Kommentar Attac und Wirtschaftskrise: Nachhilfe in Ökonomie

Jetzt rächt sich, dass sich Linke und Globalisierungskritiker zu wenig um finanz- und wirtschaftspolitische Alternativen gekümmert haben.

Was Attac zur Wirtschaftskrise zu sagen hat, das würden inzwischen selbst viele CDU-Politiker unterschreiben: Der Staat soll die Milliarden der Steuerzahler in erneuerbare Energien stecken, in öffentlichen Verkehr und ökologische Gebäudesanierung, statt Spritfresser mit Steuererlassen zu sponsern oder gut verdienende Branchen wie die Autoindustrie zu pampern. So weit, so vernünftig - und so langweilig. Eine unverkennbare Agenda zur Krise, von der sich die Politik etwas abschauen könnte, haben die Globalisierungskritiker dagegen nicht zu bieten. Das ist traurig.

Es wäre allzu billig, den ehrenamtlich arbeitenden Aktivisten der globalisierungskritischen Bewegung daraus einen Vorwurf zu machen. Denn nicht nur Attac sieht hilflos zu, wie der Mainstream plötzlich seine Ideen übernimmt. Und nicht nur Attac kann schwer einschätzen, wie sich die anrollende Krise letztlich auswirken wird. Ratlosigkeit ist innerhalb der gesamten Linken verbreitet. Dieses Problem ist gewachsen: Ausgerechnet im vergangenen Jahrzehnt, als Ökonomen die ungezügelte Marktwirtschaft propagierten, vernachlässigten Linke die ökonomischen Diskurse.

Radikale Kapitalismuskritiker wurden als ewiggestrig oder altlinks diskreditiert, ideologische Annahmen - wie etwa die, dass eine Volkswirtschaft auf ständiges Wachstum angewiesen sei - als alternativlos akzeptiert. Dieses strukturellen Defizit manifestiert sich jetzt in Sprachlosigkeit. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass ein Peer Steinbrück zum finanz- und wirtschaftspolitischen Vordenker der Sozialdemokratie avancieren konnte, ohne auf nennenswerte Gegenrede aus dem linken Parteiflügel zu stoßen.

In dieser Hinsicht steckt, so abgedroschen es klingt, in der Krise tatsächlich eine Chance. Bei Attac hat man längst erkannt, wie wichtig es ist, die eigene Kernkompetenz zu stärken. Und auch andere gesellschaftliche Gruppen sehen ein, dass sie Bedarf an ökonomischer Nachhilfe haben, ob es nun Parteien, Gewerkschaften oder Basisinitiativen sind. Diese Erkenntnis könnte gerade noch rechtzeitig kommen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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