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Kommentar Alternative für DeutschlandAn der Grenze

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Intrigen und Rücktritte bei der AfD: Vor dem Parteitag herrschen Richtungskämpfe vor. Abschreiben sollte man die Partei aber nicht.

Bernd Lucke ist das Bindeglied zwischen den Flügeln der AfD Bild: dpa

I ntrigen, Richtungskämpfe, reihenweise Rücktritte: In den vergangenen sechs Wochen hat die Alternative für Deutschland, kurz AfD, selbst für eigene Verhältnisse ein beachtliches Maß an Selbstzerfleischung an den Tag gelegt. Fast jedes Mittel scheint zur Schwächung des parteiinternen Gegners recht.

Mitte Juni, auf dem Bundesparteitag in Kassel, will die Partei neue Vorsitzende wählen. Sie sollen die AfD erst als Doppelspitze führen, ab Dezember soll es dann nur noch einen Chef geben. Diesen Kompromiss hat die Parteispitze nach hartem Macht- und Richtungskampf Anfang des Jahres geschlossen. Doch jetzt tobt die Auseinandersetzung erneut. Und härter als je zuvor.

Der rechte Flügel um den Nationalkonservativen Alexander Gauland aus Brandenburg und die erzkonservative Sächsin Frauke Petry, durch die Erfolge bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr gestärkt, tritt dabei immer selbstbewusster auf. Petry, bislang eine der drei ParteichefInnen, verbreitert stetig ihre Basis über die östlichen Bundesländer hinaus. Derzeit ist sie oft mit NRW-Landeschef Marcus Pretzell zu sehen.

Die wirtschaftsliberalen Konservativen um Bernd Lucke, der die Partei derzeit gemeinsam mit Petry und dem Publizisten Konrad Adam führt, ist geschwächt. Doch wer hofft, dass sich die AfD beim Versuch, Lucke zu stürzen, selbst zerlegt und das neurechte Lager seine parlamentarische Hoffnung verliert, könnte sich zu früh freuen.

Lucke ist die Klammer

Auch wenn viele in der AfD Lucke für zu professoral und bürgerlich halten, seinen Führungsstil als autoritär und sein Politikverständnis als zu CDU-nah kritisieren: Ihn abzusägen, das traut sich der rechte Flügel derzeit noch nicht. Auch die Anhänger Gaulands, Petrys und Pretzells wissen: Auf Hans-Olaf Henkel, den anderen wirtschaftsliberalen Frontmann, kann man zur Not verzichten. Ohne Lucke aber geht es nicht.

Der Wirtschaftsprofessor ist noch immer das Gesicht der AfD, an der Basis hat er viele Fans. Er ist das Bindeglied zu den ehemaligen CDU- und FDP-WählerInnen, die gegen den Euro und zu viele Flüchtlinge, für die traditionelle Familie und mehr innere Sicherheit sind, aber sich vom rechten Rand lieber fernhalten. Ohne diese WählerInnengruppe wird die AfD den Sprung in den Bundestag aber nicht schaffen.

Es geht, zumindest derzeit, nicht um den Sturz Luckes. Es geht darum, ihn zu schwächen. Ihm maximale Zugeständnisse abzutrotzen. Überfremdungsangst, Islamkritik und Hetze gegen Flüchtlinge als zentrale Themen in der Partei zu setzen und populistisch auszuschlachten. Das Profil der AfD weiter nach rechts zu verschieben.

Fragen des politischen Stils

Lucke will die AfD in den Bundestag führen, unbedingt. In den vergangenen Monaten hat er selbst immer wieder nach rechts außen geblinkt. Er hat versucht, Sarrazin für die Partei zu gewinnen, hat von Einwanderern als „sozialem Bodensatz“ gesprochen, auf Facebook postete er: „Die Forderungen von Pegida halte ich für legitim.“

Auch seinen parteiinternen Gegnern gegenüber ist Lucke zu Zugeständnissen bereit. Manchmal – sieht man vom Streit Russlandversteher gegen Transatlantiker ab – scheint es weniger eine inhaltliche Grundsatz- als eine politische Stilfrage zu sein, die Lucke von seinen Widersachern trennt. Eine bestimmte Grenze aber will er nicht überschreiten. Mit Le Pen gegen Europa, mit Pegida gegen Bürgerkriegsflüchtlinge – das geht ihm zu weit. Seine parteiinternen Gegner aber spielen gerne mit dieser Grenze.

Lucke versucht, das Profil der Partei einzuhegen. Eine Mitgliederbefragung zu politischen Leitlinien soll die Partei vom rechten Rand möglichst fernhalten. Lucke will einen Vorentscheid herbeiführen: über seinen Kurs und das Programm, das bis Dezember stehen soll. Gewinnt er, wird er nach einer Übergangszeit wohl alleiniger AfD-Chef werden. Der Bundestag ist trotzdem weit weg: Laut der jüngsten Umfrage liegt die AfD erstmals wieder unter fünf Prozent.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Lucke sieht sich doch selbst nicht als Liberalen. Wirtschaftsliberalismus auf den Hamburger Appell zu reduzieren, wäre da etwas zu kurz. Christdemokrat würde es wohl eher treffen, was den deutschtümelnden Nationalkonservativen und streng religiösen Erzkonservativen zu "soft" ist. Vor der EP-Wahl versprach er seinen Wählern auch, er würde nicht mit Rechtspopulisten zusammenarbeiten, aber sprang nach wenigen Tagen mit eben solchen Parteien (u.a. Dänische Volkspartei und Wahre Finnen) in ein Boot. Der Hauptunterschied zwischen seinem Flügel und dem um Petry und Gauland dürfte vor allem jener sein, dass Lucke durchaus Interesse an einer politischen Mitgestaltung bzw. Macht hat und daher -- ganz pragmatisch -- manch Wahlversprechen nicht so genaunimmt. Gauland und Konsorten wollen Politik um jeden Preis meiden und lieber mit schrillen Parolen regelmäßig unzufriedene Wähler gewinnen, um ihre Posten zu behalten und bloß keine Fehler zu machen. Daher bekommt man auch zu keinem politischen Thema eine konkrete Position, pardon, Alternative. Was ist denn die Alternative bei Kernthemen wie dem Euro? D-Mark? Nord-Euro? Griechen-Rauswurf? Euro-Reform? Oder bei der Einwanderung: Kanadisches System auf Bundes- oder EU-Ebene? Mit kulturellen, religiösen und ethnischen Komponenten? Aus Schengen raus? Da kommt aus guten Gründen nichts außer Andeutungen, um viele Wähler anzulocken und möglichst wenige zu verprellen.

    • @Verkehrsfritze:

      Lucke ist doch ein Heuchler, da geb ich Ihnen Recht: Vor der Wahl A sagen, dann nach der Wahl B machen kennt man sonst nur von den Sozialdemokraten. Was mich immer wieder erstaunt ist, warum er sich nicht zu seinen eigenen Programminhalten, die in der Fraktion EFD, mit der Ukip z.B., umsetzbar gewesen wären, zusammengegangen ist. Wäre viel besser gewesen als Hinterbänkler einer nichts sagenden Fraktion. Was wiederum sehr vielsagend ist: Es ging nur um eigene Macht und eigene Pfründe, nichts weiter. Alternative für Lucke - weil er in der CDU nicht hoch genug kam. Alternative für Deutschland? Keinesfalls.

       

      Und auch das Ende Ihres Beitrags, mit dem ich übereinstimme, spricht dafür:

      "Da kommt aus guten Gründen nichts außer Andeutungen, um viele Wähler anzulocken und möglichst wenige zu verprellen." Und täglich grüßt das Murmeltier...(...das Wahlen in der "Mitte" gewonnen werden - genauso alt wie falsch)