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Kommentar Asselborn gegen UngarnOrbán ist fast schon Mainstream

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Europa rückt nach rechts. Diese Entwicklung könnte man auch mit dem von Asselborn vorgeschlagenen Rauswurf Ungarns nicht aufhalten.

Vor einem Jahr war Orbáns Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen noch anstößig Foto: dpa

J ean Asselborns Tiraden gegen Ungarn und dessen Ministerpräsident Viktor Orbán sind in ihrer Schärfe einmalig und für einen Außenminister skandalös undiplomatisch. Ob der Luxemburger mit der Forderung nach einem Rausschmiss Ungarns aus der EU dem in wenigen Tagen stattfindenden Brexit-Gipfel in Bratislava einen Gefallen getan hat, sei außerdem dahingestellt.

Abgesehen davon muss man sich aber fragen: Hat er recht? Orbán ärgert europäische Politiker seit Jahren mit seinen Fantasien von einer illiberalen Gesellschaft und mit seinem völkischen Geschwätz. Seine neue Verfassung sichert ihm die Macht. Von der freien Presse ist nur ein Schatten übrig. Der „Geist“ einer idealen EU wurde oft genug beleidigt.

Bisher hat sich der Regierungschef aber immer abgesichert, nicht gegen das Regelwerk der gar nicht so idealen Union zu verstoßen. Für einen Ausschluss eines nervigen Mitglieds gibt es keine Handhabe. Außerdem hat Orbán derzeit die Geschichte auf seiner Seite. Seine mit Grenzzäunen demonstrierte Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen war vor einem Jahr anstößig. Heute ist sie fast schon Mainstream.

Mit der Visegrad-Gruppe hat Ungarn einen Klub von Gleichgesinnten, die die „christlich-abendländische Kultur“ gegen den Ansturm der Muselmanen verteidigen will. „Im Laufe der Geschichte hat Ungarn Europa stets verteidigt“, erinnerte Außenminister Péter Szijjártó in seiner Replik auf Asselborn. Man soll sich wohl an Ungarns König Ludwig erinnern, der 1526 in einer Abwehrschlacht gegen das Osmanische Reich fiel.

Die CSU gehört im Geiste schon lange zu diesem Klub. Von offen fremdenfeindlichen Parteien, wie Front National, AfD oder FPÖ ganz zu schweigen. In ein paar Jahren könnten diese Parteien an der Macht oder an Regierungen beteiligt sein. Europa rückt nach rechts. Diese Entwicklung könnte man mit dem Rauswurf Ungarns nicht aufhalten.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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10 Kommentare

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  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Nichts für ungut aber Menschen mit rassistischen Motiven gab es auch vor dem Erstarken der Rechtspopulisten bereits in ausreichendem Maße.

    Es ist ja nicht so das es vor der AfD keine ausländerfeindlichen Gewalttaten gegeben hätte. In Deutschland gab es lange keine Partei die für solche Menschen attraktiv war, darum war diese Gruppe nicht so sichtbar wie in anderen Ländern.

  • Kleine Zusammenfassung von ein paar Ereignissen gestern: In England wird ein Pole zusammengeschlagen. Danke, Boris Johnson. In Polen wird ein Deutscher geschlagen. Danke, Jaroslaw Kaczynski. In (Dunkel)Deutschland werden mehrfach Ausländer angegriffen. Danke Frauke Petry. Etc. pp.

    Rechtspopulismus wirkt halt.

    • @Kaboom:

      Wie gut, dass die Welt so einfach ist...

  • "Ich verstehe die Intension des Artikels nicht...."

    (Ich wirklich auch nicht!) &

     

    Dem Herr Leonhard - kann ich nur zustimmen.

    Ob ein AAMi mal die Hosen runter läßt - & Richtung Kollegen -

    Die Gretchenfrage stellt -

    Quo usque tandem?! -

    Wie lange wollen wir/ihr das noch mittragen??

    Das überlassen Sie dem Herrn getrost

    Mal selbst. Das - & für soo naiv

    Halte ich Sie mit Verlaub denn

    Doch nicht -

    Macht der ja nicht aus der

    Hohlen Hand - noch dazu als Lützelburger!;) - Nee & -

     

    Anschließend mit rechtlichen Überlegungen im - Kalter Kaffee-Stil -Um die Ecke zu kommen -

    Sorry - aber wie peinlich ist das denn.

     

    & "..Seine mit Grenzzäunen demonstrierte Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen war vor einem Jahr anstößig. Heute ist sie fast schon Mainstream....." Ja geht´s noch?!

     

    Das ist denn schonn abgrundtief - &

    Sicher genau das -

    Wo Jean Asselborn - & Völlig zu recht -

    ".. mit seinen Tiraden.." ansetzt.

     

    Im ernst. So einen geistlos-inhumanen Reaktionären Schrott in der TAZ

    Lesen zu müssen - doch doch -

    Ja das tut richtig weh!

     

    (ps - Mit Verlaub - die zehn Jahre jünger machen mir eine derartige

    Antieuropäische Tirade nicht erklärlich!;((

  • Ich verstehe die Intension des Artkels nicht. Kein Wunder das die Rechten im Aufschwung sind, wenn alles was wir dazu zu sagen haben ist: ,,Ja ist scheiße, aber was soll man machen, die gewinnen ja eh.".

     

    Zudem geht es hier nicht um rechts oder links sondern darum dass Bürgerrechte, Pressefreiheit, und vieles weiteres ausgehöhlt wird, in Ungarn. Wir regen uns über die Türkei auf, aber haben Orban ja schon in der EU. Aber beschweren sie sich ruhig über Asselborn, er ist ja Schuld daran dass die EU ein demokratisch kaum legitimierter Verein machtloser Bürokraten ist, wenn es darum geht die eigenen Bürger vor der Willkür ihrer Regierungen zu schützen.

    • @wirklich?:

      Willkür?

      Herr Orban ist mit einer überwältigenden Mehrheit in sein Amt gewählt worden.

       

      Gerade hier ist es doch die nationale Regierung die die Bürger vor der Willkür von Brüssel schützt.

  • Ja, richtig bemerkt. Europa rückt nach rechts. Und das auch sehr demonstrativ und medienwirksam. Potentielle Immigranten aus 'kulturfremden' Regionen wie Afrika und Vorderasien sollen dadurch sichtbar abgeschreckt werden. Ist dies die 'Willkommenskultur' von 2016 ff ?

  • "Die CSU gehört im Geiste schon lange zu diesem Klub. Von offen fremdenfeindlichen Parteien, wie Front National, AfD oder FPÖ ganz zu schweigen. In ein paar Jahren könnten diese Parteien an der Macht oder an Regierungen beteiligt sein. Europa rückt nach rechts."

     

    Und mit dem neuerlichen Schwenk Merkels zur nahezu totalen Abschottungspolitik (Stichwort: Deal mit der Türkei) reiht sich die Bundeskanzlerin persönlich unter die Obengenannten ein.

     

    Oder glaubt noch irgendjemand an das Märchen, dass ein an der syrisch-türkischen Grenze mit Waffengewalt abgefangener Flüchtling allein schon deswegen reumütig und zufrieden den Rückweg antritt, weil er aus Deutschland immer noch ein „Wir schaffen das“ vernimmt?

  • Dann muß Monsieur Asselborn demnächst auch Frankreich rauswerfen. Jedesmal wenn ich in F bin, hat sich mal wieder der Ton verschärft gegen Asylanten/Moslems. Dabei nimmt F seit November 2015 (état d'urgence) keinen einzigen mehr auf. Das Le Pen die nächsten Wahlen gewinnt, ist schon ausgemacht, fragt sich nur noch wie hoch. Und Le Pen ist wesentlich krasser drauf als die Ungarn.

    • @el presidente:

      Dann auch rausschmeißen :)