Kometenlandung der Rosetta-Mission: „Verhalten überglücklich“

Lange war unklar, ob die Landung des Forschungsroboters Philae auf dem Kometen Tschuri geglückt ist. Der Hype um die Mission war groß – aber kurz.

Esa-Mitarbeiter Matt Taylor meint es ernst: Er hat sich Rosetta und Philae stechen lassen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Rosetta-Mission ist ein großer Erfolg für die Weltraumforschung. Erstmals hat eine Sonde einen Kometen mehrfach umrundet und einen Forschungsroboter auf ihm gelandet – mit keinem geringeren Auftrag, als Erkenntnisse über den Ursprung unseres Sonnensystems und des Lebens auf der Erde zu finden.

Berndt Feuerbacher, wissenschaftlicher Initiator der Philae-Landeeinheit, spricht von Extremarchäologie. Schließlich entstand das Sonnensystem vor rund 4,6 Milliarden Jahren, der Komet 67p/Tschurjumow-Gerassimenko (genannt Tschuri) ist derzeit etwa 500 Millionen Kilometer entfernt und beim Flug legte Rosetta 6,4 Milliarden Kilometer zurück.

Um kurz nach 17 Uhr kam die Nachricht von Philaes Landung. Die tatsächliche Landung fand knapp eine halbe Stunde früher statt, solange braucht das Signal zur Erde. Zunächst feierten die Wissenschaftler in der Darmstädter Esa-Zentrale, von der aus die Mission geleitet wird, und an vielen anderen Orten in Deutschland und Europa ausgelassen.

ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain sagt: „Mit Rosetta öffnen wir die Tür zum Ursprung des Planeten Erde und fördern ein besseres Verständnis unserer Zukunft.“ Und Alvaro Giménez, Esa-Direktor für Wissenschaft und robotische Exploration, ergänzt begeistert: „Nach einer mehr als zehnjährigen Reise durch den Weltraum können wir nun die bisher beste wissenschaftliche Analyse eines der ältesten Bestandteile unseres Sonnensystems vornehmen.“

Sieben Stunden für drei Kilometer

Der Sprecher des Deutsches Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Andreas Schütz, war etwas vorsichtiger: Man sei „verhalten überglücklich“. Das hat einen Grund: Die Kaltgasdüsen, die den Forschungsroboter auf Tschuri pressen sollten, hatten nicht ausgelöst, ebenso die Harpunen zur Verankerung. Kein Wunder, könnte Philae konnte wegen der geringen Gravitationskraft wieder zurückprallen und aufgrund der Eigenrotation des Kometen an einer ganz anderen Stelle landen – nach dem Ausklinken dauerte der Fall zur drei Kilometer entfernten Oberfläche sieben Stunden.

Der Orbiter Rosetta und die Landeeinheit Philae sind für die Untersuchung des Kometen Tschuri mit elf bzw. zehn wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet.

Die Fernerkundung ist Aufgabe des Rosetta-Orbiters. Zum Einsatz kommen Kameras und Spektrometer, die in sehr unterschiedlichen Wellenlängen arbeiten. Vom sichtbaren Spektrum über den UV-, Infrarot- und Mikrowellenbereich wird alles registriert, was auf oder in dem Kometen passiert.

Der Schweif (Form und Zusammensetzung) interessiert die Forscher ebenfalls. Mittels Ionendetektoren und Magnetometer können sogar Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind erfasst werden.

Philae ist unter anderem mit Kameras und Spektrometer ausgestattet. Mit Radiowellen kann der Kometenkern durchleuchtet werden. Ein Minilabor erlaubt die Untersuchung von Proben, die mit einer Bohrvorrichtung gewonnen werden sollen.

Die Engergieversorgung übernehmen Solarzellen, die aber nur funktionieren, wenn sie der Sonne ausgesetzt und nicht verstaubt sind. (wlf)

Das wäre für Philae gefährlich, da die Oberfläche des Kometen sehr zerklüftet ist, so dass das Forschungsmodul hätte umkippen können – das Ende viele der geplanten Experimente gewesen. Zuletzt meldete die Esa am Mittwoch um 21:15 auf ihrer Webseite, es könnte zu einer „doppelten Landung“ kommen. An der TU Braunschweig wurde für Philae Romap entwickelt das Gerät misst per Magnetfeldanalyse die Position von Philae misst. Die Braunschweiger twitterten in der Nacht zum Donnerstag, dass es drei Kontakte gegeben habe: also eine dreifache Landung.

Die Darmstädter Zentrale schwieg vorerst. Daraufhin wurde im Internet diskutiert, ob der Romap-Account echt ist. Er ist echt. Bleibt Philae an ihrem jetzigen Standort stehen, wird sie in den nächsten Tagen erste wissenschaftliche Beobachtungen vornehmen, vorausgesetzt die Hauptbatterie bleibt funktionsfähig. Anschließend könnte eine weitere wissenschaftliche Beobachtungsphase unter Nutzung der wieder aufladbaren Solar-Zweitbatterie erfolgen.

Auf Twitter wurde die Mission von der Esa kräftig abgefeiert. Rosetta und Philae „schrieben“ sich gegenseitig. So war nach dem Abkoppeln zu lesen: „Endlich! Nach mehr als zehn Jahren strecke ich meine Beine aus“ und „erste Postkarte kurz nach der Trennung - und sie ist für mich! Meine neue Adresse: 67P!Schick mir eine Postkarte, Philae“.“ Da menschelte es mächtig. Dem Account folgten 218.000 Menschen.

Restriktiver Umgang mit Bildmaterial

Im Vorfeld wurde die Esa teils heftig für ihren restriktiven Umgang mit Bildmaterial kritisiert, die sie später korrigierte. Auch wurde das erste Bild das auf der Oberfläche des Kometen aufgenommen wurde erst am Donnerstag um elf Uhr freigegeben, obwohl der Kontakt mit der Sonde schon ab 6:30 wieder möglich war. Auch suchte man neben dem Live-Stream einen guten Live-Ticker bei der Esa vergeblich, und die Menge der Texte hielt sich in Grenzen.

Insgesamt war die Landung in vielen Medien wenig nachhaltig: So war sie schon drei Stunden später auf den letzten Platz vieler Radio-Nachrichten gerutscht, am nächsten Morgen oft ganz verschwunden. Zwar fanden in einigen Städten Public Viewing statt, aber ins Berliner Naturkundemuseum verirrten sich nur knapp 50 Menschen. Mäßige Esa-PR bei einer Mission, die allein von Deutschland mit rund 300 Millionen Euro unterstützt wird.

Hätte die Nasa die Rosetta-Mission durchgeführt, wären Rosetta, Philae und Tschuri sicher zum Dauerhype geworden. Ob man sich das gewünscht hätte, sei dahingestellt. Der Erfolg der Mission selbst aber ist ein schöner Beweis dafür, dass es aus Europa auch mal etwas Positives zu berichten gibt – und ein wichtiger Schritt für die Wissenschaft.

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