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Kolumne PsychoKann nicht kommen, weil krank

Wie erklärt man seinem Arbeitgeber und den KollegInnen, dass nicht der Körper leidet, sondern der Kopf? Zehn Anläufe des Scheiterns.

Bettlägrig? Kann vieles heißen Foto: dpa

L iebe KollegInnen, ich kann heute leider nicht zur Arbeit kommen. Bin krank. Tut mir sehr leid. Liebe Grüße!

Halt, das kann ich so nicht abschicken. Warum entschuldige ich mich dafür, dass es mir nicht gut geht? Typisches Frauenproblem. Sieht außerdem aus, als hätte ich ein schlechtes Gewissen, was darauf schließen lässt, dass ich simuliere. Das geht besser.

Liebe KollegInnen, ich kann heute leider nicht zur Arbeit kommen. Bin krank-

Hm. Bisschen unkonkret. „Krank“, das könnte alles sein. Schnupfen, Regelschmerzen, Bandscheibenvorfall. Habe aber ja nichts von alldem. Nur Panik. (Haha: nur.) Nicht vor der Arbeit selbst, sondern vor dem Weg dorthin. U-Bahn-Angst. Homeoffice geht aber leider nicht. Wenn es draußen nicht so krass regnen würde, könnte ich wenigstens das Fahrrad nehmen. Ich könnte natürlich auch einfach ehrlich sein.

Freunde, mir gehts heute nicht gut. Ich hab jetzt schon Panik, in die U-Bahn zu steigen und fühle mich total schwach. Bleibe besser zu Hause.

Oh Gott, auf keinen Fall. Die denken definitiv, dass ich meine Angststörung vorschiebe, um blau zu machen. Kann ja niemand kontrollieren, ob es mir wirklich so geht. Und von wem bekomme ich dafür überhaupt ein Attest? Von meinem Therapeuten? Selbst wenn: Ich fühle mich sogar zu schwach, aus dem Haus zu gehen.

Hey Team, ich nehme mir heute und morgen frei, um mich auf meine mentale Gesundheit zu fokussieren. Hoffentlich bin ich nächste Woche zurück, um mich wieder mit 100 Prozent der Arbeit zu widmen.

In den USA haben die sogar ein Wort dafür, wenn man wegen psychischer Probleme zu Hause bleibt: Mental Health Day.

Sich auf seine mentale Gesundheit fokussieren – hört sich das nur in der deutschen Übersetzung so gestelzt an? Egal, in den USA haben die jedenfalls sogar ein Wort dafür, wenn man wegen psychischer Probleme zu Hause bleibt: Mental Health Day. Wie großartig ist das denn! Kein Wunder, dass Madalyn Parker 45.000 Likes für ihren Tweet bekam. Die Webentwicklerin hatte neulich einen Screenshot ihrer Krankmeldung samt der verständnisvollen Antwort ihres Chefs gepostet. Vielleicht funktioniert das ja doch. Ich muss es nur ein bisschen fluffiger formulieren.

Bloß keine Witze

Ihr Lieben, ich bin heute psychisch angeschlagen.

Joar. Könnte auch Liebeskummer sein.

Ihr Lieben, ich hab Psychoscheiß am Laufen.

Gott, bin ich 15?

Ihr Lieben, ich bin krank. Im Kopf, aber das wisst ihr ja schon länger.

Nee, Witze sind verboten. Sonst glaubt mir keiner, dass es mir wirklich schlecht geht.

Ihr Lieben –

Ich geb auf.

Liebe KollegInnen, ich hab Magen-Darm: Bleibe heute zu Hause und kurier mich aus.

Lügen ist scheiße. Andererseits ist es genau genommen keine Lüge: Ich hab ja Kreislauf und Übelkeit. Ist halt keine Grippe. Hab ich aber ja auch nicht geschrieben. Hehe. (Memo: keine Witze! siehe oben) Nee, das geht nicht. Wenn ich lüge, hab ich den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen. Ich mach es einfach wie immer.

Liebe KollegInnen, ich verspäte mich um ca. 15 Minuten, sorry. Bis gleich!

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taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).
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6 Kommentare

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  • Nö, ganz ehrlich: NÖ! So nicht. Bei mir wären Sie damit weg vom Fenster. Es gibt bei Jedem (Geschlecht egal) "Tage wie Diesen". Ich "fühle" mich schwach/müde/ausgelaugt/nicht gut etc. Nun, nur den Wenigsten ist 100% "alles supi" ein Leben lang vergönnt. Das ist ein privates "Gefühlsproblem" und die Umwelt (Arbeitsplatz) braucht damit nicht belästigt zu werden. (Oder wir nehmen "ich hab heut keinen Bock" als Meßlatte...eher nicht, oder?). Wenn eine tatsächliche, psychische (oder psychosomatische) Beschwerde vorliegt, dann - ja - Attest vom Experten. (Angststörung/Depression ect. -nicht die Modeerscheinung, das Echte - sind ernsthafte Erkrankungen) Aber ich weiß: Nee, das will ich nicht an die große Glocke hängen. Tja, dann auch keine Rücksicht erwarten. "Ich kann die U-Bahn nicht nehmen"...nimm das Auto/ruf ein Taxi, sonst keine Ausrede. "Ich kann die Wohnung nicht verlassen"- Nun, dann klipp und klar: Prioritäten! Wer sich in dem Zusatand noch Gedanken um die richtige Formulierung macht simuliert oder hat sein (GROßES!) Problem nicht verstanden: Greif zum Hörer und ruf Hilfe, Du HAST ein Problem und das wird schlimmer. Handle JETZT! Wenn die Sache überstanden ist, beweis Deine Stärke und offenbare Dich dem Chef und den Kollegen. Wenn der Chef kein Arschloch ist, gibt es eine Lösung.

    (Aber: Trennungsschmerz et al sind einfach keine Gründe, die "Fehlen" rechtfertigen. Man kann von erwachsenen Menschen durchaus erwarten, daß sie sich für ein paar Stunden zusamreißen können)

  • Leute macht euch mal keen Kopp.

     

    Was Andere über einen denken kann man sowieso nicht beeinflussen. Die Gedanken sind frei. Sollen Sie doch denken was sie wollen.

     

    Ist der Ruf erst ruiniert lebt es sich ganz ungeniert...

  • Kenne das Problem. Daß man krank ist, glaubt einem keiner, wenn man nicht röchelnd im Bett oder besser, im Krankenhaus liegt.

     

    Psychische Krankheiten, die zum Versäumen von Arbeit oder Schule führen, kann man sich in Arbeit-Macht-Frei-Land einfach nicht vorstellen. Man hat schon Glück, wenn man überhaupt 'ne korrekte Diagnose bekommt, oder wenn der Hausarzt überhaupt was merkt anstatt einem ein paar Magentabletten zu geben...

     

    Einfach die Wahrheit sagen. "Ich bin krank." Langfristig muß man mit der Ablehnung der anderen leben. Man gewöhnt sich dran.

  • "Hey, ich bin krank und was, glaubt mir eh keiner"

    Nee, wer Angst vor Simulationsvorwürfen hat, verrät seine eigene Denke: Ist einer anderer Kollege krank, macht der eh nur blau - Projektion!

    • @lions:

      Vielleicht hat derjenige auch nur mitbekommen, wie die Kollegen über "Simulanten" herziehen..

      • @kditd:

        Mal angenommen. Dann könnte er ihn verteidigen und über ihn selbst wissen die dann das nächste mal schon mehr Bescheid. Irgendwie hat das ja mit Selbstvertrauen zu tun, wenn einem das Gequatsche am Arsch vorbeigeht. Hat man kein Selbstvertrauen, traut man auch anderen nicht- Projektion!