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Kolumne PressschlagWillkommen im Mittelalter

Kolumne
von Johannes Kopp

Der DFB straft den abtrünnigen SV Wilhelmshaven ab, weil dieser sich um weltlichen Beistand bemühte. Es geht nämlich um die Macht.

Ob der SV Wilhelmshaven nochmal beim DFB platznehmen will? Foto: dpa

D ieser Konflikt erinnert ans tiefste Mittelalter, als sich geistliche Macht und weltliche Macht auch in Rechtsfragen wüste Auseinandersetzungen lieferten. In dieser Analogie nehmen die Fifa und der DFB die Rolle der heiligen katholischen Kirche ein. Die Fußballoberhäupter wollen es nicht hinnehmen, dass dieser kleine Fußballverein aus Wilhelmshaven weltliche Gerichte anruft, um die segensreichen Dekrete der Fifa außer Kraft zu setzen.

Durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof hatte sich der SV Wilhelmshaven geklagt und bekam auch noch recht. Der von der Fifa verhängte und vom DFB und Norddeutschen Fußballverband (NFV) vollstreckte Zwangsabstieg 2014 sei unrechtmäßig, urteilte das weltliche Gericht. Grund: Die Satzung des NFV sei zu lückenhaft, um Fifa-Recht zur Geltung zu bringen. Der Weltverband hatte sich an der Nichtzahlung einer Ausbildungsentschädigung des Regionalligavereins gestört.

Doch die Inhalte dieses Streits sind nebensächlich. Vielmehr geht es nun den obersten Sportfürsten darum, ein klares Zeichen zu setzen, damit der Wilhelmshavener Sündenfall keine Nachahmer findet. Deshalb hat der Deutsche Fußball-Bund am Freitag klargestellt, dass ihn rechtsstaatlich erstrittene Rechtsansprüche nicht die Bohne interessieren.

Beim SV Wilhelmshaven glaubte man nach dem BGH-Urteil mit einem Zwangsaufstieg oder zumindest Schadenersatzzahlungen rechnen zu können. Der DFB machte nun deutlich, dass sich die Aufständischen aus Norddeutschland auf einem fatalen und aussichtslosen Irrweg befinden: „Der Verein muss darlegen, dass er ohne den Zwangsabstiegsbeschluss des NFV besser stünde als mit und deshalb einen Schadenersatzanspruch gegen den NFV hat. Dem ist aber nicht so.“ Sprich: Der DFB fordert einen Beweis für etwas, was man aus seiner Sicht gar nicht beweisen kann. Für den einstmals ambitionierten SV Wilhelmshaven, der mittlerweile bis in die Siebte Liga abgerutscht ist, ist das gleichbedeutend mit der Exkommunikation. Der Weg nach oben bleibt ihm auf längere Sicht verschlossen.

Ketzer leben gefährlich

Interessant ist, dass der DFB in derselben Erklärung darlegt, dass er die vom Bundesgerichtshof beanstandeten Mängel in den Verbandssatzungen der Landesverbände künftig beheben will. Das könnte man auch als Schuldeingeständnis werten. Die Intention ist aber eine andere. Der Verband macht sich auf diese Weise für mögliche weitere renitente Vereine weniger angreifbar, indem er die selbstverschuldeten Unebenheiten begradigt. Der Verein, der aber gerade darüber gestolpert ist, und es wagte, sich deshalb aufzulehnen, soll aber zusehen, wie er selbst wieder auf die Beine kommt.

So gehen die Sportmächtigen eben mit Ketzern um, die glauben, es gebe Autoritäten, die über dem Sport stehen. Bei ihnen herrscht ein noch zutiefst mittelalterliches Rechtsverständnis vor. Der NFV, der DFB und die Fifa schaffen sich ihre eigenen Regeln, für deren Auslegung ausschließlich ihre Glaubenshüter zuständig sind. Im Fall vom SV Wilhelmshaven will man jetzt ein Exempel statuieren. Deshalb würde dem Verein auch ein Gang nach Canossa wenig nutzen. Der SV Wilhelmshaven muss sich im Kampf gegen die mittelalterliche Rechtsprechung weiter an weltliche Gerichte halten.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • Der Sport sollte, ebenso wie die Justiz selber, so wenig wie möglich durch politische Instanzen einer "Kontrolle" unterworfen werden.

     

    Allerdings kann auch ein Sportverband das Urteil eines ordentlichen Gerichtes nicht einfach ignorieren. Wenn jetzt der Verband dem Verein die Nachweispflicht für Offenkundiges auferlegt, schiesst er sich nur selbst ins eigene Knie. Denn wenn nicht der DFB selbst ein "Angebot" zu machen bereit ist, wird der SV Wilhelmshaven die Höhe des Verlustes zur Not per Rechtsgutachten ermitteln und dies wiederum von einem Gericht bestätigen lassen.

     

    Beim DFB wachen die Funktionäre wohl erst auf, wenn der Gerichtsvollzieher mit einem Aktenkoffer voller Kuckucks-aufkleber zur vorläufigen Pfändung vorbeischaut.

  • Man sollte den DFB zwangsverstaatlichen um ihn parlamentarischer Kontrolle zu unterwerfen.