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Kolumne Wir retten die WeltWillkommen im Schurkenstaat

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Angela Merkel ist empört, weil Donald Trump Recht und Ordnung mit Füßen tritt. Tja. Unsere Bundeskanzlerin kann das schon lange.

Öko-Terroristen bei der Arbeit Foto: dpa

S o klingt es also, wenn Angela Merkel ausflippt: „Ernüchternd und eine Stück weit deprimierend“ sei es, wie US-Präsident Trump handele, sagte die Kanzlerin am Sonntagabend in der ARD. Trump hatte gerade seine Zustimmung zur bereits abgesegneten Schlusserklärung beim G7-Gipfel zurückgezogen. Und überhaupt: Ein Politiker, der auf Recht und Gesetz pfeift, der einfach mal so internationale Abkommen bricht, seiner eigenen Industrie unfaire Vorteile verschafft und die Fakten verdreht, der teilt nicht mehr die Werte der sieben großen Industrieländer, heißt es.

Stimmt. Ein solches Verhalten ist völlig inakzeptabel. Ernüchternd und deprimierend. Oder?

Tja: Im Juni 2013 einigten sich nach langem zähen Ringen in Brüssel die EU-Länder mit dem EU-Parlament auf einen Kompromiss bei den Abgaswerten für Autos. Als die Entscheidung bereits gefallen war, legte Angela Merkel ihr Veto ein. Die anderen Staaten schäumten, aber die Regel wurde auf ihren Wunsch und Druck der deutschen Autobauer verwässert.

Das Märchen von Öko-Deutschland

Tja: Die Europäische Union führt gegen die Bundesrepublik Deutschland insgesamt 74 Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge. Vierundsiebzig! Allein 20 gegen das Verkehrs- und 16 gegen das Umweltministerium. Es geht um Feinstaub, Nitrat, Stickoxide oder Trinkwasser.

Tja: Seit fast 20 Jahren weigert sich Deutschland, die „Aarhus-Konvention“ richtig umzusetzen, die Zugang zu Informationen von Behörden und Unternehmen gewährt, etwa über Flugrouten. Die UN und der Europäische Gerichtshof haben Deutschland gerügt. Es kümmert uns nicht wirklich.

Tja: Deutschland verfehlt sein EU-Klimaziel für 2020. Das ist nicht nur peinlich, wie der Abschied vom nationalen Klimaziel. Sondern ein Verstoß gegen EU-Recht, plus Strafzahlung.

Tja: Deutschland verfehlt außerdem mit ziemlicher Sicherheit sein europäisches Ziel für die Energieeffizienz. Auch das wird ein Verstoß gegen geltendes EU-Recht, das ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich zieht. Wie sehr uns das juckt? Siehe oben.

Heute sind Verträge, Abkommen und heilige Schwüre sehr schnell sehr wenig wert, wenn sie den German Way of Life in Frage stellen

Das sind jetzt alles nur Beispiele aus dem Bereich Öko, es gibt noch viel mehr. Und es klingt furchtbar, aber es ist wahr: Auch wir Deutschen, die wir uns für die grünen Musterknaben der Welt halten, scheren uns den Inhalt einer Biotonne um Recht und Gesetz, wenn es um Interessen geht, die wir als vital definieren.

Helmut Kohl, der alte Lateiner, sagte bei jeder Gelegenheit: „Pacta sunt servanda“ – Verträge muss man einhalten. Experten nennen das „den wichtigsten Grundsatz des Vertragsrechts“. Klar: Wozu Verträge, wenn sich keineR dran hält? Schon Kohl erteilte sich selbst da gern die Absolution, etwa bei der Auskunftspflicht über schwarze Kassen. Aber heute sind Verträge, Abkommen und heilige Schwüre sehr schnell sehr wenig wert, wenn sie den German Way of Life in Frage stellen. Willkommen im Schurkenstaat.

Das überrascht Sie? Kein Wunder, denn das Image von Öko-Deutschland hält sich hartnäckig. Und wird von Regierung und Industrie gern bei jeder unpassenden Gelegenheit befördert. „Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer echten ökologischen Umgestaltung in Deutschland“, sagte mir letztens ein kluger Mensch, „ist der Irrglaube, bei uns sei alles in Ordnung.“ Und ein anderer, ebenso kluger Regierungsinsider sagt immer: „Die Stimmung ist besser als die Lage.“ Das ist: Ernüchternd und ein Stück weit deprimierend.

Aber so negativ kann ich Sie natürlich nicht ins Wochenende entlassen. Hier ist eine gute Nachricht: Gegen das Pariser Abkommen zum Klimaschutz hat Deutschland noch nicht verstoßen.

Tja: Seine Verpflichtungen gelten erst ab 2020.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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10 Kommentare

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  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    "Das sind jetzt alles nur Beispiele aus dem Bereich Öko, es gibt noch viel mehr."

     

    Ja! Ich hätte auch ein Beispiel: Der Umgang mit einem völkerrechtlich bindenden Vertrag von 2005. Vertragsinhalt: Einführung von Maßnahmen zur Senkung der schlimmen Zahl von 300 bis 400 Todesopfern *pro*Tag* in Deutschland. Reaktion: Skandalöse Untätigkeit bei gleichzeitigem Einstreichen hoher Konzernspenden. Wovon die Rede ist: Egal. Interessiert ja doch fast niemanden.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)
  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Oh - es gibt einen Unterschied zwischen dem „Ich sch... drauf!“ vom Donald und dem „leck mich doch ...!“ der Bundesregierung: Der Donald, der macht das offen und publikumswirksam - und nur für sich. Egomane würde ich einmal tippen. Wir, also „die Deutschen“, die Regierung oder vielleicht sogar Frau Merkel - die trauen sich nur bockiges versanden lassen. Oder so ein „... über die Stränge schlagen“ ohne Erwischtwerdenrisiko. Das ist das Erbärmliche!

  • Frau Merkel spricht Themen an von denen Sie nicht richtig weiß was sie bedeuten. Anstatt immer auf Herr Trump herumzupoltern sollte sie zuerst mal in Deutschland ihre eigene Probleme angehen.

    Bei und ist das Eisen von Problen am glühen, da sollte Frau Merkel erst mal Ordnung reinbringen. Aber da sie von Ordnung, weder von Geschäften nicht viel versteht nicht, da braucht man sich über dieses oder jenes nicht in Berlin zu wundern.

  • Das ist wohl die Weltberühmte Doppelmoral.

  • Das verlängern der A - Kraftwerke, der Ausstieg aus der A - Kraft, sehr kurz danach, aber alles Alternativlos, wie Merkel es sich immer auf die Fahnen schreibt.

     

    Das Flüchtlingsdesaster 2015, der Handelsstreit seit 2017 mit Trump, alles Dinge, die von Merkel entweder gar nicht, zu Spät oder Falsch angegangen worden sind, allein dadurch, dass sie die EU mehr Geschwächt hat als Gestärkt, aber immer die Betonung auf die EU gelegt hat!

     

    Seit Merkel an der Regierung ist, wurden derart viele Fehlentscheidungen getroffen, das es bereits seit längerem Wehtut, vor allem für die Bewohner Deutschlands.

    Merkel hat es geschafft, die EU zu spalten, in dem sie die Flüchtlinge ungeordnet, gegen den Willen der anderen Mitglieder, ins Land gelassen hat.

    Durch die unsäglichen Entscheidungen von Merkel haben sich 12% der deutschen Wähler dazu durchgerungen die AFD zu wählen, was dazu führte, das die gesamte Politiker und Pareienlandschaft stark nach Rechts, bzw. Rechtsaußen abgedriftet ist!

     

    Die Vertragsbrüche der Deutschen in der EU gibt es zwar nicht erst seit Merkel, aber seit Merkel sind sehr viele im Bereich der Umwelt und Klimagesetze passiert!

    Nach Außen hin, stellt sich Merkel aber gern als die Klimakanzlerin dar, hat aber nicht den Anstand klar zustellen, dass die meisten ihre Regel und Vertragsbrüche ihrer Nähe zu der Wirtschaft, der Industrie und den Banken geschukdet ist. Sobald für die Einhaltung der Klimaziele Geld in die Hand genommen werden musste, diese Kosten aber nicht mehr auf die Bevölkerung abgewelzt werden konnte, wurde Deutschland eben Vertragsbrüchig, denn die Kosten den Verursachern aufzuerlegen, konnte Merkel sich nicht leisten, den damit würde sie sich denen endgegen stellen, die ihre Macht sicherten.

     

    Die Dreifaltigkeit Wirtschaft, Industrie, Banken haben in Sachen Klima und Umweltschutz ja noch einen ebenbürtigen Partner, nämlich die Agrarwirtschaft, die sich ebenfalls nicht die Butter vom Brot nehmen lassen will.

     

    Ergo; Die Regeln der EU, ab in die Tonne

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Pacta sunt servanda": Kohl hat nicht mal gewusst, wie man das ausspricht und wahrscheinlich gedacht, dass ihm mehrere Pakete Saumagen serviert werden. Es war Strauß, der diese Formulierung gern in den Mund genommen hat.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Herr Kohl war Volljurist.

      Z.seiner Zeit war ein solches Studium

      ohne das grosse Latinum nicht moeglich,Sie Schlauberger!

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @carl mumm von hopfensack:

        Volljurist? Hat er also das zweite Staatsexamen (Referendariat) gemacht? Ist mir nicht bekannt. Kohl hat u.a. Recht studiert, promoviert wurde er aber zum Dr.phil., nicht zum Dr. jur. Auch seine Tätigkeit nach dem Studium als Wissenschaftlicher Mitarbeiter weist ihn nicht gerade als Juristen aus, denn die führte ihn an das Alfred-Weber-Institut der Universität Heidelberg, das für seine wirtschaftswissenschaftliche-sozialpolitische Ausrichtung bekannt ist.

         

        Dass ein großes Latinum zum Studium nötig war (übrigens auch für die anderen Fächern, die Kohl studierte), ist mir bekannt.

         

        Dass Kohl als nicht gerade der hellste Kopf unter den Politikern galt und sich mit Fremdsprachen im Gegensatz zu seiner Frau schwergetan haben soll, hing ihm ja sein ganzes Leben lang an, was man besonders an den Witzen über ihn sehen kann (ich sage nur "All animals are Dangeruhs" oder "Bohr doh").

         

        Dessen ungeachtet ist die Behauptung des Autors, Kohl hätte den zitierten Spruch gern aufgesagt, falsch.

        • @849 (Profil gelöscht):

          Schoen erklaert.

          Sehr weit bin ich mit meiner Kohlschen

          Einschaetzung nicht von Ihrer entfernt.

          In Einzelheiten bin ich allerdings nicht so perfekt im Bilde.