Kommentar Abgasskandal bei VW: Der Betrug war Strategie
VW hat Shareholder und Stakeholder verarscht. Das war möglich, weil Landes- und Bundesregierungen den Konzern gehätschelt haben.
N atürlich war Martin Winterkorn nicht mehr der richtige Mann an der Spitze, sein Rücktritt am späten Mittwochnachmittag notwendig. Nur ohne ihn kann sich Volkswagen jetzt als demokratisches Unternehmen neu definieren. Nur mit neuem Personal besteht die Chance, dass nun Gesetze geachtet werden. Das Abgas-Gate zeigt ja, dass die patriarchalen Strukturen im VW-Konzern bislang ein vordemokratisches Denken befördert haben.
Winterkorn, seine Mitstreiter in Vorstand und Management haben sich über die Gesetze zum Umwelt- und Klimaschutz gestellt. In dieser Denke sind Stickoxide und Feinstaub etwas für Weicheier, Klimaschutz eine Kann-Bestimmung, die Erderwärmung eine These und der Umweltschutz die Spinneritis von Gutmenschen.
VW verletzt mit der betrügerischen Manipulation der Motoren in elf Millionen Dieselautos auch alle guten Regeln des unternehmerischen Umgangs mit Zulieferern, Händlern, Kunden und Aktionären. Auf gut Deutsch: VW hat Shareholder und Stakeholder verarscht. Diese Mentalität war möglich, weil Landes- und Bundesregierungen VW gehätschelt haben.
Ob SPD-Mann Gerd Schröder oder Kanzlerin Angela Merkel – alle Politiker haben ihre Hand über die deutsche Autoindustrie gehalten. Sie haben die EU-Grenzwerte für den CO2-Ausstoß verwässert und die Einführung klimafreundlicher Kühlmittel verschleppt, damit die Konzerne weiterhin Limousinen und SUVs bauen können. Ansinnen für ein klimapolitisch gebotenes Tempolimit blocken SPD und CDU/CSU ab, damit Deutschland Teststrecke für diese Autos bleibt.
Der Betrug war bei VW ein Teil der Strategie, die sich hinter dem Slogan „VW – Das Auto“ verbirgt. Der Konzern hat damit die Maschine vereinnahmt, die wie kein anderes technisches Gerät die Menschheit prägt. Jetzt ist es an der Zeit zu zeigen, dass die dahinter liegende Story auch für das 21. Jahrhundert taugt. Volkswagen muss zeigen, wie Das Auto sich im Klimawandel bewährt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett