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Kolumne „So nicht“Du Bananenrepublik

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Deutschland soll die türkische Diplomatie mit seiner stoischen Gelassenheit in Rage bringen – solange bis die das Gelaber nicht mehr hören kann.

Es war hart, dem türkischen Sportminister in einer deutschen Talkshow zuzuhören Foto: dpa

E in Diplomat ist ein Diplomat ist ein Diplomat und ich meine nicht das KAD-Luxuslimousinen-Modell von Opel. Was ein Diplomat so macht, meint man genau zu wissen: Er ist ein Mr. Wolf. Einer, der Probleme löst.

Ein Politiker ist kein Diplomat, aber meistens benimmt er sich wie einer. Das heißt, er sagt seinen Zuhörern in aller Regel nicht ins Gesicht: „Du Arschloch!“, „Du Faschist!“, „Du Vollhorst!“, „Du Bananenrepublik!“, „Du Lügner!“.

Ein Diplomat spricht so, wie ihn Kurt Tucholsky einst sprechen ließ: „Ei, guten Tag, meine liebe Frau Doktor Zeisig! Wie ich sehe, sind auch Sie zu diesem exklusiven Empfang erschienen! Es ist heut Abend sehr interessant!“.

Diplomatie ist vor allem gefragt, wenn Politiker sich nicht mehr an diese Regeln halten. In den Niederlanden klappte das am Wochenende nicht so gut. Statt „Ei, guten Tag, meine liebe Frau Familienministerin Kaya! Wie ich sehe, sind Sie auch zu diesem exklusiven Vortrag erschienen …“, sagte man dort:

„Sorry, kein Bock. Du kommst hier nicht rein.“ Also eher so Türsteher-Style. Und dann gab es Bilder von beißenden Polizeihunden und auf der anderen Seite drückten sie Orangen aus.

Äußerst besondere Aufgabe

Es war nun zugegeben etwas hart, dem türkischen Sportminister am Sonntagabend in einer deutschen Talkshow zuzuhören: „Ei, guten Abend, mein lieber Herr Minister für besondere Aufgaben Altmaier! Wie ich sehe, sind auch Sie zu diesem exklusiven Empfang erschienen! Es ist heute Abend sehr interessant.“

Aber so sehr man auch hätte schreien wollen: „Du Arschloch!“, so sehr konnte man den Minister Altmaier dafür bewundern, wie er diese äußerst besondere Aufgabe des öffentlichen Ministertreffens erfüllte. „Wie bezaubernd Sie heute wieder aussehen, mein lieber Herr Sportminister Kılıç! Sie sind stets Gentleman, vornehm und diskret-elegant. Welche Verwandlung! Wie machen Sie das nur? Am Tage bei der Arbeit, beim Sport und am Volant. So habe ich es wenigstens in der Zeitung gelesen.“

Dass der deutsche Minister für besondere Aufgaben einen jämmerlichen Auftritt hingelegt habe und dass das alles nur Gelaber sei, warfen ihm die vor, die vor den Empfangsgeräten saßen.

Sicher, der Herr Minister für besondere Aufgaben hätte in Sachen Deniz Yücel ruhig deutlicher sagen können, dass er sich vom Herrn Sportminister wirklich wünsche, er würde alles dafür tun, damit der deutsche Journalist unverzüglich freigelassen werde.

Stoische Gelassenheit

Gerne hätte man auch den Satz gehört: „Wenn Deniz Yücel wirklich den Job eines deutschen Agenten hätte, dann würden wir dazu sicher einen Vermerk in unseren Akten feststellen können.“

Ich aber fand den Auftritt des deutschen Ministers großartig. Ich erwarte von diesem Mann nicht, dass er sein Jackett auszieht und darunter ein #FreeDeniz-T-Shirt trägt.

Ich erwarte, dass der Minister mit seiner stoischen Gelassenheit, seinen kleinen Seitenhieben und seinem Festhalten an der Unschuld von Deniz die türkische Diplomatie derart in Rage bringt, dass sie Deniz allein deswegen freilassen, weil sie das ganze Gelaber nicht mehr er­tragen.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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16 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Mit dem ganzen Rumgeschleime wird am Ende nur die eigene Demokratie als nächstes kaputt gemacht.

    Was hätte es auch für einen Sinn, den Faschisten Faschist zu nennen, wenn man/frau einen Flüchtlingsdeal hat, eine NATO-Partnerschaft und einen EU-Beitrittsprozess.

    Dieses diplomatische Verhalten ist ein Grund dafür, wenn Menschen das Vertrauen in die demokratischen Institutionen verlieren.

    Diejenigen, die Erdogan wegen seiner Strategie des Stärke-Zeigens und der Provokation zustimmen, werden sich durch diplomatisches Rumgeseier ("Gelassenheit") auch nicht beeindrucken lassen. Sie erwarten vom Staat, dass er Stärke zeigt und sie werden sich nicht imponieren lassen von Staaten, der nicht den Mumm haben, sich aus der selbstverschuldeten Erpressbarkeit zu befreien, indem sie den Flüchtlingsdeal kündigen, den EU-Beitrittsprozess beenden und den NATO-Rausschmiss ankündigen für den Fall, dass das Referendum für den Führerstaat erfolgreich ist.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      So sieht's aus.

  • Wenn Diplomatie dazu dienen sollte, Unrecht schönzureden, wäre sie nicht nur überflüssig, sondern auch sehr sehr schädlich.

    ANAMOLIE hat weiter unten schon zurecht darauf hingewiesen, dass eine Fernseh-Diplomatie ohnehin für'n Arsch ist.

  • Auch dem Kommentator ist nicht klar geworden, worum es eigentlich geht.

     

    Das Referendum in der Türkei und was die TürkInnen aus ihrem Staat machen, ist deren Sache und nicht unsere. Herr Erdoğan kann uns am Arsch vorbei gehen.

    Neben der Freilassung von Deniz Yücel geht es maximal noch darum, dass es wohl 60% der hier lebenden Türken gibt, die die Demokratieeinschränkungen in der Türkei begrüßen.

     

    Es geht darum, diese zu überzeugen, dass dies nicht in der Vorstellung von der gesamten Mehrheit der hier lebenden Menschen ist oder diese Menschen loszuwerden. Mit Schnauze halten, wenn einer immer wieder rassistische, faschistische oder sexistische Kommentare ablässt, kommt man auch nicht weiter.

  • Ich fürchte, das wird nicht genügen. Der Fehler ist ja schon passiert. Erdogan wäre gar nicht an der Macht, das Referendum stünde also gar nicht an, wenn westliche Politiker vor ein paar Jahren die Gunst der Stunde hätten nutzen können und nicht statt dessen ihre eignen Muskeln hätten spielen lassen müssen.

     

    Nun können sie natürlich alles noch viel schlimmer machen mit ihrem undiplomatischen Getöse. Nur haben sie gar keine andre Wahl. Genau wie Erdogan westliche Spitzenpolitiker braucht um an die (unbegrenzte) Macht zu kommen, brauchen westliche Spitzenpolitiker Erdogan. Sie haben ja genau das gleiche Ziel.

     

    Hier funktioniert Politik so wie ein Markt. Beziehungsweise funktioniert sie nicht. Der Kunde kauft nicht nur bei tadellosen Händlern ein. Er kauft, wo er einen Gewinn erwarten darf. Deswegen haben wir den Klimawandel, die vielen Kriege und ein paar Betriebseinstürze.

     

    Die Hassprediger werden gewählt. Zu viele Leute setzen auf den Schulhof-Bully, der ihnen sagt, dass er sich für sie prügeln wird. Sie würden sich ja gerne selber prügeln, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, aber sie trau'n sich nicht. Sie wollen lieber prügeln lassen, das finden sie nicht so riskant. Den Vater hat ja damals auch keiner bestraft.

     

    Deswegen ist es nicht genug, zu schwatzen und ansonsten nur zu ignorieren. Die Ursache der Gewaltbereitschaft geht davon nicht weg. Genau so wenig wie von noch mehr "Druck", der auch wieder "von oben" kommen muss. Die Ungerechtigkeit treibt Leute auf die Barrikaden. Auch die verbale. Dagegen hilft nur: Weg damit.

     

    Das blöde ist: Wer Ungerechtigkeiten braucht, wird nichts dran ändern wollen. Er wird sie sich nur schön reden an Sonn- und Feiertagen. Auch nicht sehr diplomatisch, finde ich. Die Leute sind ja schließlich nicht ganz blöd. Sogar "die Türken" merken, wenn man sie für dumm verkauft. Und ob sie ihre Geiseln gehen lassen werden, wenn sie erst mal so richtig wütend sind? Ich glaube nicht.

  • Altmeier gefällt mit immer besser ! Gerade in dem derzeitigen Komunikationsknoten sollte die Bundesregierung öfter auf ihn zurückgreifen wenn es darum geht mit bedeutenden Leuten aus der Türkei und Russland zu sprechen. Ich würde ihm sogar empfelen dann zu sollchen Staatstragenden treffen in Jeans und Hawaihemd im Arm seines Freundes zu erscheinen. Als persöhnlichen Berater sollte er Jan Böhmerman ebenfalls mitnehmen . Sorry, aber mehr Respekt hat der Erdogan - Clan nicht verdient. Altmeier ist der einzige der sich das erlauben kann, gut aussieht und dabei auch '' Diplomatisch '' bleiben würde .

    • @Bodo Klimmek:

      "Altmeier ist der einzige der sich das erlauben kann, gut aussieht und dabei auch diplomatisch bleiben würde."

       

      Sie meinen wirklich PETER Altmeier mit "gut aussieht"? Nun ja. Geschmäcker sind ja recht verschieden.

       

      Die Kanzlerin hat Altmeier wohl nicht umsonst zu ihrer ganz privaten Allzweckwaffe abgerichtet. Der pflegt einfach den gleiche Stil wie sie. Leider sind die beiden Nichtssager zusammen immer noch nicht das, was die Menschheit derzeit braucht. Sie sind auch miteinander noch nicht frei von all den Zwängen, die in der deutschen Politik herrschen. Auch zusammen sind sie noch gefangen in den Grenzen eines fehlerhaften Wirtschafts- und Sozialsystems.

       

      Nein, mit diplomatischem Geschwätz werden sie auf Dauer weder Deutschland retten, noch die Welt. Sie schieben bloß das Unvermeidliche noch etwas auf.

       

      Die Menschen sind einfach nicht mehr so dumm und unbeleckt, wie sie es früher waren. Sie vergleichen die allgegenwärtige Freiheits- und Glücksrhetorik mit ihren persönlichen Erfahrungen und stellen fest: Alles bloß Show! Merkel und Altmeier können und wollen nichts ändern daran. Und wenn sie unser aller Elend grade etwas hübscher verpacken als gewisse andre Leute, werden wir daran auch nicht lange eine Freude haben.

       

      Das heißt nicht, dass Eskalation nicht noch viel rascher gehen kann. Vor allem dann, wenn ein sehr unschönes Geschenk auch noch potthässlich eingewickelt wird und es beim Überreichen heißt: "Hier, Trottel, der Mist ist für Dich!" Dann wahrt der so Beschenkte vermutlich nicht mal mehr die Form, bis Mikrofon und Kamera vom Netz gegangen sind. Weil: Das hat er moralisch gar nicht nötig. Er hat schließlich nur REAGIERT.

  • Manche Menschen kriegen einfach nie genug. Sie wollen immer mehr, als ihnen zusteht. Vor allem dann, wenn sie schon beinah alles haben.

     

    In Berlin, lese ich, möchte ein umtriebiger Trainer unter Verwendung öffentliche Bäder seinen privaten Gewinn maximieren. In den USA will ein bankrotter Unternehmer unter Zerstörung des US-Images als Präsident durchgehen. Erst neulich wollte ein mittelmäßig begabter Kleinkünstler auf Kosten unbescholtener Ziegen von sich reden machen. In den Niederlanden betreibt ein weißhaariges Großmaul Wahlkampf auf dem Buckel Zugewanderter. Jetzt also das: Ein Präsident versucht, sowohl die Vorteile des Präsident-Seins als auch die des Vom-Sofa-aus-twitterns für sich in Anspruch zu nehmen. Mal ehrlich jetzt: Wieso können die sich nicht endlich mal entscheiden?

     

    Ich schätze, weil sie es so gelernt haben. Seit 500 Jahren (stark gerundet) versuchen Europäer, gleichzeitig moralische Instanz und Profiteur schreiender Ungerechtigkeit zu sein. Und es gelingt ihnen sogar! Erst jetzt, wo sich die Nachfahren ihrer kolonialen Untertanen das selber Recht für sich heraus nehmen, fällt ihnen auf, dass das nicht ganz in Ordnung ist.

     

    Erdogan hat das Siegen von den Europäern gelernt. So, wie er jetzt Wahlkampf macht auf Kosten deutscher und holländischer Politiker, haben diese zuvor auf Kosten der Türkei Wahlkampf gemacht. Damit, die Türkei nicht in die EU zu lassen, haben Union und SPD für sich geworben. Nun will Herr Erdogan nicht mehr in die EU. Es kann ihm also wurscht sein, wenn "die EU" ihn nicht mehr mag.

     

    Diplomatie ist kein Selbstzweck. Diplomatie ist, wenn man gute Gründe hat. Im Übrigen wissen wir, wie Tucholskys Empfang ausgegangen ist. Ein Diplomat ist eben nicht ein Diplomat, ein Diplomat. Wer nur dumm labert und nicht weiß wieso, den kann man leicht von seinem Kurs abbringen. Ich bin gespannt, wie sich "die Europäer" schlagen werden. Es wird ein Zweikampf mit sich selbst...

  • Diplomatie vor der Kamera? Funktioniert nicht wirklich.

    • @lions:

      Mag sein. Aber nur, weil man den Leuten hinter der Kamera gewohnheitsmäßig unterstellt, dass sie nur schauspielern.

      • @mowgli:

        Nee, eher denen vor der Kamera!

  • Ich sehe das ähnlich. Einen primitiven Schulhof-Bully (Erdogan), der einen auf dicke Hose macht, lässt man am Besten links liegen. Sich mit solchen Leuten zu kloppen ist sinnfrei.

    • @BillyGunn:

      Das sollte man mal den (männlichen) Politikern erklären. Die glauben, dass sie was gewinnen können, wenn sie beim Prügeln (wie imBett) nur immer ganz weit oben liegen.

  • Was ein Unsinn. Die Türkei gewähren lassen ist das dümmste, was man tun kann. Wir müssen hart mit der Türkei umgehen. Wir als Europa können dem ganzen ein Ende setzten. Mit welcher Logik denken Sie, wird sich Erdogan von unserer Gelassenheit beeindrucken lassen?

    • @Mantis Toboggan:

      Hallo Mantis,

      Erdogan verfolgt eine "Strategie der Spannung" jede Reaktion der BRD schart die Türken hinter ihn.

      Tobende Menschen sperrt man in die Gummizelle. Genauso sollte man mit der türkischen Regierung verfahren. Bis zum Referendum möglichst nur höfliche Nichtreaktionen- also eine diplomatische Gummizelle.. Nach dem Referendum, wenn sich der Tobende wieder der tristen wirtschaftlichen Realität stellen muß wird wieder Klartext geredet und massiv Druck gemacht werden, damit Deniz und die vielen anderen freikommen

    • @Mantis Toboggan:

      Nee, nee, nee! Im Moment will erdogan doch "seine" Wahl gewinnen - und da kann er nur profitieren, wenn er in Deutschland Krawall provozieren kann. Schließlich geht es ihm um seine potentiellen Wähler, nicht um deutsche Adressaten. Also finde ich, der Kommentar hat schon recht: Am besten, ihn (und seine Sprecher*innen) möglichst langweilig-pedantisch auflaufen lassen...