Kommentar Asylrechtsreform: Migration ist kein Verbrechen
Die Bundesregierung will die Abschiebehaft ausweiten. Doch die Grundrechte von Flüchtlingen dürfen nicht immer stärker beschnitten werden.
ber Deutschlands Umgang mit Flüchtlingen lässt sich viel Kritisches sagen. Eines aber bislang nicht: Dass Asylsuchende schon während des laufenden Verfahrens regelmäßig wie Verbrecher eingesperrt werden – von Ausnahmen wie dem unsäglichen „Flughafenverfahren“ einmal abgesehen.
Damit unterschied sich Deutschland bislang vorteilhaft von anderen EU-Staaten, die schon lange dazu übergegangen sind, viele Ankömmlinge ohne Papiere einzusperren – Asylantrag hin, Schutzbedürftigkeit her: Griechenland, Ungarn, Malta, Polen, aber auch Italien haben sich da unrühmlich hervorgetan.
Die fadenscheinigen Begründungen für die sogenannte Administrativhaft kaschierten nur schlecht, worum es den Ländern ging: Abschreckung. Sind wir zu nett zu ihnen, kommen noch mehr – das war das Kalkül. Grundrechte interessieren dabei nicht.
Die Praxis war rechtlich lange umstritten, insbesondere wegens der teils haarsträubenden Zustände in den Haftlagern. Die wiederum waren auch eine Reaktion auf die Überlastung dieser Staaten durch das Dublin-System. Im letzten Jahr hat die EU diese Art von Internierung legalisiert – bis zu einer Dauer von 18 Monaten und auch für Minderjährige.
Menschenrechtsorganisationen waren entsetzt; die alte Bundesregierung erklärte, hiervon keinen Gebrauch machen zu wollen. Daran fühlt sich Innenminister Thomas de Maizière nun nicht mehr gebunden. Die schon bislang in Deutschland praktizierte Abschiebehaft will er deutlich ausweiten, um das derzeit möglich scheinende Szenario von 200.000 Asylanträgen in diesem Jahr um jeden Preis zu verhindern.
Die Grundrechte von Migranten dürfen nicht immer stärker beschnitten werden, nur weil mehr von ihnen kommen. Migration ist kein Verbrechen. Wer es trotz aller Widrigkeiten nach Deutschland schafft, ist deshalb kein Krimineller. Und gehört deswegen auch nicht in den Knast.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut