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Kolumne So nichtSeehofers Grammatik-Hausaufgaben

Berufspolitiker reden über die Zukunft – und verheddern sich dabei in Floskeln und fragwürdigen Tempusformen. Das geht einfacher.

Sind das die „Hausaufgaben“ Horst Seehofers? Foto: ap

E s ist immer schwierig, über die Zukunft zu reden. Viel Spekulation einerseits. Die richtige grammatikalische Form andererseits. Horst Seehofer hat am vorletzten Tag des Jahres gefordert, die Regierungsbildung bis Ostern abzuschließen. „Sonst würde ich sagen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker.“

Lassen wir weg, dass es andere Arten gegeben hätte, den Satz zu formulieren, zum Beispiel ganz einfach „Sonst werden wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben als Berufspolitiker.“ Viel wichtiger als die Frage, warum der alte Rechthaber einen verunglückten Konjunktiv II benutzt, ist, warum für Seehofer die Bildung einer Regierung unter Hausaufgaben fällt? Politiker werden dafür bezahlt, und unterliegen darüber hinaus der Verfassung, die diesem Berufsstand vorschreibt, dafür zu sorgen, dass es dazu kommt.

Schon 1982 konstatierte der Spiegel:Hausaufgaben sind Hausfriedensbruch“. Diverse Studien stellen seit Jahrzehnten fest, dass die Sinnhaftigkeit dieser Einrichtung nicht nachweisbar sei. Lehrer, Schulminister und andere Experten fordern seit Jahrzehnten die Abschaffung der Hausaufgaben, da sie außer Quälerei nur soziale Ungerechtigkeit manifestieren und pädagogisch wertlos seien. „Hausaufgaben“ wurden 2015 sogar zum „Unwort des Jahres“ gekürt, weil dessen Verwendung im Zusammenhang mit der Kritik der EU an Griechenland, die Griechen zu unmündigen Schülern herabwürdige.

Nun gehört das Hausaufgabenmachen zu den Floskeln, die der Berufsstand Politiker so redundant verwendet, wie sonst nur den Satz „Lassen Sie mich ausreden“ in Talkshows. Aber nicht nur sie. Sportler, Journalisten, Manager, also alle, die sich ungefähr so viele Gedanken machen wie Berufspolitiker über das, was sie zu sagen haben, verwenden diese bescheuerte Metapher.

Aus den letzten Tagen: „Wo hat Seehofer seine Hausaufgaben gemacht? Was bleibt für seinen Nachfolger liegen?“ (Kommentator Bayerischer Rundfunk, 6 .12. 2017). „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und genug Potenziale für die Zukunft“ (Vorstand der Molkerei Schwälbchen am 29. 12. 2017).

Sehr lustig wird es, wenn Journalisten die Hausaufgaben auch noch zur Überschrift, also zu dem Teil machen, der die wichtigste, präg­nanteste, interessanteste Aussage des Interviewten sein sollte. So zuletzt das Portal stadionwelt: „Wir müssen unsere Hausaufgaben erledigen“ – am 30. 12. 2017 über dem Interview mit dem Geschäftsführer der Kölner Haie. Oder die taz: „Die Hausaufgaben sind gemacht“ am 29. 12. über dem Porträt des Skispringers Richard Freitag.

Werden Hausaufgaben, die die Pädagogen abschaffen wollen, in außerpädagogischen Zusammenhängen immer wichtiger, weil bei Hausaufgaben sowieso niemand kontrollieren kann, ob man sie selbst erledigt hat oder andere?

Ich jedenfalls hätte anders als Seehofer formuliert: Wenn Deniz Yücel bis Ostern nicht zu Hause ist, haben die Berufspolitiker ihre Aufgabe nicht gemacht.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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10 Kommentare

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  • Der Konjunktiv II ist hier in der Tat richtig. Ansonsten ist er ein häufiges Problem, weil Journalisten ihn notorisch anstelle des Konjunktiv I verwenden, mit dem kaum noch jemand richtig umgehen kann. Das betrifft auch Sie, Frau Akrap. Sie schreiben: "Lehrer, Schulminister und andere Experten fordern seit Jahrzehnten die Abschaffung der Hausaufgaben, da sie außer Quälerei nur soziale Ungerechtigkeit manifestieren und pädagogisch wertlos seien.“ Mit dem „seien“ liegen Sie richtig, mit dem „manifestieren“ falsch – es sei denn, Sie wollen ausdrücken, es handle sich bei der Manifestation der sozialen Ungerechtigkeit um eine unstrittige Tatsache, oder wollen anstelle der Expertenmeinung ihre eigene kundtun. Dann liegen Sie allerdings inhaltlich daneben (wie schon mit dem Wort "manifestieren" selbst; Sie meinen gewiß sowas wie "zementieren"). Wer die Abschaffung der Hausaufgaben fordert, ist übrigens kein Experte, sondern hat ihren Sinn und Zweck nicht begriffen.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Erich Virch:

      ... :-)

  • Unwort des Jahres 2015 war "Gutmensch".

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Zitat: 'Es ist immer schwierig, über die Zukunft zu reden'. (Ende).

    Zumal, wenn sie noch gar nicht da ist. Da würde der bayerische Politiker doch als 'vermessen' gescholten werden, wenn er in den freien Willen seiner Bürger und die Weltentwicklung eingreifen würde. Ein Stoßgebet in den Maßkrug hinein, das könnte sein, aber anschließend macht man sich nur noch kundig, was die Wirtschaft auf jeden Fall will.

    Wenn man unbedingt möchte, kann man das als 'Hausaufgaben' karikieren.

    Wie hätte denn das grandiose und geglückte Dieselabgaswunder sonst stattfinden können, wenn sich da Politiker eingemischt hätten?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...eine Metapher ist eine Metapher, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

  • Nochmal zurück zum Konjunktiv II: Der ist grammatisch in Ordnung, indirekte Rede für "Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht" mit Ersatz des dem Indikativ gleichen Konjunktiv I durch Konjunktiv II. Rhetorisch passiert hier Folgendes: Die Feststellung wird in ein imaginäres Selbstzitat verpackt, denn wer anderes als Seehofer wäre befugt, über die Fähigkeiten der Politiker zu urteilen, und wer anderes als Seehofer könnte dabei auch noch mit einem solchen Bonmot glänzen? Das Ganze aber in den Irrealis ("würde ich sagen") verpackt; denn natürlich wird es Seehofer schon richten. Wenn aber nicht, so wären es die anderen gewesen, über die er dann sein Urteil fällen müsste.

    • @th60:

      Es heisst korrekt "grammatikalisch".

      Fragen Sie mich nicht warum, ich hab von Grammatik Null Ahnung, spreche und schreibe aber trotzdem fliessend und überdurchschnittlich korrekt Deutsch. Mit grossem D... glaube ich.

       

      Wenn Politkiker ihre Hausaufgaben machen, heisst das wohl, dass sie ihren Job nicht in der normalen Zeit erledigen konnten? Und deshalb später noch mal ran müssen, damit das Ergebnis stimmt?

      Als Nächstes kommt dann Nachsitzen...obwohl...das machen sie ja schon die ganze Zeit.

      Dann also die Klasse wiederholen? Wer weiss, neben wem man DANN sitzen muss :-D

      • @Mitch Miller:

        Ich weiß von dieser von Pedanten erfunden Unterscheidung und wehre mich, wenigstens im alltäglichen Sprachgebrauch, gegen sie. Siehe auch Duden, Stw. grammatisch, Bedeutung (2). Beste Grüße

    • @th60:

      Danke. So isset.

       

      kurz - Würde ist unfaßbar.

      Eben & ein Seehofer würde¿!;)

      "Nit für Kooche!"

      (wenn er denn kölsch könnte!;)((

      No. Da sei doch der Vollhorst vor!

      &

      (ps - über WK I & WK II -

      Bin ich nie hinausgekommen!

      Pauker jeweils derselbe - gell!

      Auch wieder wahr!;)

      Jo mei. Da kriegt mann doch glatt die

      Konjunktivitis! Newahr.;)

  • Na Servus.

     

    "Es ist immer schwierig, über die Zukunft zu reden.…"

    Si'cher dat. Normal.

    &

    "Es ist immer scheint's noch schwieriger, über die Zukunft - zu sprechen - gell!;)

    Si'cher dat. Da mähtste nix.

    Normal.