Kommentar Baukindergeld: Gegen Wohnungsnot hilft es nicht
Eine Bezuschussung des Wohnungskaufs unterstützt auch Menschen, die es gar nicht benötigen – und treibt die Immobilienpreise in die Höhe.
I mmer dann, wenn es um Sozialleistungen für die Mittelschicht geht, wird es heikel. Denn in der Mittelschicht fühlen sich mehr Menschen als Bedürftige denn als Privilegierte. Diese verzerrte Selbstwahrnehmung gehört zum Sozialstaat.
Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich auch beim Baukindergeld: Sollte man Käufer von Wohnungen und Bauherren aus Steuermitteln subventionieren? Wo doch solche Subventionen auch Menschen helfen, die darauf gar nicht angewiesen sind? Einerseits. Andererseits aber bleibt vielen Wohnungssuchenden in den Ballungszentren heute kaum noch etwas übrig, als sich eine Wohnung zu kaufen und einen hohen Kredit aufzunehmen.
Kommt das Baukindergeld, werden erst recht Tausende von Menschen Wohnungen erwerben oder Häuser bauen. Es ist bezeichnend, dass den zuständigen Politikern erst jetzt das Kostenrisiko der neuen Subvention aufgefallen ist. Nur aus diesem Grund haben sich die zuständigen Minister Olaf Scholz (SPD) und Horst Seehofer (CSU) nun eine Limitierung bei der Wohnungsgröße ausgedacht.
Wer einen Bauernhof mit 130 Quadratmetern kauft, kriegt keine Subvention mehr. Wer eine kleinere Wohnung in München erwirbt, egal wie teuer, vielleicht auch noch Erbe ist, bekommt aber das Geld vom Staat noch obendrauf. Die Quadratmeterbeschränkung ist dilettantisch.
Aber sie wirft auch ein Licht auf die eigentliche Problematik: Eine Bezuschussung des Wohnungskaufs aus Steuermitteln unterstützt garantiert auch Menschen, die dieses Staatsgeld gar nicht benötigen, und treibt die Immobilienpreise in die Höhe.
Das Baukindergeld hilft auch nicht bei der Bewältigung der Wohnungsnot in den Ballungszentren. Es ist ein Unding, wenn sich jemand aus Wohnungsnot beim Erwerb einer Immobilie auf Jahrzehnte hoch verschuldet und die Existenz Wohnungssuchender vom Zinsniveau abhängt. Wir brauchen eine Lösung für den Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Die liefert das Baukindergeld nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr