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Kommentar AbgeordnetenbezügeFette Diäten fürs Gemeinwohl

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das Gesetz gegen Parlamentarierbestechung wird angepasst, die Abgeordnetendiäten steigen um 10 Prozent. Beides ist sinnvoll, aber nicht genug.

1a griechische Euro-Noten. Bild: dpa

D ie Bundestagsabgeordneten sorgen mal wieder dafür, dass sie mehr verdienen. Gut 9.000 Euro im Monat, also zehn Prozent mehr werden sich Union und SPD genehmigen. Ist das Grund zur Aufregung? Keineswegs. Fast jedes Mal, wenn die Volksvertreter ihre Diäten erhöhen, sorgt das für Empörungswellen.

Die speisen sich aber aus trüben populistischen Quellen. Dass die da oben machen, was sie wollen und sich nach Belieben aus der Staatskasse bedienen – das ist die hilflose, zum Ressentiment geronnene Sicht von Untertanen auf ihre Obrigkeit.

Als Staatsbürger und Teil des Souveräns sollten wir besser fragen: Wie viel Geld brauchen unsere Volksvertreter, um ihren Job gut zu machen? Welches Verfahren ist klug, um festzulegen, was genug, was zu viel ist?

Die neue Regelung ist ein Fortschritt: Ab 2016 soll das Einkommen der Volksvertreter automatisch den Löhnen folgen. Das ist in doppelter Hinsicht gut. Denn dies beendet die missliche Situation, dass die Parlamentarier selbst über ihr Einkommen befinden. Das war die ideale Projektionsfläche für Volkszorninszenierung. Hübsch ist die Idee, dass die Parlamentarier nur mehr bekommen, wenn die Bruttolöhne steigen. Dies könnte ein Anreizsystem sein, um die Begeisterung des Bundestags für Lohnverzicht zu dämpfen.

Kurzum: Wir sollten uns unabhängige Abgeordnete etwas kosten lassen. Dafür allerdings können wir auch etwas verlangen: dass sie sich nur ums Gemeinwohl sorgen, nicht um Lobbyisten. Es ist gut (wenn auch zehn Jahre zu spät), dass das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung endlich internationalen Standards angepasst wird.

Was fehlt, ist, dass die Parlamentarier auf Euro und Cent ihre Nebenjobs offenlegen. Und – noch wichtiger – ein verbindliches Lobbyregister, damit klar ist, wer in Berlin wessen Interessen vertritt. Gute Diäten gegen mehr Kontrolle – das wäre ein fairer Deal.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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26 Kommentare

 / 
  • A
    Andreas

    Das ist ja alles gut und recht aber Leider beginnt der Herr Reinecke seinen Artikel mit der herablassenden Qualifizierung berechtigter Kritik als "zum Ressentiment geronnene Sicht von Untertanen auf ihre Obrigkeit". Die so bezeichnete Kritik antwortet aber doch eben auf die Frage, die Herr Reinecke beantwortet will:

    Wie viel Geld brauchen unsere Volksvertreter, um ihren Job gut zu machen?

    Eben keine 9000 Euros/Monat.

    Berufsbedingte (also für das gute Ausführen seiner Funktion nötige) Ausgaben heißen Spesen. Wie viel bekommen die Parlamentarier davon pauschal? Wieviel müssen sie von ihren Ausgaben belegen?

    Und auf seine Frage "Welches Verfahren ist klug, um festzulegen, was genug, was zu viel ist?" antwortet weder der Autor noch die neue Regelung. Nur zu sagen, daß die Diäten automatisch erhöht werden wenn die Bruttolöhne steigen ist eben nicht so "hübsch" wenn ein Parlamentarier schon dreieinhalb mal den Durchschnittslohn verdient. Das ist wohl mehr als was ich als eine "gute" Diät beschreiben würde. Und so eine Regelung ist noch weniger ausreichend, wenn man bedenkt daß die Parlamentarier ihre sonstigen Einkommen nicht mal offenlegen müssen.

    Also ist die neue Regelung KEIN Fortschritt. Ein Fortschritt wäre es gewesen wenn VOR einer Diätenerhöhung endlich die anderen Fragen beantwortet worden wären.

  • F
    Frost

    Jetzt weiß ich auch,warum die SPD die große Koaltion eingegangen ist. Mit nur 20% Opposition kann man ohne Hürden eine Diätenerhöhung von unverschämten 10% durchsetzen. Die SPD ist auch ohne Schröder,so asozial wie ehedem. Jetzt prüft der Bundesrechnungshof den Rentenplan von Andrea Nahles. Hat er nichts besseres zu tun? Sollte er doch mal seine Renteneinkünfte prüfen.

  • "Wie viel Geld brauchen unsere Volksvertreter, um ihren Job gut zu machen?" - Diese Frage kann und sollte man durchaus auch andersherum stellen, Herr Reinecke, gerade auch, wenn man sich vorzugsweise mit der Linkspartei befasst. Ab wieviel Geld kann ein Abgeordneter überhaupt noch Empathie für die Klientel, die er ja angeblich vertreten soll (einfache Angestellte, prekär Beschäftigte und Harz IV-Opfer) aufbringen und deren Lebenssituation nachvollziehen? Inwiefern ist es noch zu rechtfertigen, daß bei intellektuell oft recht dürftigen Leistungen ein Vielfaches des Gehalts von Normalbürgern bezogen wird? Ist ethisches Handeln erst jenseits einer bestimmten Einkommensgrenze voraussetzbar,wird dies also von Anfang an in gewissem Sinne als käuflich gedacht oder ist es einkommensunabhängiges Merkmal von persönlichem Charakter und politischer Haltung? Was ist, wenn einem der eigene Amtserhalt letztendlich mehr wert wird als konsequente und damit tendentiell auch mal unliebsame politische Entscheidungen?

  • A
    Arne

    "Kurzum: Wir sollten uns unabhängige Abgeordnete etwas kosten lassen."

     

    Gute Idee. Die Abgeordnetenversorgung wird sofort nicht mehr über die Steuern finanziert, sondern ausschließlich über eine Stiftung, in der jeder Bundesbürger das einzahlen kann, was ihm die Abgeordneten wert sind. Natürlich anonym. Und da es ja anstelle von Steuern ist, sind diese Einzahlungen keine Spenden und somit nicht absetzungsfähig.

     

    Der Abgeordnete muss dann nur noch seine sämtlichen Kontoauszüge öffentlich zugänglich machen, wie jeder HartzIV-Bezieher (der ja auch nur vom Staat leben will angeblich) und die Sache wäre geritzt.

     

    Btw: Es gibt keinerlei Vorschriften, dass das nicht jeder Abgeordnete machen könnte. Wir wählen nur immer wieder wie die letzten Idioten nur solche Typen, die das nicht machen. Das ist Deutschland.

    In den Niederlande gibt es mit der SP eine Partei, die 50-75% der Bezüge von Parlamentariern einzieht. Ohne Diskussionen.

  • F
    frost

    Diätenerhöhung schon-,aber nicht für Abgeordnete mit Nebeneinkünften.

  • Die richtige Frage wäre nicht, wie viel Geld Politiker brauchen, um ihren Job zu machen (davon haben sie genug - warum sollten Parlamentarier viel besser leben als Normalbürger), sondern, wie ihr Arbeitstag organisiert sein muss, damit sie gut arbeiten können.

     

    Wenn man sich die Wochenarbeitszeit anschaut, tun sich Abgründe auf. Warum sollten Politiker mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, wenn das für normale Beschäftigte auch nicht sinnvoll ist? Arbeitszeitbegrenzung statt mehr Geld - dann hätten sie auch mal wieder Zeit, normale Leute zu sehen.

  • K
    Kimme

    Erst einmal werden die Diäten, sowei ich das verstanden habe, an die Löhne von Richtern gebunden. Also von Beamten, bei denen der Lohn alle paar Jahre automatisch steigt. Vielleicht sollte man mal überlegen, ob die Politikerlöhne nicht eher an die Lohnerhöhungen bei der IG-Metal oder Verdi gebunden werden sollen.

    Ein weiterer Vorschlag wäre, die Auszahlung der Diäten prozentual an die Anwesenheit im Bundestag zu koppeln und eine komplette Offenlegung der Nebeneinkünfte einzuführen.

    • 7G
      774 (Profil gelöscht)
      @Kimme:

      Ich würde vorschlagen, die Diäten an die Entwicklung der Leiharbeitslöhne zu knüpfen.

  • MM
    Markus Meister

    Ich weiß nicht, was man gegen die Moral und Gier dieser Volksvertreter noch machen kann? Das diese kackdreiste Art sich die Gehälter zu erhöhen ein Hauptgrund für Politikverdrossenheit ist und diese Demokraten dazu beitragen mit ihrem Verhalten die Populisten an den Rändern zu stärken, scheinen oder wollen sie nicht merken. Der Mindestlohn kann warten, dass was als erstes und schnell beschlossen wird sind Diätenerhöhung und neue Posten in der Bundestagsverwaltung und in Ministerien. Rechtspopulisten hätten europaweit null Chancen, wenn die Bevölkerung das Gefühl hätte, dass die etablierten Parteien ehrlich und vernünftig für das Volk arbeiten. Sie arbeiten aber für Großkonzerne, Banken und nicht zuletzt für sich selbst und das ist eine große Gefahr für unsere Demokratie.

     

    Um unabhängig arbeiten zu können, sollen Politiker gut bezahlt werden. Wenn aber jeder von rund 600 Abgeordneten 9.000 € erhält, ist das mehr als genug und dann kann man ein paar Jahre einfach aussetzen mit der Erhöhung. Wenn man 2.500 € im Monat für eine verantwortungsvolle Arbeit als Angestellter mit Studiumabschluss zur Verfügung hat, versteht man diese Dreistigkeit nicht mehr!

  • Die "trübe populistische Quelle", aus der sich der Unmut speist, ist einfach, dass niemand alle paar Jahre 10% Gehaltserhöhung bekommt. Falsch: nicht bekommt, sondern sich selbst einfach genehmigt.

     

    Ich hätte gedacht, dass die Gehälter gerade bei der taz nicht so aussehen, dass man zweifelt, jemand mit so vielen Sondervergünstigungen neben seiner Diät, könne mit kargen 9000€ nicht auskommen. Scharf auf den Posten eines Regierungssprechers, so etwas zu verbreiten?

  • H
    Hans

    Ja, wir sollten uns unsere gewählten Volksvertreter etwas kosten lassen, aber sie sollten dann auch keine Nebeneinkünfte mehr brauchen und haben dürfen, weswegen die Diskussion durchaus gerechtfertigt ist. Wenn man Korruption vorbeugen will, ist es gut, dass die potentiell zu korrumpierenden Stellen so viel verdienen, dass schon sehr viel Gier notwendig ist, um anfällig dafür zu sein. Gleichsam wissen wir auch, dass so mancher Volksvertreter die menschliche Tugend der Gier inne hat.

  • NI
    Nahles ist mein Vorbild

    Hallo, ihr Neidhammel. Andrea Nahles und Co. haben ihr ganzes Leben lang hart dafür gearbeitet! Auch 30.000 Euro/Monat wären da nicht genug. Am Ende der Legislaturperiode werden wir uns diesem Wert zum Glück annähern. Wusstest ihr, dass pensionierte Politiker 70% Beihilfe (= Steuerzahlerknete) bekommen und nur noch 30% Krankenkassenbeiträge zahlen müssen? Die haben es echt schwer.

    • @Nahles ist mein Vorbild:

      "..Wusstest ihr, dass pensionierte Politiker 70% Beihilfe (= Steuerzahlerknete) bekommen und nur noch 30% Krankenkassenbeiträge zahlen müssen? Die haben es echt schwer..."

      Und wie ist es bei Beamten?

       

      Das System "Private Krankenversicherung (PKV)" existiert nur durch Politiker und Beamte, wird als "vom Staat" finanziert.

  • R
    rainerh@gmx.de

    Es ist eine beliebte, plausible, aber m.W. empirisch nicht belegte These, daß relativ hohe Abgeordnetenbezüge vor Korruption schützen. Aus der kursorischen Erinnerung heraus scheint es mir eher umgekehrt, daß die Gier wächst, je weiter man sich nach oben von einem Einkommen wegbewegt, das man noch sinnvoll ausgeben kann.

  • B
    Blechstein

    Genug Geld um Korruption vorzubeugen - ein guter Witz -

    Geld hat man nie genug.

  • Beim unteren Drittel steigt nur die Repression und die Verzweiflung mit der Staatsverschuldung.

    Im Bundestag und bei den Banken steigen immer dann die Bezüge.

    Da gibt's aber natürlich keinen Zusammenhang, denn was sollen die Abgeordneten schliesslich noch mit dem unteren Drittel zu tun haben - oder? Herr Reinecke orientiert sich vorsichtshalber auch schon mal nach oben. Life is a bitch!

  • EM
    ein Mensch

    Ich frage mich, ob so hohe Diäten unsere Abgeordneten nicht anfälliger für Bestechung machen. Wie schnell gewöhnt man sich daran, viel Geld zur Verfügung zu haben und wie lange braucht es, sich das wieder abzugewöhnen?

    Kein Wunder, wenn die hinterher alle Beraterjobs in der Industrie annehmen ...

     

    In jedem erhöht es den Abstand der Abgeordneten zum größten Teil der Bevölkerung.

     

    Ich fänd' ja sinnvoller, die würden das Gehalt eines Lehrers bekommen plus 5-6 Angestellte. Und nach ihrem Ausscheiden ein bedingungsloses Mindesteinkommen von ca. 2000,-/Monat über zehn Jahre. Vielleicht wären sie dann weniger korrumpierbar und mit ihren Entscheidungen näher an den Menschen dran.

    • @ein Mensch:

      Das ist der Beste Kommentar, den ich hier bisher gelesen habe.

       

      Ich wünschte, das hätte im Artikel gestanden.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ach ja, die Nebenjobs! Beinahe hätte ich vergessen, warum sich die Abgeordneten in Wahrheit ins Parlament wählen lassen. Die kleinen Nebeneinkünfte duchr die Lobbyisten dürften die Diäten deutlich übersteigen.

     

    Nach der Legislaturperiode winken dann auch noch lukrative Jobs in der freien Wirtschaft. Die Pflege dieses Lobbynetzwerkes kostet natürlich auch ein wenig Geld. Also ist die Diätenerhöhung durchaus gerechtfertigt, aus der Sicht der Absahner.

  • E
    emil

    die argumentation der lobbyismusverhinderung finde ich recht schwach.

    geld wird immer weiter akkumuliert, das kennt keine deckelung. ob 9000 oder 90000. betrachten sie mal menschen, die über hohe summen verfügen. die haltung jetzt habe ich mal genug werden sie dort nicht finden. das geld muss arbeiten um sich zu akkumulieren.

  • EA
    einbildung, anmassung, inkompetenz

    Abgeordnete vergleichen sich mit obersten Richtern...

     

    Ja haben denn die überhaupt eine Mindestqualifikation?

     

    Müssen die eine Prüfung ablegen, für eine parlamentarische Zulassung?

     

    Ganz schön eingebildet nenne ich das.

  • U
    unverständlich

    Was heißt hier Nebenjobs offenlegen? Untersagt gehören sich die!

    In welcher Firma, bitteschön, kann ich mir einen Nebenjob erlauben, der mehr Zeit in Anspruch nimmt als der, für den ich Vollzeit bezahlt werde?

     

    Wo kann ich mir einen Nebenjob erlauben, der Missbrauch und direkte Konkurrenz unterstützt?

    • @unverständlich:

      Guter Punkt. Jeder Nebenjob ist bei einem Politiker ein Interessenskonflikt.

  • Ich würde mir auch gerne mal so 10% Lohnzuwachs gönnen.

    Habe seit über 10Jahren gerade mal 0,50€ mehr pro Stunde

    und muß alles selber zahlen - wie Miete, Versicherungen,

    Heizkosten, Benzin, u.s.w..

    Im Urlaub war ich auch schon lange nicht mehr.

    Kann ich mir nicht leisten.Bin froh wenn ich am Monatsende

    gerade so hin komme.Und was das Sparen anbelangt ist da nix drin

    Auch nix für Riester oder so. Also nen Nebenjob kann ich zeitlich auch nicht machen.

     

    "dass sie sich nur ums Gemeinwohl sorgen, nicht um Lobbyisten." -- Lach der is gut!!

     

    "Was fehlt, ist, dass die Parlamentarier auf Euro und Cent ihre Nebenjobs offenlegen. Und – noch wichtiger – ein verbindliches Lobbyregister, damit klar ist, wer in Berlin wessen Interessen vertritt." -- Und ich bin der Weihnachtsmann

    • G
      gast
      @Flohkop:

      das mit dem Nebenjob wird schon, wo ein wille da auch ein weg

  • G
    gast

    Während die westdeutschen Rentner sich glücklich zu schätzen haben, von der Rente überleben zu müssen die ihnen der scheinheilige Staat zugesteht und dann auch nur die lächerlichen 0,25 % Rentenerhöhung bekommen ( im Osten für Merkels Landsleute über 3 % mehr) schieben sich die Politiker die nichts in den Rententopf zahlen 10 % mehr an Diäten ein.

     

    Schamgrenze haben die keine, Anstand noch weniger.