Kommentar AfD-Sprachregelungen: Aggressive Form der Schuldabwehr

Die AfD will Menschenfeindlichkeit verschleiern, nicht ablegen. Vorbild für dieses Versteckspiel sind die Pu­blizist*innen der Neuen Rechten.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln.

Hier zu landen, will die AfD unbedingt vermeiden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln Foto: dpa

Auf ihre Sprache achten sollen die Mitglieder der AfD in Niedersachsen und Hamburg. Sie sollen nicht mehr „Farbige sind Tiere“ sagen oder von einem „rettenden Führerstaat“ fabulieren. Die Partei will damit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen, fürchtet Schaden und Mitgliederschwund – etwa unter verbeamteten PolizistInnen und LehrerInnen. Das Manöver ist durchschaubar und wäre komisch, wüsste man nicht: Die AfD will Menschenfeindlichkeit verschleiern, nicht ablegen.

Vorbild für dieses Versteckspiel sind die Pu­blizist*innen der Neuen Rechten, die es verstehen, ihre Barbarei hinter intellektuellen Phrasen zu verbergen. Sie beziehen sich auf den italienischen Faschismus statt auf den deutschen Nationalsozialismus, weil sich das nicht ziemt.

Angelegt ist diese Ideologie bereits bei den Vordenkern der Neuen Rechten, wie unter anderem der Historiker Volker Weiß darlegt. Etwa bei Armin Mohler, der die Tradition einer „konservativen Revolution“ jenseits nationalsozialistischer Verstrickungen erfand. Denn nur durch ein Ausklammern der deutschen Schuld an der Shoah ist ein ungebrochener Bezug auf Deutschland denkbar. Nur, wer den Zivilisationsbruch, der in Auschwitz geschah, ignoriert, kann nationalistisch und stolz auf Deutschland sein. Die AfD gibt sich damit alle Mühe, wenn der Hetzer Höcke mit der Erinnerungskultur bricht oder Gauland den Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte bezeichnet.

Mit dieser aggressiven Form der Schuldabwehr aber liegt die AfD im Trend deutscher Vergangenheitsbewältigung, die zu einer -entledigung tendiert. Seit der Wende bekam das neue nationale Selbstbewusstsein neuen Schub. Die deutsche Fahne wandelte sich spätestens seit der WM 2006 zu einem Symbol ungenierten Stolzes.

Dass es inhaltlich als öbszöner Nationalismus und Nähe zur AfD verstanden wird, wenn Polizist­Innen den Abschied ihrer KollegInnen mit übergroßer Deutschlandfahne feiern, ist daher völlig richtig. Dass sie es selbst gar nicht mehr merken, Ausdruck des Zeitgeists.

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stellv. Leiter des Ressorts Reportage & Recherche. /// Recherche-Schwerpunkte: rechte Szene und deren Terror, Desinformation, IT-Sicherheit, Antisemitismus, Flüchtlingspolitik und Rassismus gegen Roma in Südosteuropa. /// Zuvor: Produktentwickler der taz im Netz, Chef vom Dienst der taz nord in Hamburg, Redakteur und Volontär der taz in Bremen. /// Seit 2011 Journalist bei der taz, mehrere Jahre zudem auch beim NDR. /// Soziologe und Kulturwissenschaftler, Studium in Bremen und Melbourne, Forschungsaufenthalt in Phnom Penh /// Im März 2020 erschien: "Rechte Egoshooter. Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat" im Ch. Links Verlag Berlin, herausgegeben mit Andreas Speit. /// Kontakt über Threema: UWSDA226 /// PGP-Fingerprint: 3045 4A0E 6B81 226A A64E 0790 36BF 9C3A 6EC6 5D1F und PGP-Key https://keys.openpgp.org/search?q=baeck%40taz.de

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