Kolumne Schlagloch: Wie man nicht mit Rechten redet
Mit Rechten reden? Der Auftritt der Anwältin Seyran Ateş bei der populistischen FPÖ in Wien zeigt schon mal, wie man es nicht machen sollte.
![seyran ates steht am eingang eines kirchengebetsraums seyran ates steht am eingang eines kirchengebetsraums](https://taz.de/picture/3084422/14/mit-rechten-reden-seyran-ates-18610578.jpeg)
A m 13. November luden Institutionen der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) in Wien zum Vortragsabend „Der politische Islam und seine Gefahren für Europa“. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn die Hauptrednerin nicht Seyran Ateş gewesen wäre – jene Berliner Anwältin, die bereits mehrere viel beachtete Bücher zum mutmaßlichen Versagen des Multikulturalismus und für eine Erneuerung des Islam veröffentlicht hat.
Als genau diese innerislamische Erneuerung feiern viele deutsche Medien sie. Im vergangenen Sommer wurde breit berichtet, dass Ateş die angeblich erste deutsche – manchmal hieß es gar: europäische – liberale Moschee gegründet habe. Ihre politischen Ansichten bezeichnet Ateş als links, und sie spricht sich für die Gleichberechtigung sexueller Orientierungen aus.
Eine Kooperation mit der FPÖ würde man hier nicht erwarten. Aber war es tatsächlich eine Kooperation? Wenn man sich die zwei Stunden lange Videoaufnahme ansieht und Ateş’Presseerklärung dazu liest, wird einem deutlich, dass dieser Auftritt in Wien vor allem ein glänzendes Beispiel dafür ist, wie es ablaufen kann, „mit Rechten zu reden“, wie ja derzeit häufig gefordert wird. Und was es bedeutet, dabei mit Pauken und Trompeten unterzugehen.
Ich sollte an dieser Stelle einschieben, dass ich Ateş’bisherige Bücher als halbgare Beiträge zu einer Islam„kritik“ verstanden habe, die tatsächlich Islamfeindlichkeit befördert. Und geradezu abstrus fand ich den Hype um ihre „Ibn-Rushd-Goethe-Moschee“ als vermeintlich ersten Raum in Deutschland, wo Frauen und Männer gemeinsam hinter einer Imamin beten. Auch in unserem Liberal-Islamischen Bund, gegründet 2010, führen Imaminnen Gebete. Bloß laden wir nicht extra Kameras dazu ein.
Trotz dieser Anfangsvorbehalte glaube ich Ateş nach besagtem Video, dass sie sich mit dem Auftritt in Wien der FPÖ nicht andienen, sondern Aufklärungsarbeit leisten und mehr Verständnis für die Pluralität des Islam in den rechten Raum hineintragen wollte. Mehrfach betonte sie, dass sie links und nicht FPÖ-nah sei. Einmal sagte sie explizit, dass sie keineswegs wolle, dass alle Muslime sich demselben Islamverständnis anschlössen wie sie; auch konservativere Muslime hätten das Recht, ihren Islam in Europa zu leben.
Strache walzt sein Lieblingsthema Zuwanderung aus
Doch man müsste den rechten Parolendreschern viel genauer auf den Zahn fühlen, damit aus so einem Abend nicht doch eine FPÖ-Werbeveranstaltung wird. Man dürfte nicht so sehr um sich selbst kreisen wie Ateş, die fast ihre gesamte Vortragszeit dafür aufwendet zu klagen, wie harsch sie in den sozialen Medien für ihren Auftritt kritisiert worden sei. Ateş interveniert nicht, wenn der FPÖ-Chef Strache sein Lieblingsthema „unkontrollierte Zuwanderung“ auswalzt und von „Migrationsströmen“ spricht, die „ganz klar das Ziel“ hätten, „Europa zu islamisieren“.
Während Strache seine Schreckensszenarien ausmalt, hört Ateş anscheinend gar nicht richtig zu, sondern sucht auf ihrem Handy erste Echtzeit-Reaktionen auf die eigene Rede. Die liest sie teilweise vor, als sie wieder das Wort erhält, und klagt erneut, wie sie für ihren Auftritt bei der FPÖ gescholten wird. Damit gibt sie Strache weitere Gelegenheit, die angebliche Toleranz der FPÖ herauszustreichen, während die Linken ja ach so intolerant seien. Strache hat das letzte Wort, so wie er auch das erste hatte, und Ateş begnügt sich mit der Bitte, man möge helfen, eine europäische Islamkonferenz einzurichten.
Mit Rechten reden? So jedenfalls funktioniert das nicht. Man darf nicht gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn direkt neben einem jemand unverhohlen Agitation betreibt. Man muss den Rechten vehement widersprechen, ihnen gegebenenfalls auch ins Wort fallen, wenn sie ihre Fake News verbreiten. Nicht nur als Mitdiskutantin, sondern auch als Lektor*in und Verleger*in muss man ihnen den Unsinn und die fremdenfeindlichen Suggestionen herausstreichen, statt nur die Rechtsabteilung Sorge tragen zu lassen, dass der verlegte Inhalt gerade noch nicht justiziabel ist.
Thilo Sarrazins Hausverlag, die Deutsche Verlags-Anstalt, will bekanntlich Sarrazins neues Buch über den Islam nicht verlegen; das löste im Sommer ein großes Medienecho aus. Vielfach wurde vermutet, die Entscheidung könne etwas mit einer verzerrten Darstellung des Islam zu tun haben. Doch noch heute steht auf der Website der DVA: „Thilo Sarrazin ist einer der profiliertesten politischen Köpfe der Republik. Seine fachliche Kompetenz in Finanzfragen gepaart mit dem Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, hat ihn in viele wichtige Ämter gebracht.“ – Klingt irgendwie diplomatisch, inklusive „unbequem“ als Adelsprädikat.
Doch es reicht nun mal nicht, wenn liberale Akteure des Kulturbetriebs die Rechten in aller Ruhe reden und schreiben lassen, in einer Unschuldsgeste die Hände heben und vollmundige Zitate zur Freiheit der Andersdenkenden vom Stapel lassen. Ja, diese Freiheit ist ein wertvolles Gut; aber Meinungsfreiheit ist nicht nur ein passiv gewährtes Recht, sondern geht einher mit der Pflicht der anderen, sich mit dem, was da gesagt wird, auch auseinanderzusetzen. Ein demokratischer Staat darf strittige Meinungen natürlich nicht verbieten. Doch wir, die Zuhörer*innen und Veranstalter*innen, die Verleger*innen und Leser*innen, wir müssen prüfen und widersprechen und die Anerkennung verweigern.
Erinnert sich noch jemand, wie diejenigen, die vor einem Rechtsruck warnten, Jahr um Jahr verspottet wurden, sie würden Probleme vermuten, wo gar keine sind? Bis diese Probleme unübersehbar waren, so wie jetzt. Die AfD sitzt in sämtlichen Landtagen. Reden müssen wir mit ihnen, aber das bedeutet, ihnen zu widersprechen. Sonst haben wir das hohe Gut Meinungsfreiheit, für das Frühere gekämpft und große Opfer gebracht haben, nicht verdient.
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