Kolumne Wechseljahr 2008: Ins rechte Licht gerückt
Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation.
Jetzt sagen alle, es werde ein "enges Rennen". Hillary Clinton hat endlich das Handtuch geschmissen (mit unübertreffbarer Ambivalenz - sie will nicht ihren Wettkampf aufgeben, nur die Kampagne "aussetzen"). Barack Obama kann sich endlich voll und ganz gegen John McCain profilieren. Andererseits haben viele leidenschaftliche Clinton-Anhänger angekündigt, nicht für ihn zu stimmen. Sie drohen damit, dass nicht nur Republikaner "NObama"-T-Shirts tragen würden.
Zunächst schien es sich um eine Strategie von McCain zu handeln, sich selbst als Unterlegenen darzustellen: David gegen Goliath Obama. Aber die Medien beteiligen sich gerne an der Inszenierung. Erst haben sie mit am Bild des zu intellektuellen Obama gearbeitet und ständig seine "Schwierigkeiten" mit Senioren, Weißen, Frauen, Latinos, Juden, und vor allem Arbeitern thematisiert - statt mitzuhelfen, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Besonders gerne wurde diskutiert, ob Clintons Niederlage bedeute, dass "Sexismus" in den USA ein stärkeres Gewicht habe als "Rassismus" - statt darzulegen, dass Clinton eben für den Irakkrieg gestimmt hatte, dass Bill Clintons oft missmutige Ergüsse wahrlich kein Bonus für die Kampagne seiner Frau waren, und dass die es allzu gerne mit der Wahrheit nicht so genau nahm (ob beim Scharfschützenfeuer in Bosnien oder der Anzahl der eigenen Wählerstimmen).
Nun geben sich die Medien beste Mühe, McCain als originell, liebenswürdig und tapfer zu beschreiben - und gleichzeitig Obamas Verwundbarkeiten zu betonen. Im vermeintlich liberalen National Public Radio ließen Experten unter anderem verlauten, dass "die Blüte der Rose [Obama ist gemeint, Anm. der Autorin] verblasst" ist; es sei vorstellbar, dass er "verborgene Schwachstellen habe"; er wäre in den letzten Vorwahlen nur noch "zum Ziel gehumpelt"; er müsse, wenn er gegen McCain gewinnen wolle, "unbedingt besser im Debattieren werden". Der Sender CNN machte beflissen mit, indem er Obamas Kritik an Bushs Steuerkürzungen für die Reichen - die McCain weiterführen will - gefettet in der Bildunterschrift als "unfair" bezeichnete.
Dabei lässt sich feststellen, wie verzweifelt die Konservativen tatsächlich sind. McCain hat keine gute Beziehung zu Evangelikalen - das ist ein Viertel der amerikanischen Wähler. Sie halten ihn weder für sonderlich gläubig noch sonderlich konservativ in seinen persönlichen Werten. Parallel dazu versuchen Konservative schon seit Monaten, Obama als "kleinen Hitler" darzustellen, als "fabrikgefertigten Linken" oder als Muslim. Diese Woche bezeichnete der Fernsehsender Fox den liebevollen kleinen Faustschlag zwischen Obama und seiner Frau Michelle vor seiner Siegesrede als "Terroristenfaustschlag".
Wenn die Medien weiterhin in solche Kerben hauen, hat McCain allerdings- trotz seiner eigenen beachtlichen Schwächen - erstaunlich gute Karten.
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