Kolumne: Die U 5 lahmlegen
Archäologen finden Berlins altes Rathaus.
D ie Meinung, wer im berlinisch-märkischen Sand buddelt, findet höchstens Fliegerbomben, hält sich hartnäckig. Zu Unrecht. Vielmehr haben Archäologen in Berlin Hochkonjunktur. Hermann Parzinger, der Präsident der Preußenstiftung, ist ursprünglich ein Graber. Die Schlosskeller werden derzeit freigelegt, für Spandau gilt ein Gleiches. Geschürft wird wie verrückt nach Geschichte.
Dass jetzt sogar Berlins historisches Rathaus gefunden wurde, wie der Tagesspiegel vermeldet, überrascht angesichts der Tiefenbohrungen darum nicht. Oder doch? Daccord. Ein wenig sensationell ist es, dass bei den Grabungen für die U-Bahn-Linie 5 Archäologen unerwartet Reste des Hauptsaals des "Alten Rathauses" der Stadt freigelegt haben. Das Gemäuer fanden sie gut erhalten zwei Meter unter der Erde. Seine historischen Säulen sind unbeschädigt. Sogar Silbermünzen wurden aus dem Bauwerk geborgen. Das Alte Rathaus stammt aus dem 13. Jahrhundert, es war nach der Errichtung des Roten Rathauses abgerissen worden.
Rufen jetzt alle: Es lebe die Vergangenheit? Die BVG wohl kaum. Denn dumm an dem Fund, der nur vergleichbar ist mit Schliemanns Ausgrabung von Troja, ist, dass die entdeckten Mauern den Plänen der Bahner im Wege stehen: Genau an dieser Stelle haben sie den Eingang des U-Bahnhofes "Berliner Rathaus" vorgesehen. Zudem kommt das alte Rathaus mit der Baugrube in Konflikt, die dort nötig ist. Und die Rudimente kosten, verzögern sie doch den U-Bahn-Bau.
Was also tun? Die U 5 kippen angesichts des Erbes wird niemand wollen. Das Gemäuer sprengen auch nicht. "Wir sind für alle Ideen offen, Reste der Vergangenheit zu zeigen und für die Zukunft zu bewahren", sagt die BVG. Sie und die Archäologen werden sich also was einfallen lassen müssen, um die Geschichte zu integrieren. Schon mal unser bescheidener Vorschlag: Der U-Bahnhof wird "Altes Rathaus" getauft.
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