Kolumne Press-Schlag: Anschwellende Nacktdebatte
Zwei Jugendlichen aus Halle wurde bei einer Polizeikontrolle in den After geschaut. Die Fanszene ist alarmiert. Möge ihr Kampf weitergehen!
S chaut man sich an, was am 3. März zwei jungen Fans beim Besuch des Drittligaspiels Darmstadt 98 gegen Hallescher FC passiert ist, möchte man den Anhängern der Klubs deutscher Profiligen eigentlich nur zurufen: Geht weiter auf de Barrikaden! Lassen DFB und DFL zu, dass man so mit Fans umspringt, öffnet man der willkürlichen Kriminalisierung von Anhängern Tür und Tor.
Was war passiert? Zwei Fans des Halleschen FC, 17 und 20 Jahre alt, waren beim Auswärtsspiel ihres Vereins von der Polizei gezwungen worden, sich in einem Zelt einer Nacktkontrolle zu unterziehen. Die Beamten durchsuchten die Jugendlichen im Anal- und Genitalbereich. Man vermutete, sie trügen Pyrotechnik bei sich (gefunden wurde übrigens nichts). Ein „auffälliger Gang“ reichte zur Begründung vor Ort. Die Hallenser Fans hatten weder die Möglichkeit, eine Vertrauensperson mitzunehmen, noch die Kontrollen zu verweigern, indem sie dem Stadion ferngeblieben wären.
Dieser Vorfall kommt nach der Verschärfung der Auflagen für die Vereine nicht überraschend. In dem zwischen DFB und DFL und den Profivereinen im Dezember unterzeichneten Sicherheitsabkommen heißt es zwar: „Es erscheint an dieser Stelle notwendig, noch einmal klarzustellen, dass Ligaverband und DFB zu keinem Zeitpunkt den Vorschlag unterbreitet haben, statuarische Vorgaben für die Durchführung sogenannter Vollkontrollen festzulegen.“
Das vom DFL (für die Ligen 1 und 2) und DFB (für Liga 3 zuständig) erarbeitete Sicherheitskonzept wurde von der Polizei gegenüber einem Mitarbeiter des Hallenser Fanprojekts aber als Legitimation verkauft. Nicht verwunderlich: Aus diesem Papier spricht mit jeder Paragrafenänderung ein Geist, der zu sagen scheint: Schöpft die Grenzen des Rechtsstaats gegen die potenziellen „Störer“ vollends aus.
Verhältnismäßige Vollkörperkontrolle
ist Mitarbeiter im Leibesübungen-Ressort der taz.
Und geht bisweilen über diese Grenzen hinaus, könnte man im aktuellen Fall hinzufügen. Die Polizei Darmstadt erklärt: „Die durchgeführten Maßnahmen waren zum Zwecke der Gefahrenabwehr erforderlich.“ „Gerechtfertigt und verhältnismäßig“ seien sie gewesen. Der Veranstalter, Darmstadt 98, weist darauf hin, in die Maßnahme nicht eingebunden gewesen zu sein.
Die Vereinigung Pro Fans nimmt die Vorfälle nach einer jüngsten Erklärung „mit größtem Befremden“ zu Kenntnis und sieht auch die „Tendenz, nach der die Hemmschwelle für derartige entwürdigende Kontrollen immer mehr sinkt.“ Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) sieht den im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit geforderten Dialog zwischen allen Netzwerkpartnern schon jetzt gestört.
Die Nacktkontrollen wären Anlass genug, die Protestaktionen vom Ende vergangenen Jahres fortzusetzen. Das Abkommen von DFB/DFL mit den Vereinen war von vorne bis hinten falsch: Es basierte auf falschen Annahmen, nach denen Ultras und Kurvenfans potenzielle Terroristen sind.
Die Fans aus Halle prüfen derweil rechtliche Schritte. Die Wahrscheinlichkeit eines juristischen Erfolgs ist sicher gering. Sorgt dieser Fall aber für eine neue Nacktdebatte, für viel Öffentlichkeit, wäre das mehr als ein Teilerfolg.
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