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Kommentar Asylpaket und rechter TerrorBlendgranate für besorgte Bürger

Heiko Werning
Kommentar von Heiko Werning

Eine Granate fliegt auf eine Flüchtlingsunterkunft. Die Regierung einigt sich auf das Asylpaket II. Was das eine mit dem anderen zu tun hat.

Dort denonierte eine Handgranate: Spurensuche in Villingen-Schwenningen Foto: dpa

D a ist es ja wieder, das „Asylpaket II“! Drei Monate Gezänk, und am Ende hat sich nur eines geändert: die Stimmung in Teilen der Bevölkerung.

Letzte Nacht flog eine mit Sprengstoff gefüllte Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen. Vermutlich, um irgendwelchen Sorgen Ausdruck zu verleihen. Die mit dem nun beschlossenen Kompromiss zum Kompromiss vom November 2015 Berücksichtigung finden sollen. Und was ist drin im mühsam zusammengestoppelten Paket?

Der Familiennachzug von Flüchtlingen unter subsidiärem Schutz (also jenen, die in Kriegsgebieten sonst einfach nur so zu Tode gebombt, erschossen oder hingerichtet würden und nicht gezielt, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören) wird nun nicht für ein Jahr ausgesetzt, wie von der SPD zwischenzeitlich gefordert, sondern wieder für zwei Jahre, wie von der CSU im November schon mal durchgesetzt. Ah ja.

Betroffen sind übrigens voraussichtlich etwa 20.000 Syrer. 20.000 Einzelschicksale, die jetzt noch ein bisschen hoffnungsloser werden. Verglichen mit der Gesamtzahl völlig bedeutungslos.

Man macht ein paar armen Teufeln das Leben noch mehr zur Hölle als ohnehin schon. Das werden sie sein, unsere christlichen Werte.

Ähnlich verhält es sich mit den weiteren Ergebnissen. Flüchtlinge sollen für ihre Integrationskurse 10 Euro Eigenbeteiligung im Monat zahlen. Wo dieser Betrag dann wohl herkommt? Per Blitzüberweisung von der Kreissparkasse Aleppo?

Außerdem werden die Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien jetzt per Dekret sicher, um von dort kommende Menschen leichter abschieben zu können, sozusagen als Asylpaket-Rücksendung. Dumm nur, dass besagte Staaten offenbar gerne mal die Annahme verweigern.

Sicher per Dekret

Insgesamt also wird sich durch die Beschlüsse an der in Deutschland zur Krise hochgejazzten Flüchtlingslage faktisch ziemlich genau ändern: nichts. Außer eben, dass man ein paar armen Teufeln das Leben noch mehr zur Hölle macht als ohnehin schon. Das werden sie sein, unsere christlichen Werte.

Freuen dürfen sich einzig die in Berlin gestrandeten Flüchtlinge: Kaum anzunehmen, dass bei der am dortigen Lageso üblichen Bearbeitungsgeschwindigkeit die Sperrfrist von zwei Jahren irgendwelche praktischen Auswirkungen haben wird. Die Betroffenen in den anderen Bundesländern können sich die Wartezeit ohne ihre Frauen zwischenzeitlich auf der Kölner Domplatte vertreiben.

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Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
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21 Kommentare

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  • Solange der Westen den Bomben und Drohnen Terror sowie Waffenexporte auch an Despoten, nicht stoppt, wird es Flüchtlinge und Terroristen geben. Wie viele unschuldige Zivilisten sind deshalb schon getötet worden? Eine Mio. reichen da nicht, aber die Menschen bekämpfen die Opfer, statt die Täter dieser Politik? Alleine die imperiale und in Teilen koloniale Außen und Wirtschaftspolitik des Westens, sind in erster Linie für die Flüchtlinge und Terroristen verantwortlich. Darüber aber machen sich im Westen die sog. „besorgten Bürger“ keine Sorgen? Statt dessen bekämpfen sie die Opfer des westlichen Bomben und Drohnen Terrors, der alleine auf Grund von Lügen des Westens Völkerrechtswidrige Kriege geführt hat und führt? Schon vergessen liebe Bürger im Westen? Völkerrechtswidriger Kriege auf Grund von Lügen des Westens im Kosovo, Irak, Afghanistan, Libyen, und jetzt Syrien?

  • Sie schreiben richtig: Ändern wird sich faktisch nichts.

    Ja, die GroKo brauchte drei Monate für das Gleiche. Der Kompromiss bedeutet, freien Nachzug (= einfach über die Grenze marschieren, mit und ohne Registrierung oder mit sieben Identitäten) für alle anderen ca. 1,3 Mio aus 2015. Die 10 € für Sprachkurse kommen übrigens aus den Leistungen für Asylantragsteller = 352 € pro Monat.

    Wer als Betroffene in Köln und Dutzenden anderen Städten Ihren Kommentar (v.a. auch zur "Domplatte") vernimmt und auch sonst noch bei Verstand ist: Durch einen solchen Artikel wird man zum AfD-Wähler.

    • @Andreas Bitz:

      wer zum AfD-wähler wird, war sowieso noch nie bei verstand.

      • @christine rölke-sommer:

        Das derzeitige Wahlrecht sieht den Nachweis von "Verstand" als Voraussetzung zur Teilnahme an einer Wahl überhaupt nicht vor.

        Sollte dies etwa ein grundlegender Fehler sein?

  • "Wenn Politiker sich der wachsenden Fremdenfeindlichkeit ernsthaft entgegenstellen wollen, dürfen sie nicht für solche Gesetze stimmen."

     

    Aber der Fremdenfeind ist auch ein Wähler. Der Flüchtling nicht.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Pack gewinnt die Oberhand.

    Dafür sorgen schon die Polithorste dieser Republik.

  • "Sie kennen mich!" (Angela Merkel im TV-Duell 2013)

    Sind Sie etwa reingefallen, verehrter Blindwähler? Ist nix drin und steht nix drauf, dann rat ich: Augen auf beim Kanzlerkauf!

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Wie wäre es, erst mal die Ermittlungsergebnisse abzuwarten? Lernt die TAZ nie dazu?

  • Doch, es wird sich durch das Asylpaket etwas ändern: Die rechten Terroristen werden sich bestätigt und ermutigt fühlen, noch weitere und heftigere Anschläge zu verüben. Werden wir dann das Asylrecht auch formal immer weiter einschränken, je mehr Attacken es gibt? Wenn Politiker sich der wachsenden Fremdenfeindlichkeit ernsthaft entgegenstellen wollen, dürfen sie nicht für solche Gesetze stimmen.

     

    Natürlich müssen wir den Sicherheitsbehörden stärker auf die Finger schauen, damit sie effektiver im Bereich rechter Terrorstrukturen ermitteln. Aber ich fürchte, das wird nicht reichen. Auch Einschränkungen der Rechte von Flüchtlingen ermutigen rechte Terroristen.

     

    Wie sollen sich Flüchtlinge ernsthaft hier integrieren, wenn ihre engsten Verwandten, wie Ehefrauen und Kinder, noch immer jederzeit in Syrien oder wo auch immer umkommen können? Mit mindestens dem halben Herzen werden diese Flüchtlinge dann doch immer noch in ihrem Herkunftsland sein, auch wenn sie hier leben.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Warum mit so dicken Samthandschuhen: 'Flog eine Handgranate ... vermutlich, um irgendwelchen Sorgen Ausdruck zu verleihen.'?

    Nach meinem Rechtsempfinden ist das ein Mordversuch an 104 Menschen. Da hat dann Herr Pistorius mit seinem Terrorismusbegriff recht, daß das mit den Anschlägen in Paris zu vergleichen ist. Das Strafgesetzbuch muss aber nicht angepasst werden. Gegen Mord gibt es schon ein Strafmaß. Da können dann der oder die Täter über ihre Sorgen nachdenken.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      "um irgendwelchen Sorgen Ausdruck zu verleihen"... Ich habe da einen gehörigen, der Sachlage angemessenen Sarkasmus herausgelesen. So wie wenn ich bei morddrohenden Nazis sage "ach, die wollen bestimmt nur spielen"

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Da Hias:

        Ja genau, aber ich habe nur den Autor, Herrn Werning, aus dem 2. Absatz zitiert und mich darüber etwas gewundert, daß er das nicht in Anführungszeichen gesetzt hatte. Mal schauen, was die Justiz damit macht. Ich denke mal, 1 Jahr auf Bewährung.

  • Der Linksruck Merkels hat unser demokratische Spektrum aus dem Gleichgewicht gezerrt. Sogar für Energiewende soll jetzt die Union stehen. Und dann ist die Lage im Asylrecht in der Tat grotesk. Einerseits eine stahlharte Rechtslage nach dem Geschmack eines Manfred Kanther und Edmund Stoiber, spätestens seit der Reform 1993 des Grundgesetzes. Andererseits eine kaum nachhaltige Praxis, die dem ständig Hohn spricht, in der auch Unberechtigte praktisch nie wieder das Land verlassen.

     

    Kein einziger der über Österreich einreisenden ist asylberechtigt im Sinne des Art 16a GG Absatz 2! Auch die Polizei ist nach Gesetzlage dazu verpflichtet angetroffene im Grenzbereich zurückzuschieben. Das passiert natürlich auch nicht. Wir leben in einer Situation des dauerhaft ausgesetzten Rechtsvollzugs. Ganz bestimmt ist unser Recht auch falsch. Egal was jetzt geändert wird mit symbolischen und echten Härten gegen Geflüchtete und die Krisenprofiteure schonend, es hält sich der Staat ja sowieso nicht an das Recht. Es wird eine Kontrolle simuliert, die längst abgegeben wurde. Die Behörden haben heute schon Bearbeitungsdauern, die inakzeptabel sind.

     

    Statt dessen wird gegen die Betroffenen polarisiert und aufgewiegelt. Es bleibt mir ein Kloß im Halse stecken, wenn hier steht: "Die Betroffenen in den anderen Bundesländern können sich die Wartezeit ohne ihre Frauen zwischenzeitlich auf der Kölner Domplatte vertreiben." Zu suggerieren, dass Vergewaltigungsexzesse von Minderheiten die logische Konsequenz von Verzögerungen von Familiennachzug sind, ist zynisch und aufwiegelnd, für mich eine grenzwertige Polemik nahe an der Volksverhetzung. Es ist klar, dass der Familiennachzug in Deutschland zukünftig nicht machbar sein wird, mal davon abgesehen, dass die Einreisenden allesamt nach GG nicht asylberechtigt sind, wenn sie über Österreich kommen. Für Asylbewerberheime sollte natürlich jedem Flüchtling professionelle Sexualbegleitung bereit gestellt werden, aber nicht mit so zynischen Argumenten.

    • @Ansgar Reb:

      " Einerseits eine stahlharte Rechtslage nach dem Geschmack eines Manfred Kanther und Edmund Stoiber, spätestens seit der Reform 1993 des Grundgesetzes."

       

      Tja, wenn Kriminelle selbst oder Väter von Töchtern, die betrügen, solche Gesetze machen, kann da auch nix ernsthaftes bei rum kommen.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      "Auch die Polizei ist nach Gesetzlage dazu verpflichtet angetroffene im Grenzbereich zurückzuschieben."

       

      Durch die Wiederholung wird's nicht wahrer!

      • @889 (Profil gelöscht):

        Asylgesetz (AsylG) § 18 Aufgaben der Grenzbehörde

        ...

        (2) Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn

         

        1. er aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) einreist,

        2. Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird, oder

        ...

        (3) Der Ausländer ist zurückzuschieben, wenn er von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird und die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen.

        (4) Von der Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung ist im Falle der Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) abzusehen, soweit

         

        1. die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist oder

        2. das Bundesministerium des Innern es aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat.

        ...

        • 8G
          889 (Profil gelöscht)
          @Ansgar Reb:

          Ja, dann lies noch mal den letzten Absatz von dem, was du hier selbst zitierst...

        • @Ansgar Reb:

          Seien Sie mal nicht so kleinlich. Woher sollen wir z.B. wissen, welche Gesetze Sie schon ungeahndet gebrochen haben? Steht ja nicht hinter jedem Deutschen ein Polizist, der dauernd aufpasst.

          • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

            Verunglimpfung der Bundesfarben und der Nationalhymne z.B. ;)

  • leider ist solch ein Sarkasmus das einzige was einem dazu einfällt - einfach nur erbärmlich was Politik z.Z. betreibt.