Kommentar Bayernwahl: Sieg durch Anpassung
Bayerische Politfolklore: Es darf auch ein bisschen schräger und ruppiger sein. Horst Seehofer ist bei den bayerischen Wählern sehr gut angekommen.
D er Mann wirkt seltsam, jedenfalls auf Leute, die nicht aus Bayern kommen. Horst Seehofer hat sich als eine Art Wiedergänger von Franz Josef Strauß inszeniert, trickreich und prinzipienlos, unzuverlässig und egomanisch. Er erfüllt die bayerische Politfolklore, dass man als CSU-Politiker etwas mehr darf als andere, dass man schräger, ruppiger, auch ein bisschen mafiotischer sein darf als der Durchschnitt.
Im Wahlkampf bekundete Seehofer, dass Bayern die Pforte zum Paradies sei. In Düsseldorf, Erfurt oder Berlin würde sich jeder Politiker mit solchen Scherzen der Lächerlichkeit preisgeben. In Bayern wird er mit absoluter Mehrheit gewählt.
Ist das der Grund für die furchterregende Rückkehr der CSU zu ihrer angestammten Rolle als Staatspartei? Eher nicht. Habituell ist Seehofer der joviale Macho, der natürlich auch ganz schnell ungemütlich wird, falls ihm jemand widerspricht.
Aber im Kern ist das Erfolgsrezept der CSU ein anderes. Es ist gerade nicht die Rückkehr zu der ideologisch hochgerüsteten Lagerpartei der 80er Jahre. Die Parole „Pkw-Maut für Ausländer“ sollte zwar das bekannte „Wir gegen die“ Gefühl bedienen. Aber das war eher ein Zitat, um zu verhüllen, auf was Seehofer & Co in Wirklichkeit gesetzt haben.
Im Kern hat die CSU nach dem gefühlten Wahldesaster 2008 auf Sieg durch Anpassung gesetzt. Ob beim Donau-Ausbau oder den Studiengebühren, dem Abschied von der Atomkraft oder der Wehrpflicht - Seehofer stand politisch immer in der Nähe jeder Meinungsumfrage. Die einst grimmig gegen die grüne Spinner verteidigte Modernisierungsstrategie oder zum die Grundwert veredelte Wehrpflicht wurde stillschweigend fallen gelassen.
Kantig und herrisch
Diese an Beliebigkeit grenzende Geschmeidigkeit war die Botschaft, dass der König, anders als vor 2008, auf seine Untertanen hört. Das kantige, herrische Image von Seehofer ist insofern Maskerade: Die CSU ist eine rundgeschliffene Partei geworden. Seehofer imitiert im Grunde die Meisterin des Konsens, Angela Merkel.
Weil die CSU fast alle kontroversen Themen abräumte, war die Opposition entwaffnet. Das Ergebnis ist für die SPD nicht die befürchtete Katastrophe, aber auch kein Adrenalinschub für die Bundestagswahl. Die FDP ist der lucky loser. Denn es wird nun noch mehr Unionswähler geben, die im Bund nun taktisch für die Liberalen votieren werden. Aber das ist nur eine Verschiebung im konservativen Lager.
Die Auswirkung der Bayern-Wahl für den 22. September ist insofern überschaubar. Zur Wahl steht noch immer das Gleiche: Schwarz-Gelb oder die Große Koalition. Es wird knapp.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“