Kommentar AfD Sachsen: Selbstverschuldet in die Opferrolle
Die AfD Sachsen will ihren eigenen Fehler als gegen sie gerichtete Verschwörung verkaufen. Plötzlich erscheint sie bei der Wahl wieder schlagbar.
D ie AfD Sachsen hätte mit ein wenig Grips die Nichtanerkennung ihrer zweiten Landesliste mit Platz 19 bis 61 durch den Landeswahlausschuss vermeiden können. Zum einen hätte sie ihr pseudodemokratisches Wahlverfahren, bei dem jeder gegen jeden um jeden Listenplatz kämpfen kann, straffen können. Dann hätte man nicht zwei Parteitage mit je zweieinhalb Sitzungstagen für die Aufstellung von 61 Listenplätzen gebraucht. Weil die zweite Liste unter anderen Wahlbedingungen und bei anderer Tagungsleitung zustande kam, wurde sie nicht zugelassen.
Einfach nur lernen aus einer vergleichbaren Situation vor der Landtagswahl 2014, als dieser Formfehler vermieden wurde! Die vor Arroganz strotzenden Retter Sachsens und der Nation hätten nur auf ein Mängelschreiben reagieren müssen, mit dem sie Landeswahlleiterin Carolin Schreck Mitte Juni auf das drohende Zulassungsproblem hingewiesen hatte.
Sollten sich aktuelle Umfragen zur Landtagswahl am 1. September bestätigen, könnte die AfD etwa mit einem Viertel der 120 Dresdner Landtagssitze rechnen. Um diese auch zu besetzen, müsste sie zusätzlich zur nunmehr auf 18 Plätze limitierten Landesliste mindestens 12 der 60 Direktmandate erringen. Diese Situation verschärft den Wahlkampf in Sachsen.
Die ersten Reaktionen der nicht gerade strahlenden AfD-Landesspitze zeigen, dass sie nun erst recht in die Rolle der Märtyrerin schlüpfen will. Sie setzt mit der angekündigten Erststimmenkampagne auf Mitleid mit den angeblich ausgegrenzten Opfern eines „Komplotts“. Von bestehenden Regeln und Gesetzen, die ihrer Machtergreifungsstrategie entgegenstehen, hält die so genannte Alternative ohnehin nichts. Also hofft man auf eine leichtere Mobilisierung der Motzki-Wähler im Mutterland der schlechten Laune gegen das verschworene „System“.
Andererseits aber verliert die drohende, alles überrennende AfD-Walze etwas von ihrer paralysierenden Wirkung auf die „Altparteien“. Die Nationalreaktionäre erscheinen plötzlich wieder schlagbar, zumindest mit Wahlkreisbündnissen gegen die AfD-Direktkandidaten. Das würde sowohl der CDU als auch ihren bisherigen Konkurrenten Verzichtsleistungen und die Unterstützung aussichtsreicher Kandidaten anderer Parteien abverlangen. Die Kehrseite: Eine „Alle gegen die AfD“-Strategie könnte dieser wiederum Stimmen bringen.
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