Kolumne Pressschlag: Abbau der Kruste
Der DFB hat in den vergangenen Jahren eine merkwürdige Personalpolitik gepflegt. Jetzt ist Zeit für den Neubeginn – und eine Doppelspitze.
W enn man ein Fest der Intersektionalität durch Aufsummierung identitätspolitischer Partikularinteressen feiern möchte, dann wäre eine ostdeutsche Frau mit Migrationshintergrund für den DFB keine schlechte Lösung. Vielleicht könnte sich unter diesen Voraussetzungen auch die ehemalige Frauenfußball-Bundestrainerin Silvia Neid zur Wahl im September stellen, wie es die grüne Parteichefin Annalena Baerbock ihren Twitter-Followern kürzlich zum Nachplappern empfohlen hat.
Der DFB, der in der vergangenen Dekade eine – gelinde gesagt – merkwürdige Personalpolitik pflegte, würde mit einer Silvia Neid, der ehemaligen Radsport-Präsidentin Sylvia Schenk oder Ex-Nationalspielerin Steffi Jones den Zeitgeist in seine Flure in der Frankfurter Fleckschneise lassen.
Aber wäre dem größten Sportverband mit solchen Erwägungen, die ihre Impulse zumeist aus dem Spannungsfeld sozialer Erwünschtheit generieren, wirklich gedient? Und – ketzerisch gefragt: Warum sollte es den DFB interessieren, wenn in den sozialen und regulären Medien mit einer Luftpumpe ein personalpolitischer Testballon von formidabler Größe aufgeblasen wird?
Noch vor einem Jahr hätte man gesagt: Das hätte den DFB nicht gejuckt, im Fußballverband galt ja immer die Maxime: Ihr könnt uns mal! Oder anders gesagt: Was interessiert es den Mond, wenn ihn ein Pinscher anheult. Reinhard Grindel war ein Funktionär, der dieses Selbstverständnis mit jeder Pore seines Körpers lebte.
Umbau in der Fleckschneise
Wer ihn je sah, wenn er seiner Meinung nach kritischen Geistern oder einfachen Zuträgern übers Maul fuhr, sie auflaufen ließ oder klein machte, kann verstehen, warum er jetzt, da er seine Hausmacht im DFB verloren hat, selber aufpassen muss, nicht wie ein Hund vom Hof gejagt zu werden. Die Petitesse um die Annahme einer Uhr und die angebliche Verheimlichung von Einkünften aus einer Aufsichtsratstätigkeit werden zu Belegen ultimativer Funktionärsverruchtheit hochgejazzt, dabei waren seine Präsidiumskollegen wohl eher die Anmaßungen und das fehlende Feingespür von Grindel leid. Hier werden nun offensichtlich alte Rechnungen beglichen.
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Würde der DFB die neuerliche Krise dazu nutzen, seinen Führungsstil, ja seine gesamte Corporate Identity zu hinterfragen, was zwingend notwendig wäre, dann müsste eine Person den Laden übernehmen, bei der von untergeordneter Bedeutung ist, welchem Geschlecht sie angehört. Im Fokus stünde, ob sie durch ihre Hartnäckigkeit und ihren unbändigen Gestaltungswillen verkrustete Strukturen in diesem Moloch von einem Verband aufbrechen kann.
Doch damit nicht genug: Könnte sie ernsthaft ein Transparenzversprechen einlösen, die Verbandskommunikation von rechts auf links drehen, die Fans wieder auf ihre Seite bringen, das Geheim- und Männerbündische hinterfragen – und könnte sie, last, but not least, den Amateur- mit dem Kommerzfußball versöhnen?
Das sind Mammutaufgaben. Andere würden sagen: Hier geht es um die Quadratur des Kreises. Die Aufgaben eines künftigen Präsidenten sind derart fordernd und vielfältig, dass es einen Menschenfänger und Verwaltungsprofi bräuchte, um diesen Verband in die Postmoderne zu führen. Aber wenn das offensichtlich so schwierig ist, warum sollte der DFB dann nicht eine arbeitsteilige Doppelspitze unter Beachtung der Geschlechterparität installieren. Das wäre ein kluger Schachzug, und zwar nicht nur unter symbolpolitischen Gesichtspunkten.
Es müsste dann aber anders laufen als in der Fifa. Da hat Gianni Infantino in Fatma Samoura eine Generalsekretärin berufen, die über den Status einer Alibi-Funktionärin nicht hinauskommt.
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