Kolumne Wirtschaftsweisen: Die die Spielregeln machen
Früher fehlte es am Band oft an Nachschub. Da konnte man mal durchatmen. Aber mit Durchatmen wird halt kein Geld gemacht.
Neulich kamen wir im Zusammenhang mit dem „Dual Use“-Produkt Leuchtdioden – die eben für verdunkelnd-militärische und auch erhellend-zivile Zwecke gut sind – auf einer Veranstaltung auf Osram und Philips zu sprechen. Die konzentrieren sich ausschließlich auf diese Produktion von LEDs und haben alle anderen Leuchtkörper-Produktionen an die Chinesen verkauft.
Unter den Zuhörern befand sich ein Charlottenburger Künstler, der sich zu Wort meldete: Er habe auch mal bei Osram am Fließband gestanden, neben zwei Frauen, die früher bei Narva in der DDR gearbeitet hätten und laufend stöhnten: „Nie hört hier der Nachschub auf!“ Auf Nachfrage erklärten sie ihm: Bei Narva passierte das so oft, dass sie sogar einmal dafür kämpfen mussten, dass ihnen bei fehlendem Nachschub nichts vom Lohn abgezogen wird. Darüber hätte damals sogar die Gewerkschaftspresse im Westen berichtet. Auf jeden Fall sei es bei Narva am Band sehr viel gemütlicher zugegangen als bei Osram.
Ein anderer Zuhörer wollte daraufhin vom Künstler wissen, wie lange er denn bei Osram gearbeitet habe: „Einen halben Tag lang“, sagte der und fügte hinzu: „Der Meister an der Verpackungsstrecke hat mich schier verrückt gemacht, der stand ständig hinter mir, ein richtiges Arschloch. Aber seitdem weiß ich, was es heißt, dass alles, was wir kaufen, verpackt ist: jedes Schnitzel, jede Tomate, jeder Schnürsenkel, jede Socke. Das meiste wird sogar eingeschweißt. Wenn ich nach dem Einkauf das Zeug zu Hause auspacke und das ganze Verpackungsmaterial in eine Plastiktüte stopfe, die, wenn sie voll ist, in eine ‚Wertstofftonne‘ kommt, dann denke ich jedes Mal an meine schreckliche halbe Schicht bei Osram, aber auch daran, dass bei vielem, was man so kauft, die Verpackung wertvoller ist als das Produkt.“
Damals sei es im übrigen noch nicht um Leuchtdioden bei Osram in Spandau gegangen, wenn man aber heute dort anrufe, würde schon die Frau in der Telefonzentrale voller Ironie mitteilen: „Wir sind jetzt auch ein Hightech-Betrieb!“
Hightech-Zeug bei Daimler
Die Daimler AG hat diesen Quantensprung ebenfalls mit ihrem ehemaligen Debis-Haus am Potsdamer Platz versucht. Bei ihrem Hightech-Zeug handelte es sich um die Entwicklung eines individuellen Verkehrsleitsystems.
Erst einmal wurden jedoch die Umgangsformen der Beschäftigten hightechmäßig durchdesigned. Einem angehenden Ingenieur aus Indien wurde bei seiner Anstellung zum Beispiel gesagt: Seine Freundin solle er sich abschminken und stattdessen ein besseres Handy zulegen, um auf allen Kanälen erreichbar zu sein.
Nach vier Monaten hörte er frustriert dort wieder auf, weil er sich zu sehr ausgebeutet fühlte, hatte aber noch für einen Monat Gehalt zu bekommen. Dass er eine Rechnung schreiben solle, sagte ihm sein Chef, der Direktor für Mobility Services. Das tat er: 1.400 Euro für 80 Stunden. Dann erschien in einer Berliner Zeitung ein Artikel über Debis, in dem er zitiert wurde. Wenig später kam das Geld – 700 Euro. Der junge Inder beschwerte sich bei dem Chef. Der schrie ihn an: „Mehr Geld kriegen Sie nicht! Ich bestimme hier die Spielregeln!“
Ausgegliedert, schlecht bezahlt
Zu diesen neuen Spielregeln in Berlin gehört auch das Outsourcen. So wurde bei sechs Fünfsternehotels der Service von einer ehemaligen Hotelmitarbeiterin übernommen. Die kürzte bei der so ausgegliederten Dienstleistung den Lohn der Zimmermädchen von 3,58 Euro pro Zimmer auf 2,90 Euro. Die Mitarbeiterinnen, mehrheitlich mongolische Studentinnen, kamen damit auf einen Stundenlohn von 5,80 Euro.
Sie schrieben einen Protestbrief, in dem sie eine Belegschaftsversammlung forderten. Fünf von ihnen schmiss die Geschäftsführerin daraufhin als Rädelsführerinnen raus, die Übrigen gaben klein bei und fügten sich.
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