Kolumne Right Trash: Wovor rechte Vögel Schiss haben
Die Vogelschissdebatte ist nicht nur PR für die AfD, sondern zeigt auch die Risse der Partei. Ein Abweichler wird antisemitisch beschimpft.
E s ist erstaunlich, was ein Kotfleck anrichten kann: Plötzlich steht die AfD nicht mehr als eine Front da, sondern diskutiert, ringt mit sich. War die NS-Diktatur wirklich nur ein Vogelschiss in der deutschen Gesellschaft? Wie hat Alexander Gauland seinen Satz gemeint? War es klug, so zu formulieren? Hätte man es ganz lassen sollen? Siehe da: Plötzlich diskursiert es in einer Blase, die sonst nur vorbereitete Talking Points ständig wiederholt oder gezielt polemisiert, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Interessant wird es an einer Stelle: Wo ein AfDler Gauland deutlich kritisiert, selbst eine Entschuldigung anbietet und vom Partei- und Fraktionschef eine einfordert. Der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt hat das Samstagnacht getan und es wird deutlich: Die AfD und ihre Unterstützer*innen dulden keine Abweichler. Schon in der ersten Antwort auf den Tweet schimpft ein AfD-Kollege, dass Witt ein „AfD-Umfaller“ sei.
Andere fahren deutlichere Geschütze auf: Witt sei ein „Cuck“, eine in rechten Kreisen gängige rassistische und sexistische Beschimpfung, ein „Jammerlappen“, er solle sich ein paar „Eier“ wachsen lassen. Er sammle wohl „Goypoints“, heißt es in einem Tweet – eine antisemitische Beschimpfung, die Witt unterstellt, er versuche sich bei Juden anzudienen.
In der Diskussion findet sich aber auch Lob für Witt und viele Diskutierende suchen nach den Erklärungen für Gaulands Satz: Dieser habe die NS-Zeit gar nicht verharmlost, sondern zeitlich einsortiert, argumentieren einige. Andere wiederum finden, dass Gauland die NS-Zeit sehr wohl und zu Recht kleinrede, denn es müsse endlich Schluss sein, mit dem „Schuldkult“ in Deutschland. Eine twitternde Person wird ganz deutlich: „Herr Hitler“ habe sich nur für sein Volk eingesetzt.
Gaulands Satz war kalkuliert komponiert, um genau diese beiden Positionen zu bedienen und zu vereinen. Für diejenigen, die die Nazis verherrlichen, sollte er signalisieren: „Schaut, wir sehen das genauso“. Für andere Rechte, die eine rote Linie bei der Verherrlichung der Nationalsozialisten ziehen, bleibt genug Raum, um den Satz zu rationalisieren: Es sei nur eine zeitliche Einordnung. Diese gezielte Ambivalenz, findet man bei der AfD immer wieder: Etwa wenn Extremisten wie Bernd Höcke oder Jens Maier von einem „Denkmal der Schande“, beziehungsweise vom AfD-Bundestagseinzug als „einem der größten Erfolge seit 1945“ sprechen.
Nicht jeder Tabubruch nützt der AfD
Solange sich die unterschiedlichen Rechten das Ihre denken, klappt das. Doch bei der Skandalisierung in der Öffentlichkeit zeigen sich die Bruchlinien der rechten Partei: Wie hält man es eigentlich mit der deutschen Geschichte? Ist die Abgrenzung von NS-Zeit und Antisemitismus nützlich, um pauschal gegen Antisemitismus bei Muslimen zu hetzen? Oder droht Europa durch „Morgenlanddenken“ aus Judentum, Christentum und Islam zu verweichlichen? Für Rechtsextremist*innen, die in der AfD ihre neue Hoffnung gefunden haben, sind das keine Nebensachen, sondern zentrale politische Konflikte.
Das heißt aber auch: Nicht jeder Tabubruch der AfD ist ein „Stöckchen“, über das man nicht hüpfen dürfe, und die AfD profitiert nicht von jeder Art von Empörung. Innerhalb der Partei bietet sich einiges an Spaltpotenzial. Ihre Position zu Wirtschaft und Soziales ist beispielsweise höchst umkämpft zwischen Steuersenkern und Arbeitslose-sind-faul-Neoliberalen auf der einen und „solidarischen Patrioten“, die einen Wohlfahrtsstaat nur für „Deutsche“ haben wollen, auf der anderen Seite. Auch die Frage nach der Anständigkeit dürfte in einer Partei, die ständig Politiker*innen anderer Parteien als Selbstbediener beschimpft, aber selbst Zehntausende Euro für Häppchen ausgibt und deren Abgeordnete überdurchschnittlich oft Probleme mit dem Gesetz haben, nicht unumstritten sein.
Nicht immer nützt die Kontroverse also der AfD, manchmal ist das Stöckchen auch ein Bumerang. Und womöglich kann man der Partei auch selbst mal ein paar Stöckchen hinhalten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden