gekommen. Und da war Gewalt kein Minderheitenproblem. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Redlichkeit solcher Leute.
Im Gegensatz zur Gewalt in Frankfurt werden die Exzesse der Holligans wie die Taschendiebstähle aber von allen ernstzunehmenden Kräften geächtet. Deshalb sollten die Vertreter der Linken wie von Blokkupy die Gefahr eindeutig verurteilen oder sich nicht beklagen, wenn sie nicht mehr zu den ernstzunehmenden Kräften gehören.
Dem kann ich nur zustimmen. Es ist unverständlich und traurig, dass man anstatt sich scharf zu distanzieren teilweise noch suggeriert, die Polizei sei Ursache für solche Gewalt. (siehe Zitat weiter unten)
Bei anderen Demos, "Freiheit statt Angst" u.ä., gab es doch keine Randale, trotz nachgewiesenem Fehlverhalten der Polizei.
Die Schwachköpfe, die hier Gewalt veranstalten, sind die gleichen kriminellen Arschlöcher wie Nazi-Schläger, Hooligans oder Islamisten, und haben genausowenig Rechtfertigung. Wer so etwas duldet und nicht als allererstes dagegen vorgeht, trägt eine moralische Mitschuld. Das möchten so manche Linke, mit denen ich geredet habe, sehr ungern hören.
ZItat Pressemeldung blockupy.org:
Christoph Kleine vom Blockupy-Bündnis: “Wenn wir über Gewalt sprechen, müssen wir zuallererst über die tödliche, existenzielle Gewalt gegenüber den Menschen in Griechenland sprechen. Und wir müssen über die Gewalt der Polizei sprechen, über den massiven Einsatz von Tränengasgranaten und Wasserwerfern. Wenn wir das ins Verhältnis gesetzt haben, müssen wir auch sagen: Es gab neben vielen Aktionen im Rahmen unseres Konsenses bei den Protesten am Vormittag auch Aktionen, die wir nicht gewollt haben und nicht gut finden.”
Karl Marx über revolutionäre Kritik und Gewalt:
"Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern." (Karl Marx) *
Kritik war für Karl Marx nicht nur eine rein theoretische Angelegenheit, sondern auch eine theoretische Auseinandersetzung, die zur praktischen gesellschaftlichen Veränderung anregte, entsprechend seiner bekannten These über Feuerbach. * (siehe oben)
In seiner Einleitung "Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie" charakterisierte Karl Marx die Rolle der revolutionären wissenschaftlichen Kritik mit folgenden Sätzen:
"Die Kritik, die sich mit diesem Inhalt befasst [mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschlend -- R. S.], ist die Kritik im Handgemenge, und im Handgemenge handelt es sich nicht darum, ob der Gegner ein edler, ebenbürtiger, ein interessanter Gegner ist, es handelt sich darum, ihn zu treffen." **
Marx kommt bei der Weiterführung dieses Gedankens zu dem Ergebnis:
"Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muss gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift." ***
* Vgl. Karl Marx: Thesen über Feuerbach. In: Marx/Engels: Werke, Bd. 3, S. 7.
** Vgl. K. Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. In: Ebenda, Bd. 1, S. 381.
*** Ebenda, S. 385.
Die Taz meint also, dass Demos zum "Dampfablassen" geduldet, aber sonst ignoriert werden sollten? Also geneu das, was totalitäre Regime machen? So jedenfalls verstehe ich Ihren Standpunkt.
Die Konsequenz ist zunehmende Wut der Bürger, sei es durch steigende Gewalt bei Demos, das Erstarken radikaler Parteien, Wahlverzicht, militärischen Gewalt der Herrschenden gegen Bürger,
Bitte denken Sie zuende, bevor Sie schreiben.
Es gibt nur EINE sinnvolle Reaktion auf den Unmut der Bevölkerung;
Über Demokratie nicht nur quasseln, sondern im Sinne der Demonstranten reagieren. Oder erwarten Sie von den Menschen, dass sie sich wehrlos das Fell über die Ohren zu ziehen lassen haben?
Ich persönlich traue keiner Partei mehr. Die Ex-68er sitzen heute dick, faul und bräsig in hoch bezahlten Staatsjobs; das war es , was diese Leute wollten.
Auf nach Elmau!
Liebe taz,
ihr wollt als Zeitung also lieber wegschauen, als Euch unangenehme Fragen zu stellen, etwa warum Gewalt in diesem Ausmaß seit Jahren so häufig von linken Demos ausgeht.
Eure Reaktion ist immer dieselbe: die Gewalt sei zu verurteilen (oder in diesem Falle: "ärgerlich") aber eigentlich gehe es den Demonstranten ja um eine gute Sache, der Gehör geschenkt werden müsse. Außerdem habe die Polizei sich mal wieder völlig inakzeptabel verhalten. Ach ja, und, O-Ton Deniz Yücel, " [.] um einen Nazi-Aufmarsch zu verhindern, braucht es dreierlei: Eine große Menge friedlicher Blockierer, [...] ein bisschen Militanz zur rechten Zeit und eine Polizei, die keine Lust verspürt, den Nazis den Weg freizuprügeln (und dafür selber Prügel einzustecken)." Polizisten müssen das halt abkönnen. Entschuldigung, aber das ist menschenverachtend.
Und jetzt noch dieser "Demos sind eben Demos"-Unsinn oben drauf. Es ist Quatsch, dass sich bei großen Demos Gewalt nicht vermeiden lässt. Es stimmt, dass es bei Demos die bestimmte Millieus anziehen, regelmäßig zu Gewalt kommt. Und eines dieser Milieus, liebe taz, ist neben Fußballhooligans und Nazis leider Eure geliebte linke Szene.
Die Gewalt hat eben doch etwas mit den Inhalten zu tun. Das könnt Ihr an den Aussagen der hier verteidigten Organisatoren ablesen. Die distanzieren sich z.T. offen nicht von der Gewalt, bzw. "freuen sich, dass der politische Widerstand in Deutschland angekommen ist". Wer Europa wahrnimmt als ein System in dem "von Regierungen ausgehenden Gewalt die ganze Länder verwüste", der betrachtet eben auch gewaltsamen Widerstand gegen dieses System als legitim. Sich friedlich und gewaltlos zu verhalten ist dann nur noch eine Demotaktik neben anderen und keine Bürgerpflicht mehr.
Liebe taz, bitte gesteht es Euch endlich ein: Die Linke in Europa hat ein massives Gewaltproblem. Hört endlich auf, es zu verharmlosen und macht Eure Arbeit als Journalisten: findet die Ursachen heraus.
Und oben auf der öffentlichen Erregungskurve sitzen dann Leute wie G.Jauch. Hoffentlich ist die messerspitz die Kurve. Wenn wir die staatsvertraglich geregelten Gebühren für Radio und Fernsehen und den Wahnsinn wann wo und weswegen mehrfach als eine Person zu bezahlen ist mal betrachten, bezahlen wir im Kulturauftrag der Länder, die für die Anstalten (passendes Wort) zuständig sind, den Jauch ebenfalls mehrfach aus einer Tasche. Wir schaffen uns ab und bezahlen dafür, so sieht es für mich aus. Huch, ich seh grad, ich habe inzwischen eine eigene im Moment noch nicht öffentliche Erregungskurve.
Je nun. Besonders steil kann sie noch nicht (gewesen) sein, Ihre privat-persönliche "Erregungskurve", sonst hätten Sie keine Zusammenhänge mehr gesehen sondern nur noch den tumben Troll gegeben.
Nein, die Kurve ist leider nicht "messerspitz", sondern ziemlich gut gepolstert. Sonst würde Basset Jauch nicht immer gar so treudoof glotzen, wenn er mal wieder öffentlich den Irgendwie-Betroffenen gibt. Der sitzt schon ganz kommod, der Jauch. Auch, weil wir alle brav bezahlen. So lange das der Einzelne noch ablehnt, hat er ein Problem. Erst, wenn wir (beinah) alle nicht mehr überweisen, wird sich was ändern am System. In sofern ist wohl die "Erregungskurve" noch längst nicht hoch genug. Zumindest nicht bei Allen respektive Jedem.
Der Prozess wegen Cum-Ex-Geschäften gegen den Hamburger Bankier Olearius wurde eingestellt. Er sei zu krank. Jetzt klagt er gegen seine Anklägerin.
Kommentar Berichterstattung Blockupy: Steile öffentliche Erregungskurve
Gewalt bei Demonstrationen ist nicht neu. Das Maß der Erregung darüber schon. Will man die Krawalle vermindern, sollte man sie weniger beachten.
Die kleine Rieke und ihre Freunde: War doch alles ganz friedlich in Frankfurt. Bild: dpa
Bei den Leuten, die in Frankfurt verletzt, deren Autos angezündet oder Scheiben eingeworfen wurden, ist die Wut völlig verständlich. In der öffentlichen Diskursmaschine ist sie aber bigott. Sie hat etwas vom Verhalten von Autofahrern, die anhalten, um Unfallopfer zu beglotzen.
Große Demos ziehen Leute an, die auf Konfrontation aus sind, genauso wie Fußballspiele Hooligans und Bahnhöfe Taschendiebe. Das war schon immer so und wird auch nicht ohne Weiteres aus der Welt zu schaffen sein. Und ebenso viel oder wenig, wie die Fußballvereine etwas für ihre prügelnden Fans können, können die Abgeordneten, die Blockupy angemeldet haben, etwas für die Autoanzünder. Es gibt auch keine „neue Qualität der Gewalt“. Dass die Polizeigewerkschaft dies behauptet, ist ihr Job. Und um das zu widerlegen, muss man nicht bis zur Startbahn West zurückgehen.
Nur der Winkel der öffentlichen Erregungskurve ist heute steiler. Und da liegt eines der Probleme. Medien stürzen sich begierig auf jede Form von Regelverletzung. Dieser Sog ist so stark, dass dann, wie am Mittwoch, schon mal öffentlich-rechtlich weiterverbreitet wird, 80 Polizisten seien durch „ätzende Säure“ verletzt worden, obwohl es wohl das eigene Pfefferspray war. Dieser überhitzte Umgang mit der Demo-Gewalt lässt sich am Ende auf eine überaus unselige Formel bringen: Wer zerstört, wird gehört.
Tatsächlich führen die Krawalle eben nicht dazu, dass nicht über „das Anliegen“ – sei es EU-Spardiktat, Castor oder Nazis – geredet wird. Es wird sehr wohl über beides gesprochen. Ob dies für die Autoanzünder eine Rolle spielt, ist fraglich. Trotzdem: Wer den Automatismus durchbrechen will, dass Krawall faktisch belohnt wird, sollte in der Demo-Berichterstattung nicht immer neue Superlative nachbeten, sondern einfach mal den Dampf rauslassen.
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Kommentar von
Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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