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Kommentar Bayer-HauptversammlungProtest auf Distanz

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Bayer will eine Sicherheitszone für seine Hauptversammlung. Das Verwaltungsgericht stimmt zu – auf Kosten des Versammlungsrechts.

Der Bayer-Konzern fürchtet Anschläge auf seine Hauptversammlung Foto: reuters

B ayer hat offenbar Angst. Vor Terror, vor Linken, vor Aktivisten und auch irgendwie vor sonst allem. Zumindest will der DAX-Konzern Demonstranten von seiner Hauptversammlung auf Distanz halten. Am Freitag sollte vor dem Bonner Veranstaltungsort eigentlich eine Demonstration gegen Bayers Übernahme des Saatgutherstellers Monsanto stattfinden. Daraus wird nun nichts.

Das Verwaltungsgericht Köln entschied, die Aktivisten müssen hinter einem hohen Zaun weit weg von den Aktionären am Rande des Platzes der Vereinten Nationen demonstrieren. Bayers Anwälte hatten mit Verweis auf eine mögliche Terrorgefahr die Einrichtung einer Sicherheitszone um den Veranstaltungsort gefordert. Das Gericht gab Bayer recht.

Die besondere Gefährdung begründeten die Antragsteller mit gewaltandrohenden Tweets und einem Brandanschlag auf ein Monsanto-Gebäude in der Nähe von Mailand. Bayer sei außerdem „Gegenstand antikapitalistischer und antiwestlicher Hetzkampagnen“. Eine Argumentation, die den Protest gegen Bayer in die Nähe von Terrorismus rückt. Dass die Kölner Richter dieser Leseart folgen, ist bedenklich.

Bayer und seine Aktionäre haben selbstverständlich ein Recht auf angemessene Sicherheitsvorkehrungen. Und natürlich sind Brandanschläge und Drohtweets zu verurteilen. Doch die Entscheidung bietet Missbrauchspotenzial. Jeder Konzern kann sich künftig auf eine drohende Terrorgefahr berufen, um missliebige Demonstrationen zu behindern. Denn von Twitterdrohungen und Angriffen dürften auch viele andere Unternehmen betroffen sein, die wie Bayer wegen ihrer Geschäftspraktiken im Fokus der öffentlichen Kritik stehen.

Das verfassungsmäßige Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist eine der wichtigsten demokratischen Errungenschaften der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Sie sollte nicht Konzerninteressen geopfert werden.

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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4 Kommentare

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  • Täglich sterben im Schnitt 10 Menschen auf unseren Straßen -> keine Angst ins Auto zu steigen. Jährlich sterben bei uns 15.000 bis 30.000 Menschen bei uns an Krankenhauskeinen -> keine besondere Angst vor dem Krankenhaus. Aber wenn solidarische Bürger den Aktionären ihre Meinung kundtun wollen -> große Angst, Staat greift ein und schützt die Kapitalisten vor der Demokratie.

  • Bonzen und die Gerechtigkeit...

    scheint dass dei dt Justiz immer mehr eine "Schein"-Justiz wird, die sich vor den Karren Mormons spannen läßt,

    ansonsten wahlweise auch gern mal rechts....

    F*** the system

  • Naja. Wird ja niemand daran gehindert, ein paar Hundert Meter entfernt so protestieren.

  • Keine Sorge, da wird kein Grundrecht "geopfert". Alle Grundrechte stehen miteinander in Bezug und sind zum Ausgleich zu bringen. Bayer und die Aktionäre sind ebenfalls Grundrechtsträger, übrigens auch in Bezug auf die Versammlungsfreiheit und dessen Nutzung.