Kolumne Wir retten die Welt: Die Maß bleibt rein
In Bayern werden Bierköniginnen und Brauereien frech: Sie wollen das Reinheitsgebot von 1516 um die Gentechnik erweitern. Die CSU sagt Nein.
M al wieder ein großes Fest im Freistaat Bayern. Aber nicht etwa 25 Jahre Mauerfall. Und im November auch nicht das Oktoberfest, weil das immer im September stattfindet, sondern: „Bayern ist fünf Jahre gentechnikanbaufrei.“ Im Ernst!
Die Umweltministerin Ulrike Scharf hat das Jubiläum ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Um damit demonstrativ jene fast 80 Prozent der Wähler abzubusserln, die im Freistaat laut Umfragen sehr stabil jede Form von Genklempnerei ablehnen.
In ihren Reden sagt die CSU-Ministerin Sätze wie „keine Freisaat im Freistaat“ oder sie fordert das „Selbstbestimmungsrecht“ – nicht das sexuelle oder informationelle, sondern das der Bauern zum Anbau auf den Feldern. Das Ausbringen genmanipulierter Pflanzen sei „mit der landschaftlichen Schönheit, dem Naturreichtum und den hohen Umweltstandards in Bayern nicht vereinbar“.
Auf der Homepage des Ministeriums kann man ein farbenfrohes Poster runterladen, auf dem die Wappen aller 200 bayerischen Gemeinden, Städte und Landkreise abgebildet sind, die sich zu gentechfreien Zonen erklärt haben – von Oberottmarshausen bis Waldbüttelsbrunn.
Seehofer wendet Bayern zum Öko-Vorkämpfer
Es ist schon Ehrfurcht gebietend, wie Landeschef Horst Seehofer mit feinsinnigem politischen Gespür – man darf ruhig auch Opportunismus sagen – Bayern in kurzer Zeit vom glühenden Befürworter der Gentechnik zum Öko-Vorkämpfer auf dem Acker gewendet hat.
Inzwischen droht die Geschichte aber aus dem Ruder zu laufen. Die bayerischen Gentechnikgegner machen nämlich richtig Remmidemmi. So Bayerns Bierkönigin von 2013, Maria Krieger. Anstatt sich an die schöne Zeit ihrer Regentschaft zu erinnern und ihr Kronenimitat staubfrei zu halten, fordert Ihre Majestät, das Reinheitsgebot für das Grundnahrungsmittel Bier zu erweitern und die Gentechnikfreiheit im ältesten Lebensmittelgesetz der Welt festzuschreiben.
„Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen“, heißt es in der Originalfassung von 1516. Die kannten damals noch keine Gen-Ingenieure.
CSU vom Volk unter Druck gesetzt
120 Brauereien und Mälzereien haben sich inzwischen der Königinnen-Petition „Rein ohne Gentechnik“ angeschlossen. Selbst die Vereinigung bayerischer Privatbrauereien und der Brauerbund unterstützen das Anliegen. Und sie geben keine Ruhe. Derart vom Volk unter Druck gesetzt, musste die CSU reagieren: Sie hat die Petition abgewiesen.
Die Begründung: hohe politische Kunst. Man könne nicht für eine Sache eintreten, die schon umgesetzt sei. Weil Bayern bereits gentechnikanbaufrei sei, mache es keinen Sinn, dies lauthals zu fordern und das Reinheitsgebot zu überfrachten. Eine Steilvorlage für die Opposition: Freie Wähler, SPD und Grüne forderten umso lauter das garantiert gentechfreie Bier.
Die Maß sei durch unsaubere Rohstoffe aus dem Ausland und das Freihandelsabkommen TTIP bedroht. Auch nach einer Landtagsdebatte war der Spuk noch nicht vorüber. CSU-Mann Dr. Otto Hünnerkopf übernahm nun die brenzlige Aufgabe, dem Volke die Ablehnung der Petition zu erklären. Sein Statement: Die CSU habe die Petition in Wahrheit gar nicht abgelehnt. Man habe sie „nur für schon erledigt erklärt“.
Artig fährt Hünnerkopf fort: „Wir bedanken uns für das Engagement der Brauer und Mälzer. In Bayern wird alles getan, um Bier von Gentechnik frei zu halten und wir werden weiterhin mit Nachdruck …“ Wir sehen: Die weißblaue Front gegen Genmurks steht. Wer sagt da, dass Hopfen und Malz verloren ist?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP