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"Antisemitismus oder Ausländerfeindlichkeit ist nicht der eigentliche Nährboden für Mobbingphänomene in der Schule."
So so. Und weswegen musse ich mich dann an meiner Schule mit Gewalt gegen Nazis verteidigen?
Der Fall erinnert mich auch an die Vorgänge vor einem Jahr an der "Grundschule unter den Kastanien" in Steglitz-Zehlendorf, wo eine Lehrerin mit afrikanischer Herkunft, solange von AfD nahen Eltern und ihren Kindern gemobbt und rassistisch beleidigt wurde bis "die Schulleiter auf die Vorfälle raeagierten" und, die Lehrerin versetzt wurde. Die Eltern haben ihr Ziel erreicht und sich gefreut. Einige von ihnen kann man übrigens auch als Zuschauer bei BVV Sitzungen beobachten wenn sie ihrer AfD zujubeln. Diese werden bestimmt auch mal wieder anhand des Vorfalls an der Friedenauer Schule ihren Pseudoantisemitismus auspacken um islamophob hetzen zu können. Daher erinnere ich gerne noch mal an den Vorfall in der "Grundschule unter den Kastanien" welcher leider nicht so groß in der Öffentlichkeit gelangt ist.
"Man geht [...] allzusehr von der Voraussetzung aus, der
Antisemitismus habe etwas Wesentliches mit den Juden zu tun und könne durch konkrete
Erfahrungen mit Juden bekämpft werden, während der genuine Antisemit vielmehr dadurch
definiert ist, daß er überhaupt keine Erfahrung machen kann, daß er sich nicht ansprechen
läßt. Ist der Antisemitismus primär objektiv-gesellschaftlich begründet, und dann in den
Antisemiten, dann hätten diese wohl, im Sinn des nationalsozialistischen Witzes, die Juden
erfinden müssen, wenn es sie gar nicht gäbe. Soweit man ihn in den Subjekten bekämpfen
will, sollte man nicht zuviel vom Verweis auf Fakten erwarten, die sie vielfach nicht an sich
heranlassen, oder als Ausnahmen neutralisieren. Vielmehr sollte man die Argumentation auf
die Subjekte wenden, zu denen man redet. Ihnen wären die Mechanismen bewußt zu machen,
die in ihnen selbst das Rassevorurteil verursachen. Aufarbeitung der Vergangenheit als
Aufklärung ist wesentlich solche Wendung aufs Subjekt, Verstärkung von dessen
Selbstbewußtsein und damit auch von dessen Selbst."
Quelle: http://aawe.blogsport.de/images/Theodor20W20Adorno2020Was20heisst.pdf
An deutschen Schulen gibt es nicht nur Antisemitismus sondern auch Ausländerfeindlichkeit ganz allgemein. Auch als Pole wird man an deutschen Schulen diskrimniert.
Antisemitismus oder Ausländerfeindlichkeit ist nicht der eigentliche Nährboden für Mobbingphänomene in der Schule. Jedes - auch biodeutsche - Kind kann dort diskriminiert und zum Opfer von Mobbing-Strukturen werden.
Voraussetzung für die Quälerei, der Kinder an Schulen ausgesetzt sind, ist eine Gruppendynamik, die sich dort herausbildet - in Gang gesetzt meistens von wenigen Schülern, die Selbstsicherheit und Dominanz über das Mobbing anderer Schüler gewinnen und/oder stabilisieren.
Erfolgreich wird deren mobbendes Verhalten aber erst durch das unsolidarische Verhalten der übrigen Schüler, die stillhalten oder gar mitmachen, weil sie sich vielleicht (wie Gaffer bei Unglücksfällen) vom Geschehen unterhalten fühlen, oder weil sie vermeiden wollen, selbst in die Schusslinie zu geraten.
Rassismus ist dann nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten des "othering" (um mal dieses neudeutsche Wort zu verwenden): ein Kind als abweichend zu markieren. Das ist die unabdingbare Voraussetzung für eine herabsetzende Ausgrenzung, die bis zur Gewalttätigkeit führen kann.
Wer das nicht will, der muss die Sozialkompetenz der Schüler verbessern. Gelingt das jenseits bloßer Lippenbekenntnisse, dann erledigt sich das Rassismus-Thema von allein und nebenher.
@Marzipan Ich mag das Wort "biodeutsch" nicht. Es gibt keine "biologischen" Deutschen.
Ok, ich verwende das Wort gelegentlich der Kürze und des Distinktionsbedürfnisses wegen - und selbstverständlich im Wissen, dass es keine biologischen Deutschen gibt.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
@Marzipan Wie soll die Sozialkompetenz von Schülern gestärkt werden, wenn sie dauernd mitbekommen, dass die Realität in der sie leben müssen, keinerlei soziale Ansätze mehr besitzt?
Eine berechtigte Frage, wenn die Situtation denn wirklich so düster wäre.
Aber gesetzt, es wäre so, müsste man sich auch fragen, wozu noch "Schule gegen Rassismus", ja wozu dann überhaupt noch Schulunterricht?
Dass die Realität von Schülern wirklich "keinerlei soziale Ansätze mehr besitzt", dürfte aber wohl eher in Einzelfällen so sein.
Wo man aber noch darauf hofft, erfolgreich gegen Rassismus wirken zu können, da kann man sich stattdessen ruhig auch gleich einer Stärkung der allgemeinen Sozialkompetenz widmen.
Ich entsinne mich an keinerlei Rassismus oder Antisemitismus, nicht mal an irgendein Mobbing (außer gegen Lehrer) zu meiner Schulzeit.
Und das lag nicht daran, dass wir kaum muslimische Schüler in der Klasse hatten (in der Grundschule 2 maximal, auf dem Gymnasium natürlich überhaupt keine mehr). Antisemitischen Mist mussten sich viele dennoch zu Hause anhören von ihren Eltern oder Großeltern, die noch einer Generation angehörten, die ein Teil ihrer Bildung zwischen 33 und 45 mitbekommen hatten. Was Oma und Opa wieder über Hans Rosenthal gesagt hatten, erzählte man sich, schüttelte den Kopf oder lachte und freute sich, dass die Ollen mit ihrer Dummheit mal aussterben werden.
ABER:
Niemand von uns musste sich ernsthaft Gedanken darüber machen, wie er nach der Schule mal ein Leben in Arbeit und einigermaßen Wohlstand verbringen wird (dachten wir damals zumindest).
Eine "Schule ohne Rassismus" muss vor allem den Schülern dann erklären, dass es nicht die bösen Juden, Asylbewerber, auch nicht die bösen Amis oder Unternehmer sind, die ihre Zukunftsunsicherheit beschert, sondern dass dies im momentanen System liegt, das selbst, wenn es die Politiker wollten, diese Unsicherheiten maximal abfedern kann.
Ich erinnere ich mich sehr gut an Mobbing, z. B. gegen mich als ziemlich klein geratene arglose Klassenjüngste aus einer ländlichen Zwergschule, die in eine 46-köpfige städtische Gymnasialklasse geriet. Das war eine Art privater Schulversuch der Studiendirektion, die alle "Arbeiter- und Bauernkinder" in diese und alle "Bürgerkinder" in die Parallelklasse sortiert hatte.
Es waren gruselige anderthalb Jahre. Ich war das einzige Kind, das viel las und ein Instrument spielte. Meine Geige wurde versteckt oder an Deckenlampen gehängt, ich wurde beschimpft und in den Klassenschrank oder die Toilette gesperrt. Ich täuschte Krankheiten vor, ließ mich trotz großer Angst am Blinddarm operieren und trank auch mal eine Flasche Schlafsaft leer, in der Hoffnung nicht mehr aufzuwachen, um nur nicht zur Schule zu müssen.
Vor der Rückversetzung an die Hauptschule rettete mich wiederum die Geige, ich kam in die "bürgerliche" Parallelklasse, wo der Klassenlehrer, unterstützt von meinen Mitschülern, das Mobbing fortsetzte, weil ich aus "dem Sauhaufen" der Arbeiter- und Bauernklasse kam. Erst als er meinen bürgerlichen Hintergrund entdeckte, war Ruhe. Es wurden andere Kinder gemobbt, ein korpulentes Mädchen z. B., und ein Junge, der nach einem Suizidversuch die Schule verließ.
Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich strategisch wohlerwogen mitgemobbt habe, um vom Ende der Klassenhierarchie wegzukommen. Ich hatte gelernt, dass man mittreten sollte, um selbst nicht getreten zu werden - ein Wissen, dass mir in meiner ländlichen Zwergschule nicht vermittelt worden war.
Das alles geschah Ende der 60er Jahre und hatte nichts mit Zukunftsunsicherheit zu tun.
Kinder tun so etwas, wenn es sich - im weitesten Sinne - lohnt. Man sollte versuchen, Umgebungen herzustellen, in denen sich das gegenteilige Verhalten lohnt.
@Marzipan Sie haben mir aus der Seele gesprochen, vielen Dank. Noch vor einem Monat fand ein Streitschlichter-Gespräch zwischen zwei Schülern statt: "Der hat zu mir doofer Bulgare gesagt....ich bin Kurde, du blöder Russe." "Hä, ich bin kein Russe, ich bin Pole." Unsere Schüler leben gut miteinander, aber sie wissen eben auch, wie man andere auf die Palme bringen kann. Und wenn es nicht die Nationalitäten sind, weil sie es nicht mehr genau sagen können, dann sind es" Loser, Schwuler, Behinderter,..." Wir leben es ihnen vor! Sie schauen sich unseren Umgang ab, unsere Intoleranz oder eben auch unsere Toleranz!
Was man dagegen tun kann? Auf jeden Fall viel mehr, als gerade getan wird. Dazu ein Zitat aus einem lesenwerten Interview, dass schon vor 11 Jahren geeführt worden ist: "Die Schule kann keine Einzelmaßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus ergreifen. Es muss sich um ein umfassendes Bündel von Maßnahmen handeln, ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Arten von Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit thematisiert." (S. 19 / https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/broschuere_antisemitismus.pdf)
Wie wäre es damit: Wir machen es wir in Thüringen. Dort genießen Flüchtlinge, die von Nazis attackiert werden, einen besonderen Schutz und werden nicht mehr ausgewiesen.
So auch Fall der Berliner Schule: Jeder antisemitische Ausfall wird mit einer hohen Geldstrafe geahndet. Im Zweifel müssen die Eltern zahlen. Das Geld wird anschließend für Siedlungsprojekte im Westjordanland gespendet. (Mit einem öffentlichen Dankschreiben an die edlen Spender.)
Na toll, Unrecht mir Unrecht vergelten. Weil jüdische Kinder in Schulen gemobbt werden, soll man tausenden Kilometer weg weiter gegen Menschrechte verstossen.
Auge um Auge, Zahn um Zahn ah.
Jürgen Klopp sollte auf seinen Job beim Getränkekonzern Red Bull verzichten. Stark koffeinhaltige Energydrinks gefährden viele Kinder und Jugendliche.
Kommentar Antisemitismus an Schulen: Leider keine Ausnahme
Antisemitismus ist tief verwurzelt – und so gibt es trotz aufklärender Programme immer wieder Rückschläge, wie gerade erst an einer Berliner Schule.
Solidaritätsaktionen wie der „Kippa-Spaziergang“ im Jahr 2012 werden wohl noch oft nötig sein Foto: dpa
Alle wissen es, weil sie es selbst erlebt haben, ob als Opfer, Täter oder Zuschauer: Schule kann ein schrecklicher Ort sein, ein Schauplatz der Demütigung, der Brutalität, der Ungerechtigkeit und der Gemeinheit. Ein neueres Wort dafür: Mobbing. Und es gibt wohlmeinende Programme dagegen. Aber was bringen sie?
Der jüngste Fall: Ein jüdischer Jugendlicher wird in einem eher bürgerlichen Berliner Wohnviertel über Monate von Altersgenossen malträtiert. Weil er Jude ist. Die Schule, die sich mit dem Titel „Schule ohne Rassismus“ schmückt, hat durchaus reagiert – auch mit einem Besuch der Großeltern des Opfers, die den Holocaust überlebt haben. Es hat alles nichts gebracht. Nun hat der Jugendliche die Schule verlassen.
Vieles spricht dafür, dass die jungen Täter nur das umgesetzt haben, was sie zu Hause so hören: dass Juden Mörder seien etwa und ähnlich gefährlichen Unsinn. Antisemitismus findet sich immer noch in manchen Familien, viele von ihnen sind muslimisch geprägt. Das zeigen Studien. Was kann man dagegen tun?
Einerseits sehr viel – andererseits ziemlich wenig. Den Antisemitismus sieht die Wissenschaft als ein „Phänomen der langen Dauer“, einen Vorurteilskomplex, der so tief in die abendländische Kultur eingewoben ist, dass ihm nur schwer beizukommen ist – und das gilt auch für einen Teil der nahöstlich-muslimischen Kultur. Es braucht deshalb wohl Jahrzehnte, bis es hierzulande weniger Vorurteile solcher Art gibt, und in der Schule fängt es an.
Jüdische Familien haben keine Zeit, so lange zu warten. Es ist nur logisch und allzu verständlich, dass sie ihre Kinder von einer Schule nehmen, in der diese antisemitisch gemobbt werden. Das deutsche Bildungssystem muss darauf reagieren und den Wahn der Judenfeindschaft intensiver thematisieren. Die Fortschritte werden nur langsam spürbar werden und sicher oft Rückschläge erleben, so wie in Friedenau. Und jede Generation wird fast von vorn beginnen müssen.
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Schwerpunkt Rassismus
Kommentar von
Philipp Gessler
Autor*in
Themen
Aminata Touré: Wir können mehr sein – Die Macht der Vielfalt – taz Talk