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Kommentar Abkommen über IdlibEin Tyrann hilft dem anderen

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Russland und Syrien brannten darauf, die Rebellenstadt Idlib zurückzuerobern. Nun verhalf die Türkei Moskau dazu, das Gesicht zu wahren.

Präsident Recep Erdoğan und Kremlchef Wladimir Putin am Montag beim Treffen in Sotschi Foto: reuters

D er Sturm auf Idlib, die letzte Rebellenhochburg in Syrien, ist erst einmal verhindert, zumindest aufgeschoben worden. Das gab Moskaus Verteidigungsminister Sergei Schoigu noch am Rande des Treffens zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan und Kremlchef Wladimir Putin in Sotschi zu Protokoll. Bleibt es dabei? Nicht zuletzt hängt das von Baschar Assad ab und ob Moskau ihn zügeln will oder kann.

Eigentlich brannten beide, Damaskus und Moskau, auf die Entscheidungsschlacht. Nun sieht es gar so aus, als sei Erdoğan als Sieger aus dem Ringen hervorgegangen.

Moskau hat das Für und Wider einer nicht militärischen Initiative anscheinend noch einmal durchdekliniert und ist zu einem ungewöhnlichen Ergebnis gekommen. Langfristig möchte der Kreml das Nato-Mitglied Türkei dem Bündnis entfremden und Ankaras Beziehungen zum Westen weiter eintrüben. Mit der Türkei und China als engeren Partnern stünde der Kreml international nicht mehr so isoliert da.

Hätte Moskau stattdessen mit dem Bombardement Idlib wie Aleppo vom Erdboden getilgt, wären dies nicht nur schreckliche Bilder gewesen. Anhaltende Flüchtlingsströme in die Türkei würden belegen, wie Russlands Friedensaufbau tatsächlich aussieht. Es wäre ein Widerspruch zur russischen Propaganda gewesen, die unermüdlich vorgibt, bald könnten alle Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Keine Offensive in Idlib heißt: auch keine weiteren Verluste für russische Militärs. Zinksärge hätten der Zustimmung für Putin keinen neuen Auftrieb verliehen. Außerdem versucht Moskau seit Längerem, im Westen Gelder für den Wiederaufbau Syriens zu erhalten. Selbst hat der Kreml nichts mehr und wäre auch nicht bereit, viel zu geben. Idlibs Ruinenhaufen wären kein Anreiz für großzügige Unterstützung. Ohnehin ist umstritten, ob einer zerstörenden Macht Aufbauhilfe zusteht.

Kurzum, der Tyrann aus Ankara verhalf dem aus Moskau dazu, das Gesicht zu wahren.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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10 Kommentare

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  • Anti-Assad-Rebellen feiern 9/11

    Man sollte bei Berichten zu diesem Thema beiläufig erwähnen, wes Geistes Kind die Anti-Assad-Rebellen in Idlib sind. Selbst in Washington pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß es sich dabei zumeist um Internationale Islamistenbrigaden handelt, Fleisch vom Fleische Al Kaidas, die schon mal in Idlib den 9/11-Jahrestag feierten.



    „Die Rebellen in Idlib sind vor allem salafistische Dschihadisten, ideologische Seelenverwandte von Al Qaeda, wenn nicht nunmehr Franchiseunternehmen. Nach dem freien Abzug nach Idlib aus anderen Rebellen-Nestern nach Kapitulation und lokalen Deals sind die verbliebenen syrischen Aufstandsgruppen mit ausländischen Kämpfern und Fanatikern angefüllt, die wohl kaum zur Versöhnung mit dem Assad-Regime geneigt sind. Bis zu zehntausend Kämpfer in Idlib haben Verbindungen zu Al Qaeda. Wie es scheint, nahmen sich letzte Woche einige der Verteidiger von Idlibs Zeit, den Jahrestag des 11. September zu feiern.“ („The rebels in Idlib are primarily Salafist jihadists, ideological soulmates of Al Qaeda, if not actual franchisees. Transferred to Idlib after surrenders and local deals in other rebel pockets, the remaining Syrian insurgent groups are filled with foreign fighters and zealots who are unlikely to be reconciled to Assad’s regime. Up to ten thousand fighters in Idlib have links to Al Qaeda. Some of Idlib’s defenders probably took a few moments last week to celebrate the anniversary of 9/11“. „The National Interest“, 17.9.2018)

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  • "Kurzum, der Tyrann aus Ankara verhalf dem aus Moskau dazu, das Gesicht zu wahren."

    Das Zitat könnt man auch bringen wenn Deutschand Panzer an Saudi Arabien verkauft. Warum diese tendenziöse Berichterstattung, die der Regierungspropaganda gleicht. Wo bleibt linke Staatskritik?

    • @TobiasK:

      Waffenlieferungen an Saudi-Arabien werden doch, gerade hier in der taz, kritisiert. Aber in dem Artikel geht es halt nicht um Waffenlieferungen an Saudi-Arabien.

      Was erwarten Sie denn? Bei jedem Artikel ein "Ceterum censeo praebitionem armorum esse condemndam."?

      • 9G
        99663 (Profil gelöscht)
        @sart:

        was machen denn nun assads truppen (oder etwa doch die "rebellen"?) mit den womöglich schon wieder vorbereiteten giftgaskartuschen? es würde mich nicht wundern, wenn es trotz der zunächst wohl ausbleibenden offensive zu vorfällen käme, die dann wieder breite interpretationsspielräume hinterlassen würden. hoffentlich habe ich unrecht, und es bleibt einfach erstmal friedlich.

      • 9G
        99663 (Profil gelöscht)
        @sart:

        wäre jedenfalls mal ein anfang.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Kurzum, der Tyrann aus Ankara verhalf dem aus Moskau dazu, das Gesicht zu wahren."

    Das mag zutreffen, trotzdem sollten wir alle froh sein, dass sich die beiden einigen konnten. Es geht um das Leben von drei Millionen Menschen. Da ist es mir ehrlich gesagt egal, welche Clowns das Massaker verhindern, hauptsache sie verhindern es.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Man munkelt ja, dass unter den Rebellen in Idlib diverse islamistisch radikale Gruppierungen zu finden sind, also ähnlich den Gruppen die zusammen mit der türkischen Armee die Region um die Stadt Afrin und Afrin selbst erobert haben. Darunter nicht wenige Gruppen, die dem IS nahe stehen. Das dürfte das Interesse der Türkei an der "Pufferzone" erklären.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Man munkelt ja, dass unter den Rebellen in Idlib diverse islamistisch radikale Gruppierungen zu finden sind, also ähnlich den Gruppen die zusammen mit der türkischen Armee die Region um die Stadt Afrin und Afrin selbst erobert haben. Darunter nicht wenige Gruppen, die dem IS nahe stehen. Das dürfte das Interesse der Türkei an der "Pufferzone" erklären.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Allerdings wären Putins Propagandisten durchaus in der Lage gewesen, das zum Glück abgewendete Massaker in einen glorreichen Sieg und eine glänzende Befreiungstat umzubiegen.



      BTW: In einem ZDF-„heute“-Interview, ca. Weihnachten 2016, lobte ein hoher russischer Militär die Hilfe seines Landes bei der Befreiung Aleppos in den höchsten Tönen. Auf die durch u. a. russische Bomben verursachte Zerstörung ganzer Stadtteile angesprochen, stritt er dies rundweg ab: Nur Terroristen seien bombardiert worden! Und ob es dabei keine „Kollateralschäden“ unter der Zivilbevölkerung gab? „ Völlig unmöglich! Sowas tun doch nur die Amerikaner. Nicht mal dieses Wort gibt es in der russischen Sprache!“ Sprach’s und verschwand.